Neuseeland ringt um den Weg, wie mit dem Mykoplasmenausbruch bei Rindern umzugehen ist. Primär geht es um Geld: Was ist „teurer“ für die Wirtschaft? Die Keulung von rd. 150.000 (infizierten) Rindern in der Hoffnung, die Krankheit so auszurotten oder die Folgen, wenn sich M. bovis in der Rinderpopulation etabliert? Aktuell hat man sich für die Eradikation entschieden – obwohl der Erfolg nicht sicher ist.
(aw) – Eine internationale Expertenkommission (Technical Advisor Group, TAG) hatte der Regierung empfohlen, sämtliche positiv getesteten Herden zu töten.
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Man ging in Summe von etwa 150.000 Tieren aus, die über zwei Jahre verteilt nach und nach geschlachtet werden sollten. Die Kosten werden auf knapp 900 Millionen Dollar geschätzt (Untersuchungskosten, Entschädigungen, etc.). Das sei weniger als der geschätzte Schaden, den der Erreger anrichten würde, wenn er sich weiter ungehindert ausbreitet und man die Folgen managen müsse: 1,2 Milliarden Dollar.
Zweifel an Eradikationsplänen
Doch es gibt immer mehr Zweifel, ob diese Kostenrechnung tragfähig ist. Die
Zahl der zu keulenden Tiere könnte noch deutlich steigen. Es sind bereits erheblich mehr Betriebe positiv getestet als angenommen wurde.
28.279 Rinder sind bereits tot, 126.000 weitere auf geschätzt 200 Farmen müssten laut Plan innerhalb ein bis zwei Jahren noch folgen.
Die Experten hatten erstmals im Dezember 2017 eine Empfehlung ausgesprochen, betroffene Betriebe zu keulen, damit Neuseeland wieder Mykoplasma-frei wird. Im Februar gab es eine zweite Bewertung der Situation. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr Kommissionsmitglieder skeptisch, ob eine Ausrottung wirklich gelingen könnte. Eine weitere Einschätzung aufgrund neuer Daten soll im Juli 2018 erfolgen.
Übersichtsseite des Neuseeländischen Landwirtschaftsministeriums zum Mykoplasmenausbruch – jeweils aktueller Stand
Mykoplasmen auch bei Schafen, Schweinen und Wildtieren
Einer der prominentesten neuseeländischen Zweifler am Erfolg der geplanten Keulung ist Keith Woodford (Blog), Honorarprofessor der Lincoln-University in Neuseeland. Er hat unter anderem in 2007 ein Buch über das A1 Beta-Casein geschrieben ‚Devil in the milk‘, das sich mit den Varianten A1 und A2 auseinandersetzt.
Woodford gibt zu bedenken, dass Mycoplasma bovis nicht nur bei Rindern vorkommt, sondern sich auch in Schaf- und Ziegenpopulationen sowie bei Wildtieren nachweisen lässt. Außerdem besiedeln Mykoplasmenstämme weltweit Hühner und Schweine. Woodford zitiert einen Fall aus Österreich, wo eine Übertragung von M. bovis durch Wildschweine beschrieben wurde.
„Wilde Hausschweine“ als potentielles Reservoire?
In Neuseeland gibt es zwar keine Wildschweine, dafür aber einen großen Bestand verwilderter Hausschweine. Diese haben so gut wie keinen Kontakt zu Milchkühen, wohl aber zu Mutterkuhherden, die extensiver gehalten werden als Milchviehherden. Die Schweine haben es auf die Falltiere abgesehen – die nicht wie in Deutschland in Tierkörperbeseitigungsanlagen gebracht werden – und kommen daher als Krankheitsüberträger in Frage.
Keulung keine Garantie
Die ausschließliche Keulung der betroffenen Rinderbeständen ist daher aus Sicht von Woodford keine Garantie dafür, dass Neuseeland sein Mykoplasmenproblem lösen kann. Die Tatsache, dass Mycoplasma bovis in den Fleischrinderherden Neuseelands wesentlich weiter verbreitet ist, als bisher angenommen wurde, könnte für Woodfords Theorie sprechen.
Darüber hinaus äußert er in einem Blogbeitrag (24. Juni) den Verdacht, dass es bereits im Jahr 2014 einen Mykoplasmenausbruch auf der Südinsel gegeben haben könnte. Noch gibt es dazu keine offizielle Bestätigung, doch wenn dies der Fall sein sollte, müssen die Einschätzungen zur Eradikation von Mycoplasma bovis neu überdacht werden.