„Tierarztmangel“ auch an Universitäten

Als junger Tierarzt an der Uni bleiben? Nicht unbedingt: Es gibt Nachwuchssorgen auch in Forschung und Lehre. (Symbolfoto: © Medmannheim / CC BY-SA 4.0)

Nachwuchsmangel bei Tierärzten – da wird zuerst über Praxen diskutiert, die keine Mitarbeiter finden, vor allem auf dem Land. Doch auch an den Universitäten fehlt es an wissenschaftlichem Nachwuchs. Immer mehr veterinärmedizinische Professuren drohen „nichttierärztlich“ besetzt zu werden. Ein Positionspapier der Deutschen veterinärmedizinischen Gesellschaft beschreibt die Probleme.

(jh) – „Mit Sorge“ stellen die DVG-Präsidenten Prof. Martin Kramer und Prof. Arwid Daugschies fest, dass es zunehmend Probleme bereitet, Absolventen der Tiermedizin für die akademische Laufbahn zu gewinnen. Bei der Besetzung von Professuren, aber auch schon bei der Besetzung von Dauerstellen im Mittelbau werde (in Vor- und Paraklinik) zunehmend auf berufsfremde Bewerber zurückgegriffen.

In einem Positionspapier der Deutschen veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) beschreiben sie auf zehn Seiten die Probleme des veterinärmedizinischen wissenschaftlichen Nachwuchses an deutschen Universitäten. Es ist eine komplexe Mischung aus vagen Zukunftsaussichten bei vielfach nur befristeten Stellen, einem (Zeit- und Aufwands-)Konflikt zwischen Lehre und Forschung, dem strategischen und politischen Fokus auf (zuviel?) Drittmittelfinanzierung und auch veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an die „work-life-balance“.

Nichttierärzte lehren Tiermedizin?

Gerade für die vorklinischen und die paraklinischen Fächer sieht das DVG-Papier „eine reale Gefahr“, dass sich die Forschungsinhalte und das Selbstverständnis von der Tiermedizin wegentwickeln und ihre Bindung an das Fachgebiet schwindet – mit allen negativen Auswirkungen, bis hin zum Verlust tierärztlicher Kompetenz an den Univer- sitäten für die tierärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die Beratung von Tierärzten, Politik, Behörden, Verbänden, Wirtschaft und Verbrauchern.

Drittemittelfixierung setzt Tiermed-Unis unter Druck

Das DVG-Papier warnt: Sehr gefährlich könne es für einen so kleinen Berufsstand werden, wenn allein ökonomische und monetäre Aspekte die Ausrichtung universitärer Forschung bestimmen, insbesondere vor dem Hintergrund fachfremder struktureller oder strategischer Erwägungen. Ein Unbehagen mit Blick auf diese Situation sei spürbar, wenn ein Forschungsfeld zwar kurzfristig Drittmittelgelder und Ansehen verspricht, zur nachhaltigen Entwicklung der Veterinärmedizin aber nichts oder nur marginal etwas beiträgt. Die politischen Rahmenbedingungen (u. a. „Exzellenzstrategie des Bundes in der Forschung“) haben sich verändert und es gibt eine zunehmende Ausrichtung der Grundfinanzierung an den Universitäten auf drittmittelgestützte Forschung. Das setze die veterinärmedizinischen Bildungsstätten zunehmend unter Druck, ihre Aufgabenstellung weniger an fachlichen Erfordernissen, als an der Forderung nach Drittmittelerfolgen auszurichten. Entsprechende Zielvereinbarungen und fachfremde Stellenbesetzungen beschleunigten diese für die Tiermedizin und ihren wissenschaftlichen Nachwuchs bedrohliche Entwicklung.

Lehre und Forschung nicht trennen

Die Tierärztliche Approbationsverordnung (TAppV) legt fest, dass im Studium bewusst Generalisten mit einem breiten fachlichen Hintergrund ausgebildet werden. „Das ist sinnvoll und unbedingt erforderlich, wenn man bedenkt, wie vielfältig die durch Tierärzte wahrgenommenen Aufgaben sind,“ argumentiert das DVG-Papier. Die fachliche berufsorientierte und auch die wissenschaftliche Spezialisierung von Tierärzten erfolgen erst postgradual.
Vor diesem Hintergrund müssten Lehre, Dienstleistung und Forschung nicht nur im Prinzip sondern sehr konkret als sich ergänzende und gleichermaßen wichtige Gesichtspunkte in der Qualifikation von Nachwuchswissenschaftlern gewürdigt werden. „Keinesfalls aber darf eine Sichtweise akzeptiert werden, wonach „Forschungsprofessuren“ besser von Nicht-Tierärzten auszufüllen sind, während Tierärzte primär für die Lehre und Dienstleistung („Lehrprofessuren“) tauglich wären“, schreiben Kramer und Daugschiess.
Die Wirkung einer derartigen Abqualifizierung und mangelnden Wertschätzung des Könnens und der Fähigkeiten von Tierärzten gerade an Universitäten wäre für den wissenschaftlichen Nachwuchs in höchstem Maße demotivierend und für den gesamten Berufsstand fatal.

Keine planbare Hochschullaufbahn?

Doch es gibt auch – von jungen Tieärzten mit Interesse an der Unilaufbahn beklagte –inneruniversitäre Probleme, die demotivieren. Etwa, dass die Mehrzahl der Planstellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Hochschulen zeitlich befristete Qualifikationsstellen sind.
„Dies ist gewollt und folgt dem Anspruch, dass Universitäten kontinuierlich Nachwuchs qualifizieren sollen“, sagt das DVG-Papier, räumt aber ein: Die Gewissheit der unwiderruflich auslaufenden Beschäftigung wecke bei den Betroffenen eher Zweifel an einer universitären Laufbahn. Es dürfe nicht ausgeblendet werden, dass sich Lebensentwürfe und Erwartungen als Spiegel der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung wandeln: “ ‚Work life balance‘, also die Planbarkeit, stabile Beschäftigung, Familie, Freizeit und soziales Umfeld, gewinnen zunehmend an Bedeutung.“

Zu wenig Bewerber für Hochschulprofessuren

Die akute Nachwuchsproblematik zeigt sich laut DVG-Papier in den Kliniken in dem oft sehr kleinen Bewerberfeld für die Besetzung von Professuren. Außerhalb der Universitäten würden deutlich höhere Einkünfte nach fachlicher Spezialisierung oder andere, bessere berufliche Perspektiven winken. Der Weg in eine dauerhafte Hochschullaufbahn gelte auch in den Kliniken als risikobehaftet, da neben fachlichem Können auch die drittmittelbasierte Forschung, Führungsqualitäten und eine exzellente Lehre zwar eingefordert würden, es an unbefristeten Planstellen aber mangele.

Tiermed-Hochschulen im Vergleich zu gut ausgestattet?

Politisch scheint das Thema allerdings nicht leicht zu vermitteln. Tatsächlich ist das Zahlenverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden in der Tiermedizin rechnerisch zunächst günstiger als in vielen anderen Studienfächern.
Es werde aber kaum wahrgenommen, dass der Aufwand pro Studierendem in der Ausbildung von Tierärzten wesentlich höher sei als in anderen Studienfächern, kritisiert die DVG. Allein aus den 29 Fächern, in denen Prüfungen im Rahmen des Staatsexamens nach der TAppV abzulegen sind, ergibt sich, dass die dafür notwendige breit gefächerte Spezialisierung der jeweiligen Fachdisziplinen in relativ kleinteiligen Strukturen verankert ist.
So entsteht ein Widerspruch zwischen dem tatsächlichen Mangel an universitären Planstellen für Tierärzte, der direkt mit der Nachwuchsproblematik korreliert, und dem Eindruck in der inneruniversitären Debatte, dass tiermedizinische Fakultäten beziehungsweise Fachbereiche mit Personal üppig ausgestattet seien.

Gesucht: Die Lösung des Problems

Das DVG-Positionspapier bietet bewusst keine Problemlösungen an. Zunächst soll eine Diskussion über die Situation und Zukunft des veterinärmedizinischen wissenschaftlichen Nachwuchses an den tierärztlichen Ausbildungsstätten entstehen.

Quelle:
Positionspapier der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft zur Entwicklung des veterinärmedizinischen wissenschaftlichen Nachwuchses an den Universitäten in Deutschland (PDF-Download)

Beitragsbild: Medmannheim / CC BY-SA 4.0

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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