NRW hat eine neue Landwirtschaftsministerin: Ursula Heinen-Esser ersetzt die zurückgetretene Christina Schulze-Föcking. Kommt auch sie jetzt auf das „Fahndungsplakat“, auf dem Tierrechtler ministeriale „Tierqualprofiteure“ aus-x-en? Oder fehlt es ihr zum Glück an landwirtschaftlichem Stallgeruch?
von Jörg Held
Das Amt eines CDU-Landwirtschaftsministers ist in diesen Tagen kein Traumjob. Agrarminister mit Stallgeruch im Wortsinn – sprich: mit landwirtschaftlichem Hintergrund – habe es aktuell schwer in der Politik. Seit Ende 2010 in Niedersachsen die Geflügelmästerin Astrid Grotelüschen auch über Tierschutzprobleme im familiären Betrieb stürzte, versuchen Tierrechtler diese Art Minister gezielt aus dem Amt zu „skandalisieren“.
Sichtbar wird die Strategie in der „Tierqualprofiteure-Kampagne“ der Tierrechtler von Peta. Die haken auf einer Art Fahndungsplakat ihren ersten Erfolg ab – und setzen zwei weitere Namen auf die To-do-Liste:
Ist Branchennähe politisch schädlich?
Mit der Berufung von Ursula Heinen-Esser versucht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet deshalb wohl eine Art Spagat: Etwas landwirtschaftspolitische Erfahrung ja (etwa als Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium), aber eben kein „Stallgeruch“ mehr und dadurch weniger Angriffsfläche. Stattdessen zeichnet sich die neue Ministerin durch langjährige Erfahrung auf dem politischen Parkett aus (Kurz-Vita Heinen-Esser siehe letzter Absatz).
Eine Lehre aus der Entwicklung in NRW scheint zu sein: Ein Minister muss/sollte nicht zwingend vom Fach sein, dafür aber umso mehr politische Erfahrung haben. Das liesse sich aus dem „Fall Schulze-Föcking“ ableiten – und auch dem von NRW-Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner. Der musste diesen Amtsbereich abgeben, weil ihm als ehemaligem Präsidenten des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und Anteilseigner der Funke-Medien-Gruppe (WAZ) eine zu Große Nähe zur Branche nachgesagt wurde.
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Der Fall Schulze-Föcking: „Terror siegt über Demokratie“
Die Chronologie, warum die Landwirtin Christina Schulze-Föcking am Ende nicht mehr im Ministeramt zu halten war, hat FAZ-NRW-Korrespondent Reiner Burger hier sachlich aufgearbeitet.
Es war ein „Skandal mit Ansage“, dessen erwartbaren Konsequenzen der Chefredakteur des Wochenblatts für Landwirtschaft und Landleben, Anselm Richard, schon im Juli 2017 prognostiziert hat.
Die also letztlich vorhersehbare Eskalation verurteilen zwar zahlreiche Medien jetzt in Kommentaren – die Entwicklung selbst wurde aber auch durch Medienberichte befeuert.
Mit „Terror siegt über Demokratie“ kommt deshalb die deutlichste Schlagzeile aus der Landwirtschaftspresse – Sabine Leopold von agrarheute erkennt in ihrem Kommentar allerdings auch Fehler der Ex-Ministerin.
Doch auch die FAZ spricht auf ihrer Kommentarseite schlicht von einer „Schweinerei: … denunziert, an den Pranger gestellt und mit einer Kombination aus der Macht der Bilder und Hetztiraden im Netz gezielt in den Rücktritt getrieben“ worden sei die Schulze-Föcking.
Deutlich kritischer ist dagegen die Rheinische Post: Der „Rücktritt war fällig“, weil die Ministerin einerseits „erkennbare Schwierigkeiten hatte, ihr Amt als Agrarministerin sauber von dem Geschehen auf dem Bauernhof ihrer Familie zu trennen“, auf der anderen Seite „als gestaltende Politikerin unsichtbar blieb“. Sie haben am Ende auch die Chance verpasst, „ihren Rücktritt mit ein paar selbstkritischen Worten zu begleiten“, denn „irgendwas sei immer gewesen bei dieser Ministerin“.
Landwirtschaft spaltet die Gesellschaft
Dirk Fisser weist in seinem NOZ-Kommentar dagegen noch auf eine andere politische Dimension hin – neben dem „Fanatismus irrgeleiteter Gestalten der Tierrechtsszene“, der dem radikaler Gruppen am gesellschaftlichen Rand in nichts nachstehe und einem „desolaten Krisenmanagement“ bei Schulze-Föcking.
Wichtig ist Fisser vor allem – und damit legt er den Finger in die Wunde der aktuellen Debatte – die „Entfremdung der Gesellschaft von der Lebensmittelproduktion: Wenn die Bilder einer rechtlich wohl einwandfreien Tierhaltung für Empörung sorgen … sind gesetzlicher und gesellschaftlicher Standard nicht mehr in Einklang“.
Diesen Konflikt wieder aufzulösen, dürfte die politische Herkulesaufgabe für die amtierenden Landwirtschaftsminister jeder politischen Couleur sein.
Mit welchen Team die neue Ministerin Heinen-Esser diese Aufgabe in NRW angehen wird ist noch nicht endgültig geklärt. Aktuell ist der Tierarzt Heinrich Bottermann Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium.
Kurzvita der neuen NRW-Landwirtschaftsminsterin Ursula Heinen Esser
Ursula Heinen-Esser (*1965) ist Diplom-Volkswirtin und arbeitete als Wirtschaftsjournalistin. Sie leitete von 1994 bis 1998 die Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik der CDU-Bundesgeschäftsstelle.
Heinen-Esser kann auch politische Erfahrung im Bereich Landwirtschaft vorweisen:
- Als Bundestagsabgeordnete – CDU-MdB war sie von 1998 bis 2013 – agierte sie von 2005 bis 2007 als Obfrau ihrer Fraktion im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
- 2007 berief Bundeskanzlerin Angela Merkel sie als Parlamentarische Staatssekretärin ins Bundeslandwirtschaftsministerium.
Seit 2009 allerdings hat Heinen-Esser sich mehr um die Folgen der Kernenergie gekümmert. Zunächst als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2009 bis 2013). 2014 wurde sie dann Vorsitzende des Aufsichtsrates der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und des Instituts für Sicherheitstechnologie und amtierte als Co-Vorsitzende der von Bundestag und Bundesrat eingesetzten Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe. Im Juli 2016 berief Bundesministerin Barbara Hendricks sie zur Vorsitzenden der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung.
Seit Mai 2018 ist sie nun Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen.