Ist das „infizierte Wurstbrot“ tatsächlich das größte Risiko für den Eintrag der afrikanischen Schweinpest nach Deutschland? Ein Blick auf Sardinien, wo das Virus seit 40 Jahren kursiert, lenkt den Fokus auf andere Faktoren, etwa Transporte. Aus den USA kommt die Meldung, dass das Virus über Futterkomponenten weite Strecken überwinden kann.
von Jörg Held
Seit Jahresbeginn hat es weit über 2.100 neue Fälle der Afrikanischen Schweinepest in der EU und der Ukraine gegeben, darunter 30 Ausbrüche bei Hausschweinen. Allein in Polen liegt die Zahl mit fast 1.000 Fällen damit schon über dem Niveau des gesamten letzten Jahres. Der Infektionsdruck aus Osteuropa ist dabei weit größer, als es die Karten zeigen. Eigentlich – so ließ es Professor Thomas Vahlenkamp, Virologe an der Universität Leipzig, auf der AVA-Tagung in Göttingen anklingen – bilden die offiziellen Karten das Geschehen in Russland, der Ukraine und insbesondere in Weißrussland (bezeichnet sich als fast ASP-frei) nicht vollständig ab. Die „Punktdichte“ müsste vergleichbar hoch sein wie im Baltikum oder Polen. Dass Überwachungssystem – insbesondere für Wildschweine – und die Meldedisziplin in den EU-Staaten gilt als deutlich ausgeprägter.
Das Virus macht große Sprünge – der Mensch ist schuld
Hauptrisikofaktor für die ASP-Verbreitung ist der Mensch. Er transportiert Lebensmittel – in denen das Virus bis zu 1.000 Tagen (gefroren) überleben kann – oder auch Schweine über hunderte und tausende Kilometer. In der Wildschweinpopulation überwindet es etwa 30 Kilometer pro Jahr.
Diese plötzlichen Sprünge über große Distanzen zeigt sehr gut eine Animation des Friedrich- Loeffler-Institutes (FLI), die die Ausbrüche seit 2007 im Zeitraffer auf einer Karte anzeigt.
Der Sprung des Virus von der Schwarzmeerküste quer durch Russland (siehe Animation) wird Truppenverlegungen der russischen Armee zugeschrieben.
In Osteuropa gilt die achtlose Entsorgung infizierter Lebensmittel weiter als Hauptrisikofaktor. Dadurch gelangt das Virus an neuen Orten in die Wildschweinpopulationen. „Die Ausbrüche scheinen einer jahreszeitlichen Rhythmik zu unterliegen, die der Selbstversorgungstradition der Bevölkerung folgt“, sagt Professor Vahlenkamp. Vor allem zeitversetzt nach Feiertagen verzeichnete die Überwachung neue Infektionen bei Wildschweinen.
Aber: Warum bleibt das Virus auf Sardinien?
Auch auf der italienischen Insel Sardinien ist die ASP seit 40 Jahren aktiv und inzwischen endemisch. Trotz vieler EU-Bekämpfungsaktionen gelang es nicht, sie auszurotten. Umgekehrt hat das Virus bisher aber auch den Sprung auf das italienische Festland nicht geschafft.
Auf diesen Unterschied wies Professor Thomas Vahlenkamp auf der AVA-Tagung in Göttingen hin. Es bestünden sicher epidemiologische und veterinärbehördliche Unterschiede zu Osteuropa. Auch sei der Virustyp auf Sardinien ein anderer und womöglich nicht so hochvirulent, wie der in Osteuropa.
Doch Touristen nehmen auch von Sardinien Wurst- und Schinkenprodukte mit.
Typisch für Sardinien ist die sogenannte „Brado-Haltung“ von Schweinen: nicht registrierte, Hausschweine leben und vermehren sich auf gemeinschaftlichen, öffentlichen Arealen. Daneben existiert eine Wildschweinpopulation. Beides gilt als ASP-Reservoir. Zugleich schlachten etwa 70 Prozent der Schweinehalter auf Sardinien selbst.
Der entscheidende Grund, dass das Virus die Insel bisher nicht verlassen hat, könnte sein: Es gibt keinen Handel mit Schweinefleisch oder gar Tiertransporte von der Insel auf das Festland.
Neuer Fokus: Desinfektion von Transportern
Auch die deutschen Behörden legen inzwischen einen Fokus auf Tiertransporter. So wird NRW verstärkt die Reinigung und Desinfektion von Fahrzeugen überwachen, berichtet Dr. Arno Piontkowski (NRW-Landwirtschaftsministerium). Allerdings zeichnen sich dabei auch Probleme ab: Es gibt nicht ausreichend Desinfektionsplätze/Anlagen um die aus den Krisengebieten zurückkehrenden Transporter zu reinigen. Die Behörden prüfen, zusätzlich dafür stillgelegte Schlachthöfe oder auch die Desinfektionsanlagen auf reinen Rinderschlachthöfen zu nutzen.
Das Thema Fahrzeugkontrollen greift die aufgrund der ASP-Ausbrüche überarbeitete deutsche Schweinpestverordnung bereits auf. Sie enthält Regelungen zur Reinigung und Desinfektion – mit einer Erweiterung der Anordnungsbefugnisse für die zuständigen Behörden.
(Wortlaut der geänderten Verordnung – PDF-Dwonload)
US-Forscher: ASP-Virus-Transfer über Futtermittel
Einen weiteren Übertragungsweg, der unmittelbar Haussschweinebestände gefährden kann, zeigen die USA auf. In einem Simulationsversuch an der amerikanischen Kansas State University haben Wissenschaftler aktuell gezeigt, dass das ASP-Virus auch über Futtermittel verschleppt werden kann – selbst über die weite Strecken von Europa bis in die USA.
Für ASP-Prävention bedeutet das, dass der Erreger womöglich auch über Futterzusätze aus Osteuropa in deutsche Betriebe gelangen könnte. Mischfutterhersteller sollten deshalb bei der Wahl der Futterkomponenten besondere Vorsicht walten lassen.
Auch auf die Futterproblematik geht die neue Schweinepestverordnung zum Teil bereits ein. Bei einem Ausbruch gilt ein Verbot der Verfütterung von Gras, Heu und Stroh aus gefährdeten Gebieten oder deren Nutzung als Einstreu oder Beschäftigungsmaterial.