TVT: Keine Jagd auf Bachen mit Frischlingen trotz ASP-Gefahr

TVT: Trotz drohender Afrikanischer Schweinepest keine Bachen jagen. (Foto: © DJV/Reinwald)

„Die Afrikanische Schweinepest darf nicht Ausrede sein, Gebote des Tierschutzes und der Waidgerechtigkeit bei der Wildschweinjagd zu missachten“, hält die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz fest. Ein Totalabschuss aller Wildschweine könne lediglich bei Ausbruch der Seuche in einem abgegrenzten Gebiet angezeigt sein.

(PM/jh) – Die Afrikanische Schweinepest (ASP) breitet sich in Osteuropa rasant aus. Allein in Polen wurden seit Jahresbeginn weit über 300 neue Fälle gemeldet. Weil die Wildschweinpopulation als mögliche Eintrittspforte und Reservoir der ASP in Deutschland gilt, wird intensiv über eine verschärfte Bejagung der Wildschweine diskutiert. Aus Sicht der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) werden dabei auch Jagdmethoden propagiert, die aus Tierschutzgründen abzulehnen seien. Für die TVT sind dies insbesondere …

  • … die Jagd auf Bachen mit Frischlingen (bis zum 4. Monat). Nicht nur, dass die Frischlinge ohne Muttertier leiden, auch für die Tierseuchenbekämpfung sei das kontraproduktiv, da die Frischlinge ohne Führung oft weite Strecken zurücklegen und so das Virus potentiell weit(er) verbreiten könnten.
  • stationäre Saufänge (Fallen), weil  diese in der Effektivität weit hinter den Erwartungen zurück blieben. Mobile Fallen für einzelne Wildschweine führen bei den gefangenen Tieren zu Panik, was tierschutzwidrig ist.
  • … das Vergiften von Wild oder eine medikamentelle Fruchtbarkeitskontrolle – beides sei verboten und müssen verboten bleiben, da von derartigen Maßnahmen Schmerzen, Leiden und Schäden für die Zieltierart, insbesondere aber auch für viele andere Tierarten ausgehen, die ebenfalls die Köder fressen.

Tierschutz ist unteilbar

In ihrer Stellungnahme skizziert die TVT auch die Ausbreitungswege der ASP und nennt Hygiene- und Biosicherheitsmaßnahmen als besten Schutz für Hausschweinebestände. Auf lange Sicht könne aber nur ein Impfstoff schützen. Daran müsse nicht nur verstärkt geforscht, sondern auch das EU-Wirtschaftsrecht müsse angepasst und der Handel mit geimpften Tiere möglich werden.
Auszüge aus der TVT-Stellungnahme (die vollständige TVF-Stellungnahme finden sie hier):

  • Tierschutz ist unteilbar! Das gilt für Wildschweine genauso wie für Hausschweine.
  • Die Afrikanische Schweinepest ist eine Viruserkrankung mit bei Schweinen hoher Sterblichkeitsrate. Der Mensch ist für die Krankheit nicht empfänglich.

ASP ist für Menschen ungefährlich – Frage- und Antwortkatalog des Bundesinstitutes für Risikobewertung zur Afrikanischen Schweinepest

  • Die ASP breitet sich vom Baltikum kommend in Richtung Westen aus und wurde nun durch infizierte Lebensmittel aus der Ukraine nach Tschechien getragen. Es ist zu befürchten, dass die Seuche bald auch in Deutschland Schweinebestände infiziert, was erhebliche Folgen hätte in puncto Tierschutz und Tierseuchenbekämpfung. Sie würde auch große wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen.
  • Große Strecken in kurzer Zeit kann das Virus überwinden, wenn Wildschweine weggeworfene Lebensmittel fressen, die von infizierten Tieren gewonnen worden waren. Eine wildschweinedichte Einzäunung von Rastplätzen an Autobahnen könnte die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags verringern.

Übertragungswege der Afrikanischen Schweinepest. (Grafik: © ages/Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit)

Direkte Verbreitung über Wildschweine nur langsam möglich

  • Wildschweine leben überwiegend territorial. Da infizierte Tiere vor ihrem Tod keine großen Strecken mehr zurücklegten, breite sich die Seuche nur langsam in der Population aus, schreibt die TVT und fordert: „Durch die Jagd darf keine großräumige Zerstreuung der Rotten erfolgen, etwa durch ungünstig durchgeführte Bewegungsjagden und/oder Abschuss führender Bachen.“
  • Einen guten Schutz der Hausschweinebestände böten Hygienemaßnahmen, die in der Schweinehaltung gesetzlich vorgeschrieben sind.

Mehr Forschung: Nur Impfung kann schützen

  • Auf lange Sicht sei ein Schutz der Hausschweinebestände nur durch einen wirkungsvollen Impfstoff zu gewährleisten, der auch eine Unterscheidung feldvirusinfizierter Tiere von geimpften erlaubt. Die entsprechende Forschung sollte intensiviert werden und es ist darauf hinzuwirken, das EU-Wirtschaftsrecht entsprechend anzupassen.
  • Ein großflächiger Mais- und Rapsanbau bietet viel Nahrung und erschwert aus TVT-Sicht die Jagd durch hervorragende Deckungsmöglichkeiten. Das fördere eine hohe Wildschweinpopulation. Zur Bejagung sollten mindestens entsprechende Schneisen vorgesehen werden, die auch als Blühstreifen für den Naturschutz positiv zu werten sind.
  • Eine Reduktion der Wildschweinpopulation in der gesamten Bundesrepublik Deutschland um 70% des derzeitigen Wertes, wie politisch gefordert, werde die Einschleppung des Virus der ASP nicht verhindern können, sagt die TVT.  Zur Verhinderung der Einschleppung seien vor allem hygienische Maßnahmen im grenzüberschreitenden Personenverkehr nötig.

Jagd auf Bachen kontraproduktiv

Bachen sichern als Leittiere das Sozialgefüge einer Wildschweinrotte. (Foto: © DJV/Rolfes)

Wildschweine unterliegen sowohl dem Jagdrecht, als auch dem Tierschutzrecht. Beide Rechtsgebiete verlangen bei der Tötung von Tieren ein möglichst schonendes Vorgehen und die Vermeidung etwaiger Schmerzen, Leiden oder Schäden, betont die TVT:

  • Eine Aufhebung der Schonzeit für Bachen mit abhängigen Frischlingen lehnt die TVT aus Sicht des Tierschutzes deshalb ab. Auch aus Sicht der Tierseuchenbekämpfung sei das kontraproduktiv, da die Frischlinge ohne Führung oft weite Strecken zurücklegen und so das Virus potentiell weiter verbreiten könnten. Als führend gilt für die TVT eine Bache mindestens bis zum vierten Lebensmonat der Frischlinge, denn so lange verteidige sie ihre Frischlinge gegen andere Rottenmitglieder.
  • Stationäre Saufänge seien in der Effektivität weit hinter den Erwartungen zurück geblieben. Mobile Fallen für einzelne Wildschweine führen bei den gefangenen Tieren zu Panik, was tierschutzwidrig ist.
  • Ein Vergiften von Wild oder eine medikamentelle Fruchtbarkeitskontrolle sind verboten und müssen verboten bleiben, fordert die TVT, da von derartigen Maßnahmen Schmerzen, Leiden und Schäden für die Zieltierart, insbesondere aber auch für viele andere Tierarten ausgehen, die ebenfalls die Köder fressen.
  • Lediglich im Falle des nachgewiesenen Ausbruchs der Seuche bei Wildschweinen in einem abgrenzbaren kleinen Gebiet könne ein Totalabschuss aller Wildschweine angezeigt sein. Dann sei aber durch vorhergehendes sicheres Einzäunen und durch sehr rasches Handeln dafür zu sorgen, dass keine abhängigen Frischlinge durch Verhungern oder Erfrieren tierschutzwidrig zu Tode kommen oder gegebenenfalls versprengte Tiere die Seuche weitertragen.

Als Fazit hält die TVT fest: Bei der Jagd auf Wildschweine müssen alle tangierenden Rechtsvorschriften (Jagdrecht, Tierschutzrecht, Natur-und Artenschutzrecht, Tierseuchenrecht) beachtet werden. Die ASP darf nicht als Ausrede dafür dienen alle Gebote des Tierschutzes und der Waidgerechtigkeit zu missachten.

Frage- und Antwortkatalog des Deutschen Jagdverbandes zum Thema ASP und Bejagung

Quelle:
Pressemeldung der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT / 15.2.2018 – PDF-Download)
weitere Quellen im Artikel verlinkt

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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