Neue Mittel zur Varroa-Behandlung – zugelassene und experimentelle

Eine von Varroa-Milben befallene Jungbiene – es gibt einige neue Behandlungsmethoden. (Foto: © Universität Hohenheim / Bettina Ziegelmann)

Mit der Glyphosatdebatte wird auch wieder häufiger über ein drohendes Bienensterben berichtet. Doch der aktuell gefährlichste Feind der Bienenvölker bliebt die Varroa-Milbe. Entsprechend intensiv wird an neuen Bekämpfungsmitteln geforscht: Eine Übersicht über Vor- und Nachteile neuer Präparate mit und ohne Zulassung, gab es auf dem Leipziger Tierärztekongress – und eine Warnung vor allzu euphorischen Ankündigungen.

von Annegret Wagner

Bienenkrankheiten und ihre Bekämpfung gehören mittlerweile zum festen Bestandteil großer Tierarztkongresse, denn das „Nutztier“ Biene ist wichtig für die Landwirtschaft. Auf dem 9. Leipziger Tierärztekongresses berichtete Arzneimittelexpertin Dr. Ilka Emmerich über neue, bereits im Handel verfügbare, teilweise aber auch noch in Erprobung befindliche Präparate/Wirkstoffe zur Bekämpfung der Varroa-Milben.

Nr. 1: Gebrauchsfertige Oxalsäure

Eines der neuen zugelassenen Präparate gehört zur Gruppe der organischen Säuren: „VarroMed®“, eine gebrauchsfertige Dispersion aus Oxalsäure und Ameisensäure. Der Anteil der Ameisensäure ist zu niedrig, um auf die verdeckelte Brut zu wirken, er soll lediglich dazu beitragen die Wirkdauer der Oxalsäure zu verlängern und die Verträglichkeit zu verbessern. Daher wirkt VarroMed® trotz Ameisensäureanteil nur bei den bereits geschlüpften Tieren.
VarroMed® kann bereits im Frühjahr (März) vor der Tracht eingesetzt werden und dann wieder ab Ende Juli nach dem Abschleudern. Während der Tracht darf das Mittel nicht angewendet werden.
Je nach Häufigkeit der Anwendung ist es relativ gut verträglich. Auf längere Sicht aber kann es zu erhöhtem Totenfall bei den Arbeiterinnen kommen und mit zunehmender Behandlungshäufigkeit generell die Bienensterblichkeit erhöhen. Der Vorteil des Präparats gegenüber „normaler“ Oxalsäure ist die gebrauchsfertige Formulierung: Es muss nicht mehr verdünnt werden. Das erhöht die Anwendungssicherheit. Es wird immer im Träufelverfahren eingesetzt.

Nr. 2: Flumethrin-Streifen zum Einhängen

Einfaches Prinzip: Mit Flumethrin imprägnierte Streifen am Flugloch anbringen, so dass die Bienen hindurch krabbeln müssen. So nehmen sie den Wirkstoff auf und verteilen ihn im Volk. (Foto: Vortrag Emmerich/© Bayer)

Ein zweites, ebenfalls neue zugelassenes Präparat zur Behandlung von Varroose gehört zur Gruppe der Pyrethroide: „PolyVar® Yellow“ enthält den Wirkstoff Flumethrin. Es wird in Form von Streifen in die Wabengassen eingehängt und muss dann von den Bienen belaufen werden – genau wie die bereits bekannten Bayvarol®-Streifen.
Eine andere Möglichkeit ist die Anbringung der Streifen am Flugloch (nach Perforation), so dass die Bienen durch die Löcher in den imprägnierten Streifen krabbeln müssen, So kommen sie mit dem Wirkstoff in Kontakt und verteilen ihn im Volk. Genau wie Bayvarol® ist das Präparat sehr gut bienenverträglich und durch seine lange Wirkdauer (die Streifen werden je nach Lokalisation vier bis neun Wochen im Volk belassen) hat es auch einen positiven Einfluss auf die Brut, da die Milben sofort nach dem Schlupf in den Brutzellen abgetötet werden.

Die Nachteile von PolyVar® Yellow sind die Gleichen wie bei Bayvarol®: Es gibt in Deutschland bereits resistente Milben, die durch Flumethrin nicht mehr getötet werden. Außerdem lagert sich der Wirkstoff im Wachs ab. Vor der Anwendung empfiehlt sich ein Resistenztest, um die Wirksamkeit für die eigenen Völker zu ermitteln.

Nr. 3: Triazapentadien mit zehn Wochen Anwendungsdauer

Das dritte neue Präparat „Apivar®“ mit dem Wirkstoff Amitraz ist noch nicht im Handel verfügbar. Es gehört zur Gruppe der Triazapentadiene und ist vergleichbar mit Apitraz®. Allerdings ist die neue Variante für eine Anwendungsdauer von zehn Wochen zugelassen (Apitraz® für sechs Wochen). Durch die längere Anwendung wirkt es besser auf die Brut, die Milben werden in den Brutzellen sofort nach dem Schlupf der Bienen abgetötet. Die Bienen vertragen Amitraz sehr gut vertragen und die imprägnierten Streifen lassen sich leicht anwenden. Allerdings verursacht Amitraz Rückstände im Wachs und im Honig: Die erlaubte Höchstmenge beträgt maximal 200 μg pro Kilogramm Honig.

Neu und noch ohne Zulassung:
1. ein Hopfenprodukt

Auch auf zwei noch nicht zugelassene Wirkstoffe ging Dr. Emmerich ein:
Zunächst auf das Präparat „HopGuard®“, das aus Hopfen hergestellt wird. In einigen EU-Ländern ist es bereits zugelassen, in Deutschland gibt es allerdings weiterhin keine Zulassung und damit auch keine Hoffnung auf eine schnelle Einführung.

Eine von Varroa-Milben befallene Jungbiene (Foto: © Universität Hohenheim / Bettina Ziegelmann)

2. Lithiumchlorid – ein Wirkstoff nicht ohne Risiken

Von einem Durchbruch im Kampf gegen die Varroa-Milben, spricht eine recht euphorische Pressemeldung der Universität Hohenheim. Es geht um eine neue Publikation im Magazin scientific reports/nature zum Wirkstoff Lithiumchlorid. Der sei leicht zu handhaben, da er an die Tiere verfüttert werde, er sei preisgünstig und habe keine gefährlichen Nebenwirkungen. Dr. Peter Rosenkranz, Leiter der Hohenheimer Landesanstalt für Bienenkunde erklärt, dass man Lithiumchlorid in Zuckerwasser auflösen und dieses dann an Bienen verfüttern könne. Er und sein Team haben keine Kenntnisse, dass das Mittel gefährlich für Bienen, Imker oder Verbraucher sein könne. Wie die Wissenschaftler in der Studie aber auch erwähnen, wirkt es tödlich auf offene Brut. Aufgrund der Wasserlöslichkeit von Lithiumchlorid gibt es kritische Stimmen, die davon ausgehen, dass der Wirkstoff in den Honig gelangen könnte.

Stellungnahme der DVG-Fachgruppe Bienen:
Lithiumchlorid – wirksam aber verboten (PDF-Download) 

Dr. Emmerich warnte in Leipzig die Imker aber dringend davor, die Wirksamkeit von Lithiumchlorid auf eigene Faust zu testen, bevor ein entsprechendes Präparat legal zugelassen sei. Lithiumchlorid sei nämlich keineswegs so harmlos, wie es bei den Bienenexperten anklinge.
(Ergänzung: Inzwischen hat auch die Universität Hohenheim vor Selbstversuchen mit dem nicht zugelassenen Stoff gewarnt – Pressemeldung hier)
Lithiumchlorid wird in der Humanmedizin zur Phasenprophylaxe bei manisch-depressiven Erkrankungen und bei Schizophrenien verwendet, wobei der genaue Wirkmechanismus auch nach jahrzehntelangem Gebrauch immer noch nicht genau bekannt ist. Entweder beeinflusst es die Neurotransmitter wie Serotonin, Noradrenalin und weitere oder die intrazelluläre Signaltransduktion oder es hat Effekte auf die Genexpression. Lithiumchlorid hat eine geringe therapeutische Breite, das heißt: Die schädliche Dosis liegt nur knapp über der therapeutischen Dosis.
Neben den, bei vielen Medikamenten üblichen potentiellen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel etc. gelten Lithiumsalze außerdem als teratogen, das heisst, wenn Schwangere den Wirkstoff zu sich nehmen, kann es zu Missbildungen bei den ungeborenen Kindern kommen.

Fazit: Nach Dr. Emmerichs Ansicht, stehen zur Zeit viele wirksame zugelassene Präparate zur Bekämpfung von Varroa-Milben zur Verfügung, die die Imker zwischen März und Dezember (je nach Mittel und Applikationsart) einsetzen können. Ein Ausweichen auf nicht ausreichend getestete Präparate ist nach ihrer Auffassung daher weder nötig noch gerechtfertigt.
Bienen gehören zu den lebensmittelliefernden Tieren, daher sei ein Abweichen von gesetzlichen Vorgaben kein Kavaliersdelikt. Das schade nicht nur dem guten Ruf von Honig und anderen Bienenerzeugnissen, sondern unter Umständen auch der Gesundheit der Verbraucher.

Quellen: Im Artikel verlinkt

Offenlegung: Der Leipziger Tierärztekongress 2018 war von Dezember bis zum Veranstaltungstermin Sponsorpartner von wir-sind-tierarzt.de

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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