Schweinen Ängste nehmen

Behandlungen (hier Blutabnehmen) sind für Sauen nicht angenehm. Um so wichtiger ist ein ruhiger und entspannter Umgang im sonstigen Alltag. (Foto: © WiSiTiA/jh)

Wer mag schon Schläge, Ohrfeigen, Stöße, Schreien und Hektik? Die Art, wie Nutztierhalter mit Schweinen umgehen, hat Konsequenzen: So hat eine „schlechte“ Behandlung geringere Reproduktions- und Wachstumsraten ebenso zur Folge, wie eine schlechtere Fleischqualität. Tips zum entspannteren Umgang mit Schweinen.

(aw) – Die Art des Umgangs mit Tieren kann diese ein Leben lang prägen. Dr. Lauren Edwards vom Animal Welfare Science Centre (Universität Melbourne/Australien) hat sich mit dem sorgfältigen Umgang mit Schweinen beschäftigt. Für sie ist es – auch unter Leistungsaspekten – wichtig, ein ruhiges Verhältnis zu den Tieren aufzubauen und rücksichtsvoll mit ihnen umzugehen.

Schlechte Behandlung und die „stressigen“ Folgen

Schweine, die sich vor Menschen fürchten, reagieren in der Regel mit emotionalem Stress, der wiederum den Blut-Kortisol-Spiegel ansteigen lässt. Erhöhte Kortisolspiegel reduzieren die Stoffwechseleffektivität, da sie Energiereserven mit Hilfe der Glucogenolyse mobilisieren.
In der Folge legen diese ängstlichen Schweine oft schlechter an Gewicht zu. Darüber hinaus bewirkt die Energiefreisetzung ein Abfallen des pH-Wertes in den Muskeln. Werden Schweine am Schlachthof schlecht behandelt, so kann man dies direkt im Fleisch sehen und zwar sowohl am pH-Wert als auch an eventuellen Blutergüssen unter der Haut, wenn die Tiere geschlagen werden. Ängstliche Schweine verletzen sich aufgrund ihrer Panik vor Menschen auch wesentlich häufiger selbst, wenn sie behandelt oder getrieben werden – und haben dann eine minderwertige Fleischqualität.

Angst vor Menschen reduzieren

Gutes Handling zahlt sich also aus. Doch wie kann man die Angst der Schweine vor Menschen am besten abbauen? Dr. Edwards empfiehlt zunächst eine generelle Beschränkung der Menschenkontakte. Schnelle Bewegungen, lautes Schreien und Schläge sind wenig zielführend und bewirken lediglich Angstzustände bei den Schweinen. Es sollte immer versucht werden, dass ein Menschenkontakt nicht als unangenehm vom Tier empfunden wird.

Edwards betont: Mehrere Studien belegen, dass sich die Angst von Schweinen vor Menschen durch positive Erfahrungen vermindert. Doch nicht immer ist es möglich, dass Kontakte vom Schwein als positiv empfunden werden (Impfungen, Behandlungen, Blutabnahmen, Trennung von der Mutter oder Wurfgeschwistern).

Behandlungen (hier Blutabnehmen) sind für Sauen nicht angenehm. Um so wichtiger ist ein ruhiger und entspannter Umgang im sonstigen Alltag. (Foto: © WiSiTiA/jh)

Daher sollten sich die Tierbetreuer zwischendurch Zeit für positive Kontakte nehmen. Dazu gehört auch, vor den Tieren in die Hocke zu gehen, ruhig mit ihnen zu reden und sie zu streicheln/berühren. So kann die Anzahl der als negativ empfundenen Menschenkontakte anteilig verringert werden.
In Australien hat man für Schweinehalter/-betreuer ein eigenes Trainingsprogramm etabliert: ProHand®Pigs (PDF-Downlaod). Es tatsächlich dazu beigetragen, dass Sauen weniger ängstlich auf Menschen reagierten und sich ihre Produktivität erhöhte. Parallel verbesserte das Programm auch die Arbeitszufriedenheit der Tierbetreuer.

Nutzen für Schwein und Mensch – das australische ProHandPig-Programm (Grafik: ©ProHandPig)

Mediatoren für ängstliche Schweine

Eine andere Möglichkeit, Schweinen die Angst vor Menschen zu nehmen, könnte über „Mediatoren“ funktionieren: Als solche fungieren die Schweine in einer Gruppe, die weniger Angst haben und damit eine Art Vorbild sein können. Schweine sind intelligent und lernen von ihren Artgenossen. So könnten sie sich daher auch ein „mutigeres“ Verhalten abschauen. Gerade bei Sauen, die länger leben und häufiger engen Kontakt zu Menschen haben, könnten solche „Vorbildsauen“, das Handling einer Gruppe erheblich erleichtern.

Mitarbeiterschulung entscheidend

Wie fast immer beim Umgang mit Tieren, ist eine sorgfältige Schulung der betreuenden Personen nötig, um Angst und Stress für diese Tiere möglichst gering zu halten. Dies ist sowohl im Interesse der Tiere, wie auch der Besitzer/Betreuer, da sich die Leistungen verbessern, der Umgang erleichtert wird und an Schlachthöfen die Schlachtkörperqualität besser ist. Bisher legen Tierhalter zwar häufig viel Wert auf eine optimale Fütterung, doch wie groß die wirtschaftlichen Schäden durch schlechte Behandlung sind, wir zu oft übersehen.
Dr. Edwards fasst es so zusammen: „Maximieren Sie das Positive und minimieren Sie das Negative.“

Quellen:
The pig site (11.12.2017)

Programm: ProHandPigs (PDF-Downlaod).

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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