Das Bundessozialgericht hat eine Entscheidung gefällt, die vielen Industrietierärzten Hoffnung macht: Es bestätigte, dass die Befreiung eines Tierarztes im Pharmaaußendienst von der Rentenversicherungspflicht rechtens ist und er sich im tierärztlichen Versorgungswerk versichern darf – weil die Landestierärzteordnung auch sein Arbeitsfeld als tierärztlich beschreibt.
(jh) – Wichtig bei dieser Entscheidung des Bundesoszialgerichtes ist: Maßgeblich für die Definition einer tierärztlichen Berufsausübung ist nicht allein die Bundestierärzteordnung (BTÄO), sondern vor allem die jeweilige tierärztliche Berufsordnung des Bundeslandes. Eine Tierarzt müsse zwar approbiert sein. Doch seine Tätigkeit müsse nicht zwingend eine Approbation voraussetzen. Entscheidend sei, dass der Tierarzt eine „tierärztliche Tätigkeit“ gemäß der Legaldefinition des Landesberufsrechts ausübe.
Tierarzt siegt über alle Instanzen
Schon das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte dem Tierarzt, der als Außendienstler andere Veterinäre über pharamazeutische Produkte beriet, deshalb Recht gegeben.
Er habe Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Seine Tätigkeit müsse anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des Baden-Württembergischen Landesrechts beurteilt werden, weil er dort Pflichtmitglied der Landestierärztekammer sei. Dort sagt die Berufsordnung, dass es auch eine tierärztliche Aufgabe sei, die „Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln und von Futtermitteln zu gewährleisten“.
Dieser Auffassung folgte das Bundesozialgericht und wies die Revison der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) ab.
Was ist eine „tierärztliche Tätigkeit“?
Die Deutsche Rentenversicherung dagegen lehnt immer wieder die Befreiung von Tierärzten aus der Industrie mit zwei Begründungen ab:
- Für deren Tätigkeit sei nicht zwingend eine tierärztliche Approbation nötig. Die Aufgaben könnten auch Mitarbeiter ohne Approbation übernehmen. Von der Rentenversicherungspflicht befreit könne aber nur werden – so die Sicht der DRV – , wer eine Tätigkeit ausübt, die eine Approbation voraussetzt. Nur dann dürfe er sich auch in einem tierärztlichen Versorgungswerk versichern.
- Außerdem beschreibe die Bundestierärzteordnung diese Tätigkeiten nicht.
In der Bundestierärzteordnung fehlt in der Tat eine Formulierung, die die Außendiensttätigkeit in der Pharamaindustrie abbildet. Sie definiert in §1 den tierärztlichen Beruf allein so:
„Der Tierarzt ist berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken.“
Berufsordnung des Bundeslandes entscheidet
Das Bundessozialgericht widersprach dennoch der Argumentation der DRV und bestätigte stattdessen die Auslegung des Landesozialgerichtes:
Voraussetzung der tierärztlichen Berufsausübung im Sinne des Landesrechts sei zwar eine Approbation. Das bedeute aber nicht, dass auch die konkret in Frage stehende Tätigkeit jeweils die Approbation voraussetze. Entscheidend sei, dass der Tierarzt eine „tierärztliche Tätigkeit“ gemäß der Legaldefinition des Landesberufsrechts ausübe. Das LSG sah im vorliegenden Fall eine im Kern tierärztliche Tätigkeit, weil die tierärztliche Berufsordnung von Baden-Wüttemberg diese beschreibe:
§1 – Berufsaufgaben – Satz 3:
„Es ist ebenso Aufgabe der Tierärztinnen und Tierärzte, zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt die Qualität und Sicherheit sowohl von Tieren als auch nicht von Tieren stammender Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sowie die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln und von Futtermitteln zu gewährleisten.“§ 2 – Berufsausübung
Unter tierärztlicher Berufsausübung ist jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden, sofern die Bestimmungen der §§ 2, 3 Bundestierärzteordnung (BTÄO) erfüllt sind.
Die Bundestierärztekammer hatte bereits 2012 die Musterberufsordnung um diese Passagen ergänzt. Die Landestierärztekammern haben dies inzwischen übernommen.
Die höchstrichterliche Abweisung der Revision könnte für viele weitere Verfahren richtungsweisend sein. Es gibt einige Entscheidungen von Sozial- und Landesozialgerichten zugunsten von Tierärzten. Ob die DRV weiter dagegen vorgehen wird ist offen. Sie dürfte es aber nach dieser – und auch einer älteren Entscheidung (hier) – erneut etwas schwerer haben.
Arbeitsfelder rechtssicher beschreiben
Doch auch in Zukunft sollten Arbeitgeber im Interesse ihrer Mitarbeiter auf einige Fallstricke achten, wenn sie Stellen ausschreiben/beschreiben:
- Riskant für eine Befreiung sind etwa Stellenausschreibung, die kombiniert nach einem „Tierarzt/Biologen/Chemiker“ suchen. Das gilt aus Sicht der DRV oft als Beleg für eine nicht rein tierärztliche Tätigkeit. Werden dagegen andere befreiungsfähige Berufsgruppen wie Apotheker/Humanmediziner genannt, ist das unkritisch.
- Ebenfalls sensibel ist die zum Arbeitsvertrag gehörende Stellenbeschreibung. Sie sollte sich auf wissenschaftliche, klinische, toxikologische oder pharmakologische Tätigkeiten fokussieren und den „Tierarztberuf“ benennen.
- Unternehmen können dem Problem auch ein Stück weit mit individuellen Stellenanzeigen vorbeugen: In tierärztlichen Fachmedien/Stellenbörsen sollte eine Stelle auch speziell für Tierärzte ausgeschrieben werden.
- Tierärzte sollten sich wiederum explizit auch als Tierärzte bewerben. Wichtig ist dann die im Arbeitsvertrag formulierte Einstellung „als Tierarzt/Tierärztin“.
Das Thema wird – auch weil immer mehr Tierärzte angestellt arbeiten – weiterhin brisant bleiben:
Mit jedem Stellenwechsel muss der Arbeitnehmer seine Befreiung bei der Deutschen Rentenversicherung neu beantragen – was eine neue Überprüfung auslösen kann.
Auch bei bestehenden Verträgen kann im Rahmen einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung (erfolgt etwa alle drei bis vier Jahre) die Befreiung hinterfragt werden. Deshalb sind „saubere“ Stellenbeschreibungen wichtig, Unternehmen sollten diese überprüfen und gegebenenfalls ändern.