Kommentar: Warum Schmidt bei Glyphosat richtig entschieden hat

Obwohl in Deutschland lange verboten: In der Anti-Glyphosat-Kampagne tauchten auch "Sprühflugzeuge"als emotionalisierende Motive immer wieder auf. (Foto: © pixabay)

„Eigenmächtig“ hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bei der EU für eine Verlängerung der Zulassung des Totalherbizides „Glyphosat“ um fünf Jahre gestimmt. „Gut so!“, kommentiert Jörg Held. Weniger, weil er Glyphosat besonders toll findet, sondern weil bei Zulassungen – für was auch immer – wissenschaftliche Fakten entscheiden müssen. Und nicht ein Plebiszit der unverantwortlich geschürten Emotionen. 

ein Kommentar vor Jörg Held

Es sind drei Gründe, aus denen ich die Entscheidung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt richtig finde, endlich aus der „feigen“ Enthaltungsposition auszusteigen und politisch eine Entscheidung pro Glyphosat zu treffen:

1. Fachlich richtig – wissenschaftliche Datenlage ist eindeutig

Der entscheidende Punkt: Die wissenschaftliche Datenlage ist eindeutig. Glyphosat ist eben nicht mit dem Krebsrisiko behaftet, dass ihm die NGO’s andichten.
Prof. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR), hat unermüdlich auf den zentralen Unterschied zwischen Gefahr und Risiko hingewiesen – zuletzt in diesem lesenswerten Interview:

„In der Wissenschaft ist die Sache abschließend geklärt. Sämtliche Bewertungsbehörden in den Mitgliedsländern der EU und alle EU-Behörden sind einhellig der Meinung, dass es keine gesundheitlichen Bedenken dagegen gibt, Glyphosat weiter zuzulassen. In der Wissenschaft ist das Urteil glasklar: Glyphosat ist nicht krebserregend. Aber es geht schon lange nicht mehr um wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern um Landwirtschaftspolitik.“

Der Streit um Glyphosat ist also eine politische Frage und keine wissenschaftliche. Doch EU-Zulassungsverfahren – egal ob für Unkrautvernichter, Medikamente oder was auch immer – sind kein Tummelplatz für politische Weltanschauungsschlachten. Zulassungen haben nach fachlich-wissenschaftlichen Kriterien zu erfolgen. Punkt.

Die Bewertung der internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“ sei, ist dabei eine(!) Einstufung. Und sie allein taugt nicht für eine Zulassungsentscheidung. Das soll sie auch gar nicht. Aufgabe der WHO-Unterorganisation ist es, abstrakte Gefahren zu bewerten: Hat(!) ein Stoff in irgendeiner Konstellation das Potential, Krebs auszulösen?
Auf Basis dieser Grundklassifizierung, bewerten dann weltweit weitere Institutionen, wie groß das Risiko ist, dass sich die „wahrscheinliche“ Gefahr tatsächlich realisiert – und was dagegen getan werden muss/kann. Alle(!) dafür zuständigen Institutionen – bei der WHO die JMPR sowie die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die europäische Chemiekalienagentur ECHA, das deutsche BfR oder die Risikobewertungsbehörden in den USA, Japan oder Australien – sie alle sehen bei korrekter Anwendung von Glyphosat kein Krebsrisiko.

Auf Basis dieser Fakten hat Minister Schmidt entschieden. Gut so.

2. Politisch nötig – Zeichen setzen wider die „Umfragepolitik“

Der Kampf um Glyphosat war und ist ein Politikum. Es ging nicht um Sachfragen, nicht um einen Wirkstoff, sondern in einem hochemotional geführten und an Symbolen (Monsanto-Tribunal) festgemachten Kampf um die „richtige“ Form der Landwirtschaft .
Die NGO’s und die Grünen haben ihn – weil die Sachebene sehr komplex ist – zu großen Teilen mit abstrusen „Angstmacher-Studien“ geführt: Glyphosat in Muttermilch; Glyphosat in Bier; Glyphosat in Eiskreme, Glyphosat everywhere … .
Der reine Nachweis eines Stoffes (oder seiner „Zerfallsprodukte“) ist mit modernsten Diagnosverfahren inzwischen so gut wie immer möglich. Ein Nachweis selbst aber ist „wertlos“, es kommt auf die Menge an. Das sagte schon Paracelsus: „Nur die Dosis macht das Gift“. Der wissenschaftliche Wert dieser von Medien zunächst oft unverantwortlich gehypten „Studien“ in Sachen Risiko und Gefahrenbewertung lag denn auch bei Nulkommanull – was im nach hinein auch stets festgestellt wurde. Die Mengen an Muttermilch (100 Liter), Bier (1.000 Liter) oder Eis (25.000 Portionen), die man für einen grenzwertüberschreitenden aber immer noch ungefährlichen Glyphosatspiegel hätte täglich(!) konsumieren müssen, waren astronomisch.

Diese „Studien“ hatten nur einen einzigen Zweck: Bei den Menschen Ängste zu schüren; darauf dann „Umfragen“ aufzusetzen und schließlich mit diesen Umfragen politischen Druck aufzubauen, indem man behauptet, man spreche für „eine Mehrheit“.

Für mich ist das ein äußerst perfider „Politikstil“: Weil es nicht gelingt, in Wahlen parlamentarische Mehrheiten zu gewinnen, führt man das Plebiszit der Emotionalität für die eigenen Politikziele ein. Was mich dabei erschreckt: Die politische Klientel, die Trump & Co postfaktische Politik und der AfD das „Spiel mit Ängsten der Bevölkerung“ vorwirft, greift selbst zu diesen Mitteln.

Die Entscheidung von Minister Schmidt hat diesem Politikstil den Erfolg verwehrt. Gut so.

3. Deutschland muss entscheiden – Enthaltung ist feige

Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) dafür – Umweltministerin Hendricks (SPD) dagegen. Der innenpolitische Streit um Glyphosat lähmte Deutschland und auch die EU.
Vorwerfen kann man Christian Schmidt – und das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auch getan –, dass er sich mit seinem Alleingang nicht an die Geschäftsordnung der Bundesregierung gehalten hat. Sie hat aber auch erklärt, dass sie inhaltlich hinter ihm stehe.

Diese Geschäftsordnung verlangt auf EU-Ebene Enthaltung, wenn sich Ministerien in Deutschland zu einer Sachfrage nicht einigen können. Ein Passus, der aus meiner Sicht dringend überarbeitet gehört, wenn Deutschland nicht zur „lahmen Ente „werden will? Wie wollte da eine Jamaika-Koalition international je handlungsfähig sein?

Politik muss entscheiden, auch wenn es unangenehm wird. Erst recht wenn Umfragen Gegenwind heraufbeschwören, die Fakten aber so klar sind wie hier.

Das SPD-geführte Umweltministerium hat sich seit 2016 –  ab der Zeit des absoluten SPD-Umfragetiefs und nachdem die öffentliche Stimmung auch durch die „Muttermilch/Bierstudien“ gekippt war – hinter dem „Vorsorgeprinzip“ versteckt. Zuvor hatte es noch einen Konsens zwischen beiden Ministerien mit einem „Ja“ zur Glyphosatfrage gegeben, wenn Umweltauswirkungen (Biodiversität) durch Anwendungsregeln reduziert werden.
Das hehre Vorsorgeprinzip aber scheint wenig glaubwürdig. Die IARC hat auch Alkohol oder Rauch von Kaminfeuer als „sicher(!) krebserregend“ klassifiziert – also noch eine Stufe höher als das „wahrscheinlich“ des Glyphosat. Hat irgendein (SPD)Politiker deshalb gefordert, Alkohol „vorsorglich“ zu verbieten?

Wenn also eine Ministerin Fakten negiert und sich „vorsorglich“ verweigert, kann man sich an Geschäftsordnungen halten – oder entscheiden und die Konsequenzen tragen.
Politisch gesehen hat Schmidt mit dem Alleingang vielleicht sein Ende beschleunigt. Wutschnaubend fordern NGO’s seine Ablösung.
Einer möglichen CDU/CSU/SPD-GroKo hat er aber sogar einen Gefallen getan. Er hat ein Thema abgeräumt, um dass die SPD in Koalitionsverhandlungen nicht mehr herumdrucksen muss.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Schmidt und erst Recht Hendricks in einer neuen Regierung (egal ob Jamaika oder GroKo) erneut ihre Ministerien hätten weiterführen dürfen, ist sehr gering. Sollte es jetzt also eine GroKo geben, verzichtet man auf die zwei Akteure, die immer wieder durch interministeriellen Streit aufgefallen sind.

Karrieretechnisch war Schmidts Entscheidung womöglich unklug. Deshalb doppelt gut, dass er nach Faktenlage entschieden hat.

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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