Arbeitszeitgesetz: Ausnahmen für Tierarztpraxen im Einzelfall möglich

Das deutsche Arbeitszeitgesetz hat strenge Regeln. Nur Tarifvertragsparteien dürfen Ausnahmen aushandeln. Für Tierarztpraxen gilt das nicht, da es keine Tarifparteien gibt. Sie können deshalb maximal eine jeweils nur lokal gültige „Ausnahmebewilligung“ erreichen und müssen dafür einiges an Auflagen erfüllen. 

Dieser Beitrag wurde aus dem Artikel „Verstoß gegen Arbeitszeitgesetz: 15.000 Euro Bußgeld für Tierklinik“ ausgeklinkt, damit im Rahmen der Berichterstattung über das Arbeitszeitgesetz direkt auf das Thema „Ausnahmebewilligung“ verlinkt werden kann.

(jh) – Mangels Tarifvertragsparteien können tierärztliche Arbeitgeber und Angestellte keine vom Arbeitszeitgesetz abweichende Vereinbarungen treffen. Anders ist das in der Humanmedizin. Dort enthält der Tarifvertrag für Kommunale Krankenhäuser zahlreiche und zum Teil sehr weitgehende Ausnahmen, die Nacht-, Not und Bereitschaftsdienste betreffen – unter anderem verkürzte Ruhe- und längere Dienstzeiten.
Tierarztpraxen und -kliniken sind dagegen an die strengen Regeln des deutschen Arbeitszeizesetzes gebunden. Es gibt nur eine Lücke

Sonderfall: Ausnahmebewilligung

Hund und Katze – Das Logo der auf Kleintierzentren spezialsierten schwedischen Tierklinik-Kette "AniCura AB" (@Presse/AniCura)

„Ausnahmebewilligung“ – die Klinikkette AniCura darf an einem(!) Standort vom Arbeitszeitgesetz abweichen.

Das Arbeitszeitgesetz (§ 7 Satz 5) ermächtigt unter Auflagen lokale Aufsichtsbehörden Ausnahmen zu bewilligen. Mit umfangreicher juristischer Vorbereitung ist es der Klinikkette AniCura in Baden-Württemberg für einen Standort gelungen, eine solche Ausnahme zu erhalten.
Dazu musste man (verkürzt dargestellt) belegen, dass

  • ein öffentliches Interesse besteht (Notdienstversorgung),
  • dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist,
  • die Branche selbst tariffrei ist,
  • eine funktionierende Arbeitszeiterfassung existiert,
  • die Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Änderung nicht gefährdet wird,
  • und man alle künftigen Auflagen einhalten kann.

Die zuständige Aufsichtsbehörde orientiert sich mit der Ausnahmebewilligung an einem vergleichbaren Tarifvertrag (hier: Kommunale Krankenhäuser). Aus diesem werden dann weitere Vorgaben – nicht nur die Arbeitszeitregelungen – für die individuell formulierte Ausnahmebewilligung abgeleitet.

Eine „Musterlösung“, an die sich andere Kliniken/Standorte „anhängen“ können, sei dieser Weg also nicht, hieß es auf dem bpt-Kongress München, wo auch über die Ausnahme diskutiert wurde. Die Prüfung erfolgt lokal/regional durch die Behörden vor Ort und berücksichtigt immer die individuellen Begebenheiten am Standort.

Quellen direkt im Text verlinkt

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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