7-Punkte-Skala: Schmerzen bei Kühen erkennen

Typische Schmerzsignale einer Kuh: Positionierung der Hinterbeine (voreinander), leicht abgesenkte Kopfhaltung und ein geänderter Gesichtsausdruck. (Foto: © K. Bech Gleerup)

Selbst viele Tierärzte haben ein Problem, Schmerzen bei Kühen richtig einzuschätzen. Entsprechend zurückhaltend verabreichen sie Schmerzmittel. Eine Schmerzskala mit sieben Punkten schafft in wenigen Minuten einen Überblick.

(aw) – Dass ein Tier Schmerz empfindet, erkennen Tierbesitzer häufig nicht sofort. Selbst für Tierärzte ist es nicht immer sofort eindeutig. Gerade Kühe versuchen in der Regel, Schmerz nicht zu auffällig zu zeigen. Trotzdem gibt es einige Anhaltspunkte, die Dr. Karina Bech Gleerup von der Universität Kopenhagen für das Western Canadian Dairy Seminar zusammengefasst hat.

Schmerzen am „Gesicht“ erkennen

Schwere Schmerzzustände kann der Tierhalter leichter wahrnehmen: Sie zeigen sich mit Zähneknirschen, Lautäußerungen, Kopf anpressen oder Koliksymptomen. In solchen Fällen ist eine sofortige Untersuchung und Behandlung nötig. Weitere typische Schmerzsignale lassen sich aus dem Gesichtsausdruck einer Kuh ablesen (Foto):

„Schmerzgesicht“ einer Kuh – hier gezeigt an einer Kuh nach einem Eingriff. (Foto: © K. Bech Gleerup)

7 Punkte Schmerzskala für nicht akute Fälle

Für alle nicht ganz so akuten Schmerzzustände hat die Dr. Bech Gleerup eine Schmerzskala für Kühe erstellt. Diese berücksichtigt sieben verschiedene Anhaltspunkte:
Die Merkmale eins bis vier diagnostiziert man aus der Ferne und zwar so, dass das Tier nicht merkt, dass es beobachtet wird, denn Kühe versuchen Schmerzen nicht zu zeigen. Danach nähert sich der Untersucher der Kuh und beurteilt die anderen drei Aspekte.

  1. Aufmerksamkeit: Kühe sind normalerweise neugierig und an ihrer Umgebung interessiert. Eine Kuh, die kein Interesse an ihrer Umwelt zeigt, hat in der Regel Schmerzen und ist krank.
  2. Kopfhaltung: Eine Kuh, der es nicht gut geht, steht und läuft typischerweise mit gesenktem Kopf. Das hat zwei Gründe, zum einen wird durch die ständige Tiefhaltung die Körperhaltung insgesamt nicht verändert und so möglicher Weise Schmerz vermieden. Außerdem wird eine Kuh mit gesenktem Kopf eher von anderen Herdenmitgliedern ignoriert und entgeht so potentiell schmerzhaften Auseinandersetzungen.
  3. Position der Ohren: Gesunde Tiere zeigen ein lebhaftes Ohrenspiel, kranke Kühe halten die Ohren nach hinten oder lassen sie hängen.
  4. Gesichtsausdruck: Kühe mit Schmerzen haben ein angespanntes Gesicht, was sich vor allem durch Falten oberhalb der Nasenlöcher und der Augen äußert.
  5. Reaktion auf Annäherung: Tiere mit Schmerzen versuchen Begegnungen mit Menschen aus dem Weg zu gehen.
  6. Rückenhaltung: Das bekannteste Phänomen bei Kühen mit Schmerzen ist ein aufgekrümmter Rücken. Es ist häufig mit Lahmheiten oder Schmerzzuständen im Bauchraum verbunden.
  7. Lahmheiten: Das Tier läuft insgesamt vorsichtig oder versucht beim Laufen einzelne Gliedmaßen zu entlasten.

Schmerzskala nach ©Gleerup – modifizierte Version, Erstveröffentlichung: „Pain Evaluation of Dairy Cattle“

Jeder dieser Punkte bewertet man anhand einer Skala von 0-2 Punkten (siehe Foto). Addiert sich die Summe auf insgesamt mehr als fünf Punkte, sollte ein Tierarzt die Ursache für die Schmerzen abklären und eine entsprechende Behandlung einleiten.
Dr. Gleerup betont, dass diese Schmerzbeurteilung mit etwas Übung nicht mehr als eine Minute in Anspruch nimmt. Sie ist daher ein wirksames Hilfsmittel zur Beurteilung der Gesundheit von Kühen.

Quelle: Identifying Pain Behaviors in Dairy Cattle (researchgate.net)
Volltext als PDF-Download
weiterführender Link: Pain evaluation in dairy cattle (Gleerup 2015 – PDF-Download)
Bildquelle: K. Bech Geerup

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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