Leistungsdruck: TVT kritisiert „gynäkologische Praktiken bei Sportstuten“

Rossige Stuten sind im Pferdesport weniger leistungsfähig. Mit Hormonen und anderen Tricks versuchen Reiter gegenzusteuern. Tierschutzwidrig, sagt die TVT. (Foto: © hh/Archiv)

Die Rosse von Stuten kann deren Leistungsfähigkeit im Pferdesport reduzieren. Deshalb versuchen viele Reiter, den Zyklus zu verschieben oder zu unterdrücken – etwa mit Hormonen. Das ist tierschutzwidrig, sagt die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT). Sie hat in einer neuen Stellungnahme die eingesetzten Wirkstoffe und auch alternative Methoden bewertet.

(TVT/PM) – Laut Tierschutzgesetz ist es verboten, ein Tier zu überfordern, also ihm Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes nicht gewachsen ist oder die offensichtlich seine Kräfte übersteigen. Das sieht die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) auch dann gegeben, wenn etwa Hormon- oder andere Behandlungen einen leistungsmindernden körperlichen Zustand verdecken – wie etwa bei der Rosse von Stuten. Diese Maßnahmen seien demnach nicht erlaubt.

Rossige Stuten weniger leistungsfähig

Der normale Hormonzyklus kann bei Stuten das Training und die Leistung in Wettkämpfen beeinflussen. Im Pferdesport werden aber immer mehr Stuten eingesetzt. Entsprechend möchten viele Pferdenutzer verhindern, dass bei Turnieren durch die Rosse bedingte Konzentrations- und Leistungsschwächen auftreten.
Mit verschiedenen Praktiken lässt sich der normale Hormonzyklus einer Stute entscheidend beeinflussen und der Zeitraum der Paarungsbereitschaft verschieben oder unterdrücken.

TVT sieht Verstöße gegen Arzneimittelgesetz

Der Arbeitskreis Pferde der TVT hat in einer neuen Stellungnahme (Download hier) diese Methoden bewertet. Sein Ergebnis:

„Die meisten Praktiken sind nicht nur ethisch abzulehnen. Sie stellen auch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und das Arzneimittelrecht dar.“

So seien die meisten der üblichen – und in der Stellungnahme aufgelisteten – medikamentösen Praktiken offensichtliche Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, da die Medikamente nicht für das Anwendungsgebiet bei der behandelten Tierart zugelassen sind. Oft würden viele der beschriebenen, zur (langfristigen) Rosseunterdrückung eingesetzten Medikationen auch unzulässig umgewidmet, denn: Es gebe keinen Therapienotstand (= Eingriff ist medizinisch erforderlich). Damit fehle die grundsätzliche Voraussetzung für eine Umwidmung.

Die TVT hat dabei jeden medizinisch eingesetzten Wirkstoff individuell bewertet – nicht nur Hormone, sondern auch „alternative“ Maßnahmen wie das Einfüllen von Pflanzenölen oder Murmeln und Bällen in die Gebärmutter oder gar Kürettagen mit Kerosin, die teilweise immer noch praktiziert werden.

Unethisch: Trächtigkeit mit beabsichtigtem Abbruch

Ethisch lehnt die TVT darüber hinaus die Praktik ab, Stuten zu Beginn einer Turniersaison zu besamen. Wenn sie tragend werden, unterbricht das den normalen Zyklus. Nach der Saison erfolgt dann der Trächtigkeitsabbruch. Das ist ein schwerer und medizinisch unnötiger Eingriff in die Gesundheit der Stute, betont die TVT.

Zyklus ist keine therapiebedürftige Erkrankung

Die physische und psychische Gesundheit der Stute habe oberste Priorität, sagt Dr. Andreas Franzky, Vorsitzender des Arbeitskreises Pferde und Vorstand der TVT:

„Der normale hormonelle Zyklus der Stute ist keine Erkrankung und muss nicht medizinisch behandelt werden. Die mit dem Rossezyklus eventuell verbundenen vorübergehenden Verhaltensänderungen gehören zum Naturell der Stute und müssen beim Umgang und bei der Nutzung respektiert werden.“

Alle Eingriffe und Behandlungen, die einen leistungsmindernden körperlichen Zustand (hier die Rosse) verdecken sollen, sind laut Tierschutzgesetz deshalb nicht erlaubt, schreibt die TVT.

Quelle:
TVT-Pressemeldung (22.9.2017 – PDF-Download)
TVT-Stellungnahme „Gynäkologische Praktiken bei Sportstuten“ (PDF-Download)

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