„Greening“, das ist der neue politische Maßstab für Gesetzgebung und (EU)Fördermittel in Landwirtschaft und Nutztierhaltung. Das trifft – geht es nach der Mehrheit der Länderagrarminister – auch Tierärzte: Die geplante verpflichtende tierärztliche Bestandsbetreuung soll an spezielle Elektrofahrzeuge gekoppelt werden. Die Grünen wollen so den Antibiotikaeinsatz senken, indem sie die Reichweite überregional tätiger Autobahntierärzte kappen – und zugleich das Klima schonen.
(PM/jh/aw) – Die „gesetzlich vorgeschriebene, verpflichtende tierärztliche Bestandsbetreuung“ von Nutztierbeständen fordern Tierärzte schon lange. Sie soll den Tiergesundheitsstatus in den Betrieben verbessern und so insbesondere den Antibiotikaeinsatz reduzieren. Das ist inzwischen auch politisch anerkannt. So wird eine verpflichtende Bestandsbetreuung sowohl von den Grünen, den Linken und auch in einem Antibiotikastrategiepapier von den CDU/CSU- und SPD-Bundestagsfraktionen gefordert. Auch die EU will sie vorschreiben.
Reichweite von Autobahntierärzten kappen
Zugleich sind überregional tätige Bestandsbetreuer – umgangssprachlich oft auch „Autobahntierärzte“ genannt – nicht nur Grünen Politikern ein Dorn im Auge. Analog zur Förderung regionaler landwirtschaftlicher Produktion, sollen auch Tierärzte möglichst nur noch regional agieren. Parteiübergreifend wurde deshalb auf der Agrarministerkonferenz (AMK) der Länder (30./31. März 2017 in Hannover) ein Antrag der Grünen Landwirtschaftsminister verabschiedet.
Die Länder fordern die Bundesregierung darin auf, unverzüglich eine Verordnung zur Einführung der verpflichtenden tierärztlichen Bestandsbetreuung (TÄBBökV) vorzulegen. Diese soll ausdrücklich eine besondere ökologische Komponente enthalten: Die Pflicht zum Elektrofahrzeug.
Eckpunkte der ökologischen Bestandsbetreuungsverordnung (TÄBBökV)
Mit der Kombination Bestandsbetreuung/Elektrofahrzeug wollen die Länder gleich mehrere gesellschaftlich als wichtig identifizierte Ziele erreichen. Die haben sie in einem Eckpunktepapier skizziert:
- Die Elektrofahrzeugpflicht soll den Tierarztradius auf maximal 100 Kilometer um einen Praxisstandort eingrenzen. Ermöglicht werden soll dies durch begrenzte Batteriekapazitäten und eine spezielle (verplombte) Ladetechnik. So lassen sich die E-Fahrzeuge nur am Praxisstandort wieder aufladen.
- Die Tierarzt-Fahrzeuge dürfen künftig auch eine gewisse Zuladungskapazität (Kleinwagenklasse/Smart) nicht überschreiten. Die Autoapothekeneinbauten sollen so konzipiert sein, dass sie das säckeweise transportieren von Medikamenten – insbesondere Antibiotika – unmöglich machen. Überprüft werden soll das bei der Hauptuntersuchung (HU) der Fahrzeuge.
- Die TÄBBökV soll so den Tierarztverdienst durch Medikamentenverkauf reduzieren und zugleich die kurative Einzeltierbehandlung finanziell wieder interessanter machen. Das bisher geforderte, aber rechtlich umstrittene „Rabattverbot für Antibiotika“ kann so entfallen.
- Da Nutztierärzte zu den meist Dieselfahrzeuge nutzenden Vielfahrern gehören, erwarten die Länder zugleich ganz erhebliche CO2-, Stickoxid- und Feinstaubreduzierung.
- Da aktuell im Bundeshaushalt erhebliche Mittel zur Förderung der Elektromobilität vorhanden sind, aber nicht abgerufen werden, sehen die Länder die Möglichkeit, dass der Bund die Anschaffung von tierärztlichen Elektrofahrzeugen großzügig bezuschussen kann.
- Die TÄBBökV soll bis zum 1.4.2018 verabschiedet werden und dann zum 1.4.2019 in Kraft treten.
Cross-Compliance-relevant: Landwirte in der Kontrollpflicht
Während ansonsten in Verordnungen die Tierärzte zur Kontrolle der Landwirte angehalten und für deren mögliches Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden sollen (Bsp. verschiedene Kontrollparagraphen im aktuellen Entwurf zur Novellierung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung / TÄHAV) ist es diesmal umgekehrt:
Das Eckpunktepapier zur TÄBBökV verpflichtet Landwirte dazu, Tierärzte zu melden, die nicht(!) mit einem Elektrofahrzeug auf den Hof fahren. Das soll Cross-Compliance-relevant werden. Landwirten, die derartige Besuche zulassen, können EU-Fördergelder gestrichen werden.