Ratgeber: Arbeitszeit korrekt erfassen

Mehr als 48 Wochenstunden? Dann ist eine korrekte Arbeitszeiterfassung ein Muss. (Foto: © bpt / Ausschnitt Arbeitszeitbroschüre)

Eine Arbeitszeit von 50 bis 60 Wochenstunden ist in Tierarztpraxen nicht selten – aber für Angestellte unzulässig. Welche Vorgaben das Arbeitszeitgesetz macht und wie Praxen das praktisch umsetzen können, erklärt ein kurzer Ratgeber des bpt.

(bpt/jh) – Wenn die Arbeitszeit über(!) eine tägliche Regelarbeitszeit von acht Stunden hinausgeht, dann verlangt das Arbeitszeitgesetz, dass sie schriftlich dokumentiert wird. Hier ist der Inhaber einer Tierarztpraxis oder -klinik in der Pflicht: Er  muss die Zeiterfassung sicherstellen, sonst könnten ihm Verstöße gegen gesetzliche Höchstarbeitszeiten oder gegen das Mindestlohngesetz zur Last gelegt werden. Aber er darf diese Pflicht an die Mitarbeiter delegieren. Wie man Arbeitszeiten dokumentiert, erklärt der Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt) in einem Faltblatt.

bpt-Kurzratgeber: Arbeitszeiterfassung in der Tierarztpraxis (PDF-Download)

Methoden der Zeiterfassung

bpt-Ratgeber Arbeitszeiterfassung – Download per Klick auf das Foto. (Foto: © bpt)

Wie die Arbeitszeit erfasst wird, schreibt das Gesetz nicht vor. Möglich sind zum Beispiel:

  • Stundenzettel,
  • „Stechuhr“
  • oder mobile digitale Zeiterfassung (etwa per App)

Alle Methoden haben vor und Nachteile (siehe unten). In jedem Fall müssen die Zeiten (Beginn/Ende/Unterbrechungen) aber täglich dokumentiert werden.

Einfach: „Stundenzettel“ oder Excel-Datei

➕ Vorteil: Stundenbücher (Vordrucke im Schreibwarenhandel) oder Excel-Dateien können Mitarbeiter einfach selbst führen.
Nachteil: Rechenfehler sind leicht(er) möglich. Für die Gehaltsabrechnung ist eine komplette Eingabe der Daten in ein digitales Arbeitszeitkonto nötig (hoher Personal- und Zeitaufwand).
Hinweis: Hat ein Arbeitgeber keine Arbeitszeiterfassung, der Mitarbeiter führt aber privat ein Stundenbuch, dann kann das den Arbeitgeber bei einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung in Beweisnot bringen.

Gerecht: Digitale, minutengenaue Arbeitszeiterfassung:

Vorteil: Eine mobile Zeiterfassungs-Software für Smartphones kann auch Überstunden einfach verrechnen, Zuschläge automatisch berücksichtigen oder Urlaubs-/Zeitausgleichskonten verwalten. Sie vereinfacht die Gehaltsabrechnung und ist perfekt für die Fahrpraxis geeignet.
Nachteil: Mitarbeiter könnten sich kontrolliert fühlen. Die Software kostet.

Klassisch: „Stechuhr“

Vorteil: Die digitale Form der ortsfesten „Stechuhr“ ist als Zeiterfassung in Praxisräumen eine einfache, korrekte Lösung. Sie bietet meist die gleichenFunktionen wie mobile Systeme (siehe oben).
Nachteil: Stationäre Systeme sind für die Fahrpraxis/Nutztier- und Pferdepraxis ungeeignet.

Begriffsdefinition: Arbeitszeit – Bereitschaftsdienst – Rufbereitschaft

Die Arbeitszeit wird im Arbeitsvertrag festgelegt. Laut Arbeitszeitgesetz darf die werktägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers acht Stunden zunächst nicht überschreiten. Aber:

  • Auf Weisung des Arbeitgebers darf die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn dieser sicherstellt, dass innerhalb von sechs Kalendermonaten diese Überstunden wieder ausgeglichen werden.

Zur Arbeitszeit zählen auch Bereitschaftsdienste. Im Bereitschaftsdienst bestimmt der Arbeitgeber den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers. Dieser hält sich dort zur Arbeit bereit. Ein Bereitschaftsdienst muss wie Arbeitszeit vergütet werden, gegebenenfalls mit Aufschlägen (sonntags/nachts).

Rufbereitschaft zählt nur bedingt zur Arbeitszeit. Hier darf der Mitarbeiter sich seinen Aufenthaltsort frei wählen und muss lediglich für Arbeit auf Abruf erreichbar sein. Die Rufbereitschaft selbst kann pauschal vergütet werden. Tritt ein Mitarbeiter aber einen „Einsatz auf Abruf “ an, zählt dieser wiederum als (zu bezahlende) Arbeitszeit.

(Freizeit)Ausgleich: Wer ausnahmsweise sonntags arbeitet, hat Anspruch auf einen Ersatzruhetag innerhalb von zwei Wochen. Für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen liegt diese Frist bei acht Wochen.
Nach Ende der täglichen Arbeitszeit muss eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden gewährleistet sein.

  • Beispiel: Leistet ein Mitarbeiter Bereitschaftsdienst über das gesamte Wochenende von Freitagabend bis Montagmorgen, so sind mit diesen 60 Stunden die Möglichkeiten der Beschäftigung für die gesamte Woche vollkommen erschöpft.

Geldbuße bis 15.000 Euro

Auf die leichte Schulter nehmen, sollte ein Praxisinhaber die Arbeitszeitvorschriften nicht. Deren Missachtung ist ein Ordnungswidrigkeit und kann zu einer Geldbuße von bis zu 15.000 Euro führen (§22 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz). Bei beharrlicher Wiederholung droht Freiheitsstrafe (§23 Arbeitszeitgesetz).

Umgekehrt trägt eine korrekte Arbeitszeiterfassung nach Auffassung des bpt stark zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei: Wer Teilzeit oder flexible Arbeitszeiten anbiete und durch korrekte Zeiterfassung auch fair entlohne, der „bietet Arbeitnehmern ein echtes Plus an Arbeitsplatzattraktivität“.

QR-Code zum Download es bpt-Flyers „Arbeitszeiterfassung“.

Hinweis: Das Arbeitszeitgesetz ist äußerst komplex. Dieser Artikel liefert eine informative Übersicht. Bei Streitfragen empfiehlt sich unbedingt eine anwaltliche Rechtsberatung.

Quellen:
Pressemeldung des bpt
Ratgeber: Arbeitszeiterfassung in der Tierarztpraxis (PDF-Download)

 

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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