„Strafsteuer“: Wird Fleisch die neue Zigarette?

Aufreger: Strafsteuer auf Fleisch, weil es klimaschädlich ist. (Foto: ©cobanams/pixabay.de) Mehrwertsteuer

Eine höhere Steuer auf Fleisch und auch Milch fordert das Umweltbundesamt. Die Gegenwehr kommt sofort. Aber diesmal nicht nur von den Bauern: Vom Deutschen Tierschutzbund über foodwatch bis zu den Linken und dem Umweltministerium sind alle dagegen. Seltene Einmütigkeit: Verbesserungen für die Tierhaltung oder das Klima bringt diese Idee nicht.

(jh) – Das Umweltbundesamt will weniger Subventionen für klimaschädliche Branchen – und nennt dabei die Landwirtschaft, speziell die Fleischproduktion in einem Atemzug mit der Braunkohle. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger bezeichnet deshalb die Mehrwertsteuerbegünstigung (7 statt 19%), die auch für tierische Lebensmittel gilt, als umweltschädliche Subvention. Fleisch und Milch profitierten so von Preisnachlässen in Höhe von rund 5,2 Milliarden Euro – obwohl sie deutlich klimaschädlicher seien als Getreide, Obst oder Gemüse.
Aus diesem „Subventionsabbau“ wurde durch ein Statement des Bundeslandwirtschaftsministers eine Strafsteuer. Er wolle „den Bürgern nicht durch Strafsteuern vorschreiben, was auf den Tisch kommt,“ wird Christian Schmidt (CSU) zitiert. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ging auf Distanz zu der ihrem Ministerium nachgeordneten Behörde. Von einigen Einzelmaßnahmen in dem Bericht „halte ich nichts“.

Steuer bestraft Verbraucher

Der Protest gegen die Steuer kommt aber auch von Gruppen, von denen man für Tierhaltungkritik ansonsten eher Beifall erwartet hätte – für 5,2 Milliarden höhere Steuern will niemand so recht verantwortlich sein? So protestieren die Linken: Eine „Klimasteuer auf Milch und Fleisch“ würde Verbraucher „zu Unrecht bestrafen und die Lage ärmerer Menschen weiter verschlechtern“.

Kühe als Klimakiller? Forscher messen den Treibhausgasausstoß. (Foto: © agroscope.ch)

Höhere Steuern, weil Kühe Klimakiller sind? Forscher messen den Treibhausgasausstoß. (Foto: © agroscope.ch)

Tierschützer: Fleischabgabe statt Steuer

„Die intensive Tierhaltung hat unbestreitbar Anteil daran, dass die Umwelt geschädigt wird,“ kommentiert Thomas Schröder. Aber auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes hält eine undifferenzierte Mehrwertsteuererhöhung für alle Fleischprodukte für den falschen Weg. Das würde auch tiergerechtere Produktionsformen benachteiligen. „Die werden noch teurer“. Außerdem fürchtet Schröder, dass nicht zweckgebundene Steuereinnahmen  im Staatshaushalt versickern. Die Tierschützer fordern stattdessen nach dem „Verursacherprinzip“ eine zweckgebundene „Fleischabgabe“, die für mehr Tierschutz im Stall eingesetzt werden soll.

Steuer ist kein Anreiz für Verbesserung

Keinen Anreiz für die Produzenten, ökologisch irgendetwas zu verbessern, kann auch die Verbraucherorganisation Foodwatch in dem Vorschlag erkennen.  Die Mehrwertsteuererhöhung würde alle Tierprodukte schlicht gleichermaßen verteuern. Stattdessen sollten Lebensmittelhersteller für „Klimaschäden und Umweltkosten“ stärker zu Kasse gebeten werden.
Nur für  Greenpeace gehören „Steuergeschenke für billiges Fleisch abgeschafft.“

Bauern sehen „Effekthascherei“

Das die Bauernverbände (hier, hier oder hier) gegen die Steuerpläne protestieren, ist klar. Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht „irreführende Zahlen und einen effekthascherischen Tunnelblick auf die Landwirtschaft“. Sie trage nur sieben Prozent zu den gesamtdeutschen Treibhausgasemmissionen bei.

Eine sachliche Analyse über den Unterschied von „Subvention“ und „ermäßigten Steuersatz“ hat Bernhard Barkmann hier auf Blogagrar.de erstellt. 

wir-sind-tierarzt.de meint: Wahljahr – Fleisch wird zur Zigarette

(jh) – Der Vorschlag der Steuererhöhung passt zum aktuellen Aufgeregtheitstrend. Das Wahljahr beginnt. Fleisch ist böse, wohl gar bald so schlimm wie Zigaretten. Zumindest gefühlt, wenn man die Debatte über die Tierhaltung in Deutschland verfolgt: Brunnenvergifter (Stichwort: Nitrat), Klimaschädling (Stichwort: Emmissionen), Krebserreger (Stichwort: „rotes“ Fleisch) und Tierquäler sowieso.
Ein Landwirt kommentiert auf Twitter lapidar: Tierhaltung ist in Deutschland unerwünscht.
Manch aufgeregte Diskussion erweckt genau diesen Eindruck. Und genau das ist gefährlich, denn aufgeben werden dann die, die man politisch doch angeblich stützen möchte: die bäuerlichen Tierhalter. Sie haben einfach keinen Bock mehr, sich dauerhaft beschimpfen zu lassen.
Sollte die Nutztierhaltung aus Deutschland verdrängt oder auch nur um irgendeinen größeren Prozentsatz reduziert werden, dürfte es aber weder einem Tier noch dem Klima besser gehen. Im Gegenteil: Deutschland hat mit die höchsten und sichersten Produktionsstandards in der EU und weltweit sowieso. Kaum ein Stück Importfleisch dürfte eine bessere Klimabilanz haben, rückstandsfreier sein oder gar in tiergerechteren Ställen erzeugt worden sein.
Dass die Tierhaltung auch in Deutschland weiter verbessert werden kann und muss, ist unbestrittenen. Aber es braucht Konzepte, die die Betriebe am Leben lassen.
Zum Glück wird nichts so heiß gegessen, wie medial verkocht. Der Verbraucher kauft weiter sein Fleisch. Wenn er auch nicht mit überbordender Begeisterung zum teuren Biofleisch überläuft, so gibt es doch Trends zu mehr regionaler Nachfrage. Was der Handel dafür mehr kassiert, müsste nur bei den Nutztierhaltern ankommen, damit sie höhere Tierschutzanforderungen umsetzen können.
Von den höheren Konsumsteuern haben sie aber auf keinen Fall etwas. 

Quellen im Artikel verlinkt
Auslöser der Debatte: Pressemeldung des Umweltbundesamtes (5.1.2017/letzter Absatz)

 

 

 

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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