Ein staatliches Tierwohllabel kommt – aber wie? Fest stehen bis jetzt das Logo und das Marketingbudget von 70 Millionen. Mehr Details zu Kriterien soll es bis Ostern geben. Frühestens Ende 2018, wahrscheinlich erst 2019 gibt es (Schweine)Fleisch mit staatlichem Siegel im Handel. Die Tierhalter können freiwillig mitmachen.
von Jörg Held
Die Erwartungen waren hoch: Die Präsentation des neuen staatlichen Tierwohllabels hatte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zum Start der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin angekündigt. Die Nutztierhaltung und die Tierwohldebatte werde eines der Top-Wahlkampfthemen 2017 sein, sagte auch CDU-Fraktionsvize Gitta Connemann beim bpt-Neujahrsempfang: „Wir sind sehr gespannt, was der Minister vorstellen wird“.
Logo-Enthüllung – mehr nicht
Enthüllt wurde dann das Logo. Einzige greifbare Zahl ist das Marketingbudget von 70 Millionen Euro. Alles andere bleibt weitestgehend in der Schwebe (*Nachtrag siehe unten): Die Anforderungen werden „höher sein, als der sowieso schon hohe gesetzliche Standard,“ sagt der Minister. Er spricht von Stroh, von mehr Platz, von Beschäftigungsmaterial, erwähnt die „Tierbetreuung“ und „Ansprüche an die Tiergesundheit“.
Konkret aber wird Schmidt auch auf Nachfragen nicht. Erste Eckpunkte für die zugrundeliegenden Kriterien soll es bis Ostern 2017 geben, eine gegebenenfalls nötige Gesetzesinitiative noch in dieser Legislatur angeschoben werden. Im Handel könnten gelabelte Produkte „nächstes oder übernächstes Jahr“ sein – also 2019. Das „staatliche Tierwohllabel“ sei „die Erfahrungschwester des staatlichen Biosiegels“. Eine Teilnahme am Programm ist freiwillig, wer es nutzen wolle, müsse die vom Staat vorgegebenen Auflagen nachprüfbar erfüllen.
Zwei- oder doch dreistufiges Label?
So recht einig waren sich Minister und die drei ihn flankierenden „Stakeholder“ (siehe Foto oben) auf der BMEL-Bühne dann auch noch nicht bei der Einordnung der Pläne.
Minister Schmidt sprach von einem zweistufigen Tierwohllabel zum Start mit einer dritten Stufe, wenn es der Markt möglich mache. Das lässt auf niedrige Auflagen für die Eingangsstufe schließen. Schmidt sagte: Das ganze solle kein „Nischen-Luxuslabel“ werden, sondern in die Breite wirken: „Für jedermann begreifbar und bezahlbar.“
Zwei Stufen mit „deutlichem Abstand zu den bisher geltenden gesetzlichen Vorgaben“, erwartet dagegen Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Dessen – vom Bundeslandwirtschaftsministerium finanziell gefördertes – zweistufiges Label „Für mehr Tierschutz“ gilt als ein mögliches Vorbild. Es hat aber in vier Jahren erst 75 Betriebe als Teilnehmer gewinnen können.
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied sagte dem Minister Unterstützung zu und will in eine „Erarbeitung der Kriterien im Konsens“ die Erfahrungen der seit 2015 aktiven, wirtschaftsgetragen Initiative Tierwohl (ITW) einbringen. Bei der ITW machen bisher 2.400 Schweinehalter und 1.000 Geflügelbetriebe mit, über 2.200 weitere Betriebe stehen noch auf der Warteliste. Aber auch dass deckt bisher nur elf (Schwein) bis 30 Prozent (Geflügel) des Fleischmarktes ab.
Marktanteil für Tierwohllabel: Maximal 20 oder 50 Prozent?
20 Prozent Marktanteil könne „ein glaubwürdiges staatliches Tierwohlabel“ erreichen. Das leitet Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), aus Umfragen ab.
Der Minister dagegen erwartet „begründet optimistisch, dass es bis zu 40 oder gar 50 Prozent werden können“. Vorbild sind für ihn „Nachbarländer“ (gemeint: die Niederlande).
Zum Vergleich: Biofleisch hat bis jetzt Marktanteile von unter drei Prozent.
Wer bezahlt was?
Tierhalter, die freiwillig am Labelprogramm teilnehmen, werden eindeutig „mehr Aufwand durch höhere Standards haben“, stellte Schmidt klar. Refinanziert werden soll das zum einen über höhere Preise im Laden. Schmidt erwartet keine „dramatische Veränderung“, aber der Verbraucher müsse das bezahlen, was er wolle. Zusätzlich sei dennoch auch eine staatliche Förderung nötig. In welchem Umfang, aus welchem Agrarfördertopf (GAP/GAK) das möglich ist, auch das ist noch offen.
Fazit: Das staatliche Tierwohllabel kommt – nur ist noch nicht wirklich absehbar in welcher Form und mit welchen Auswirkungen in wie viel Ställen.
*Nachtrag: Einige mögliche Kriterien muss das BMEL in einer Pressemappe(?) ergänzt haben, die aber nicht alle anwesenden Journalisten erhalten haben. Der Minister erwähnte diese Punkte selbst so nicht. In der online auf der BMEL-Seite verfügbaren Meldung sind sie auch nicht genannt (Stand 19.1.2017).
- Platzangebot
- Beschäftigung mit Raufutter
- Buchtenstrukturierung
- Fixierung von Sauen (Abferkel-/Deckbereich)
- Säugephase (Dauer der Säugezeit)
- nicht kurative Eingriffe (Schwänzekupieren)
- Ferkelkastration (Regelung in Bezug auf Importe)
- Eigenkontrolle (Festlegung geeigneter Tierwohlindikatoren für Betriebe)
- Tiergesundheitsindex (Teilnahme am Erfassungssystem)
- Transportdauer
- Schlachtung (bessere Kontrolle von Betäubungen)