Was tun, wenn man nicht viel verdient, aber dennoch sein Tier medizinisch gut versorgt sehen will? Darf man dann kein Tier halten? Muss „die Gesellschaft“ dafür aufkommen? Oder gar der Tierarzt?
von Henrik Hofmann
Um Geld zu sparen, ließ eine Frau ihre Katzen-Welpen nicht behandeln – und wurde zu 900,- Euro Geldstrafe verurteilt. Sie gab an, von „nur“ 1.550,- Euro Sozialhilfe leben zu müssen.Im Grunde ist das Signal des Richters sehr erfreulich: Wer kein Geld hat, ein Tier behandeln zu lassen, sollte keines halten (dürfen). Punkt. (Bericht hier)
Tierärzte häufig ausgenutzt
Doch ist das wirklich so einfach? Seien wir ehrlich: Wir (Tierärzte) wissen, dass gerade diejenigen, die keinen Job haben oder krank sind, besonders häufig Tiere halten. Einerseits ist das gut für die Seele des Menschen – andererseits gut für das Tier, da es ganztags betreut werden kann. Von dem speziellen Fall hier abgesehen – denn von einem 1.550 Euro Netto-Einkommen (Rente plus Pflegegeld) können wahrscheinlich sehr sehr viele in Vollzeit tätige Tierärzte und TFAs nur träumen – stellt sich die Frage: Wie sollen (tatsächlich) Not leidende Tierbesitzer mit kranken Tieren umgehen? Und: Sind Tierärzte verpflichtet, in einem solchen Fall zu helfen? Wahrscheinlich war fast jeder Kollege schon etliche Male in genau dieser Situation. Und ebenso wahrscheinlich wurde er/sie schon mehr als einmal in seiner/ihrer Gutgläubigkeit ausgenutzt – und hat sich geschworen, nie mehr auf so etwas herein zu fallen.
Tiermedizin „im Interesse der Allgemeinheit“
Leicht könnte man argumentieren, dass Klempner oder Discounter auch keinen Kredit geben. Zum Beispiel, wenn Eltern das Geld für Windeln ausgegangen ist, sie aber dringend (Samstag Abend) eine Packung brauchen… Tatsache ist natürlich, dass Tierarztpraxen/-kliniken weder Klempner noch Discounter sind. Und schon gar keine Bank sind. Sondern eine Verantwortung gegenüber Tier und Gesellschaft tragen. Sehr viele Tierärzte fühlen sich berufen, zu „helfen“, unterstützen Obdachlose, engagieren sich im Tierschutz. Ein Verpflichtung dazu besteht allerdings nicht!
Der Beruf des Tierarztes gehört zu den freien Berufen. Ein freier Beruf ist ein „selbständig ausgeübter wissenschaftlicher, künstlerischer, schriftstellerischer, unterrichtender oder erzieherischer Beruf. Eine freiberufliche Tätigkeit ist nach deutschem Recht kein Gewerbe und unterliegt daher weder der Gewerbeordnung noch der Gewerbesteuer.“ (wikipedia) Wir Tierärzte dienen der Allgemeinheit in sofern, als dass wir die Gesundheit des Verbrauchers schützen. Stichwort „Gewinnung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs“.
Der Allgemeinheit dienen in diesem engeren Sinne also vor allem die Nutztierpraktiker und die in der Lebensmittelüberwachung tätigen Kollegen. Würden also Kleintierpraktiker nicht ihren Part erfüllen, wenn sie Tierschutz und Not leidenden Menschen helfen würden – in dem sie zum Beispiel Ratenzahlung oder Ähnliches ermöglichten?
Welche Lösungen gibt es?
- ein Ratenzahlungsvertrag: Über die Praxissoftware lässt sich leicht ein Vertrag ausdrucken, der Raten, Laufzeit und Zinsen beinhaltet. Das Problem: Der Eingang der Raten muss kontrolliert werden; häufig muss den Schuldnern hinterher telefoniert werden; nicht selten verlieren sie nach Monaten die „Lust“ den Rest ihrer Schuld zu begleichen. Es entsteht also in jedem Fall ein erheblicher Verwaltungsaufwand! „Dankbarkeit“ seitens der Tierbesitzer ist eher die Ausnahme… sollte aber unbedingt die Regel sein.
- eine klare Vereinbarung vor der Behandlung, dass „nur gemacht werden kann, was gemacht werden muss“, da „ich mir eine Behandlung eigentlich nicht leisten kann“. Das „riecht“ zwar nach „Zweiklassenmedizin“. Aber damit muss sich auch jeder gesetzlich versicherte Mensch abfinden…
- Verrechnungsstellen / Inkassounternehmen: „Wer mit dem ganzen Rechnungs- und/oder Mahnwesen nichts zu tun haben will“, sagt Kollegin Dr. Caroline Deiner, „sollte sich die Angebote von Abrechnungsstellen ansehen.“ Dr. Deiner unterrichtet BWL an den Vet-Hochschulen und arbeitet bei TVD-Consult als Praxis- und Klinikberaterin. Derzeit gibt es in Deutschland drei tierärztliche Verrechnungsstellen (www.tvheide.de, www.tvn-elze.de und www.tvs-muenster.de) und weitere disziplinübergreifende Dienste, die alle unabhängig von Name und Sitz ihre Dienste deutschlandweit anbieten. „Das Angebot reicht vom Forderungsmanagement (Überwachung der Außenstände, Mahnservice, Teilzahlungsvereinbarungen, Einleitung und Durchführung gerichtlicher Mahnverfahren) bis zum kompletten Fakturierungsservice, der nicht nur Erstellung und Versand von Rechnungen beinhaltet, sondern sogar eine Vorschussleistung i. H. v. 70-100 % der Rechnungshöhe bedeuten kann.“ Für die Dienste der Abrechnungsstellen wird in der Regel eine Jahresgebühr und/oder eine aufwandsabhängige Gebühr (Umsatzbeteiligung) erhoben. „Die dadurch entstehenden Mehrkosten könnten über eine ,Anpassung‘ der Gebührensätze wieder hereingeholt werden, oder rechnen sich von selbst, weil man durch die Inanspruchnahme eines solchen Services evtl. weniger Forderungsausfälle hat, den Kontokorrentkredit weniger ausreizen muss (und dadurch Zinsen spart) und weniger Gefahr läuft, Teilleistungen nicht zu berechnen, weil man durchs „Auf-die-lange-Bank-schieben“ der Rechnungstellung die Hälfte vergessen hat.“
- Tierkrankenversicherung: Im Prinzip die perfekte Lösung. Leider kosten aber auch die Geld – und um die, die es eben nicht haben, geht es ja hier…
Es gibt viele brave Tierbesitzer, die nicht viel verdienen und aber dennoch ihrem Liebling alles angedeihen lassen wollen, was notwendig ist. Wird die einfachste Spielregel der Welt – nämlich „mit offenen Karten zu spielen“ – nicht eingehalten, wird es auf Seiten der Tierärzte weiter zu Verbitterung kommen. Und auf Seiten der Tiere das Leid nicht gelindert.