Tierärzte müssten junge Fohlen unbehandelt und notfalls sogar sterben lassen – zumindest wenn es streng nach dem Gesetz geht. Da die Fohlen noch nicht gekennzeichnet sind, dürfen Tierärzte eine Reihe von Medikamenten nicht einsetzen, ohne sich strafbar zu machen. Eine Bund-Länderabsprache aber schafft jetzt Rechtssicherheit.
(bpt/jh) – Konkret geht es um die (Notfall)Behandlung von akuten Infektionskrankheiten (z. B. Rhodhococcus equi) oder Krankheiten, deren Therapie eine Allgemeinanästhesie erfordert (z. B. Harnblasenruptur). Hier kommen oftmals Medikamente von der sogenannten Positivliste zum Einsatz. Das muss im Equidenpass dokumentiert werden, denn die so behandelten Tiere dürfen nicht mehr geschlachtet werden.
Fohlen unter zwölf Monaten aber sind in der Regel noch nicht mit einem Transponder gekennzeichnet und besitzen keinen Pferdepass. Somit ist eine eindeutige Identifizierung als (lebensmittellieferndes) Schlachttier beziehungsweise Nicht-Schlachttier noch nicht möglich. Das bringt den behandelnden Tierarzt in eine rechtlich problematische Lage.
Kein Pass – keine Behandlung?
Wie darf man diese Tiere behandeln? Das war bisher eine (bislang wenig beachtete) Regelungslücke im Gesetz, die aber zwischen Tierärzten und Behörden in NRW und Niedersachsen zu Streit geführt hat. Auf dem bpt-Kongress in Hannover berichteten verärgerte Praktiker, dass Behördenvertreter den Einsatz einiger Medikamente bei Tieren ohne Pass/Kennzeichnung untersagt hätten – ein Aufregerthema auf dem Kongress und eine im Praxisalltag unhaltbare Situation, da man den Fohlen die Behandlung verweigern müsste.
Vereinbarung gibt Rechtssicherheit
Um Klarheit und Rechtssicherheit für die behandelnden Tierärzte zu schaffen, haben der Bundesverband der praktizierenden Tierärzte (bpt) und die Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM) das Gespräch mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der Länderseite gesucht – und eine Vereinbarung getroffen, die folgenden Lösungsweg ermöglicht.
- Pferdepraxis/-kliniken sollen mit Genehmigung der zuständigen Behörden die Möglichkeit erhalten, für die Kennzeichnung von Notfallpatienten die notwendige Anzahl von Transpondern vorzuhalten. Die Kennzeichnung der Fohlen würde in diesem Fall durch die Tierärzte in den Pferdekliniken/Pferdepraxen erfolgen.
Damit wäre gewährleistet, dass noch nicht gekennzeichnete Fohlen mit Arzneimitteln, die einen vorübergehenden oder endgültigen Ausschluss des Tieres aus der Lebensmittelkette erfordern, trotzdem therapiert werden können. - In der HIT-Datenbank soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass die behandelnden Tierärzte die entsprechende Behandlung mit Zuordnung zur Nummer des Transponders eintragen können (vorbehaltlich der Zustimmung der Länder auf der Amtschefkonferenz der Agrarministerien am 18./19. Januar 2017).
- Der Tierhalter wird für diesen Fall aufgefordert, umgehend einen Equidenpass zu beantragen. Die passausgebende Stelle trägt die bereits dann im entsprechenden HIT-Datensatz vorhandenen Informationen zur Arzneimittelbehandlung im Rahmen der Ausgabe des Equidenpasses in diesen ein.
- Das BMEL wird die Pferdezuchtverbände alternativ darauf hinweisen, dass es gemäß den Vorgaben der Viehverkehrsverordnung auch möglich ist, dass Tierhalter Transponder zur Kennzeichnung ihrer Tiere vorbestellen, sodass bereits zur Geburt einzelner Tiere die Transponder im Bestand zur Verfügung stehen und gegebenenfalls eine sofortige Kennzeichnung vorgenommen werden kann.
- Außerdem will das BMEL die Europäische Kommission auf die Regelungsproblematik hinweisen und zur Nachbesserung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/262 auffordern.