Für neugeborene Ferkel bedeutet jede menschliche Berührung Stress: die obligatorische Eiseninjektion und selbst die Schmerzmittelspritze vor Kastration oder Schwänze kürzen. In den USA erprobt man einen anderen Weg, um Handlingstress zu vermeiden. Eine Schmerzmittelgabe an die Muttersauen soll sich in der Muttermilch anreichern und so auf die Ferkel übertragen – ohne Spritze. Hilft das?
von Annegret Wagner
Gelingt eine Schmerzminderung bei Ferkeln auch über die Muttermilch? Diese Frage stellten sich unter anderen Mitarbeitern der Iowa Starte University (USA). Die Idee dahinter ist einfach: Bekommen die Ferkel ein NSAID (Nicht-steroidales Antiphlogistikum) über die Muttermilch, dann braucht man sie dafür nicht anzufassen beziehungsweise zu spritzen. Beides bedeutet für Ferkel erheblichen Stress – der Weg über die Muttermilch würde diesen vermeiden.
Schmerzmittel oder Placebo
In der Studie bekamen die Sauen über das Futter ab dem vierten Tag nach der Geburt drei Tage lang entweder 30 mg/kg Meloxicam oder das gleiche Volumen an Hefeproteinen als Placebo. Am fünften Tag nach der Geburt kam dann die Bewährungsprobe für die Ferkel.
Die Wissenschaftler führten sämtliche, in den USA üblichen Maßnahmen an den Neugeborenen durch: Sie kastrierten die männlichen Ferkel, kürzten die Schwänze aller Tiere und injizierten auch allen die Eisenration. Außerdem nahmen die Tierärzte Blutproben der Ferkel vor Beginn aller anderen Maßnahmen und nach festgelegten Intervallen bis zum Versuchsende am achten Lebenstag.
Schmerzindikatoren: Cortisol und Oberflächentemperatur
Im Blutplasma sämtlicher Ferkel konnte Meloxicam nachgewiesen werden und in vier der fünf Würfe waren die Konzentrationen so hoch, dass die Untersucher sie als ausreichend für eine Schmerzbehandlung beurteilten.
Die dafür notwendige Schmerzbeurteilung bei den Ferkeln haben die Wissenschaftler unter anderem durch die Bestimmung von Kortisol im Blut, die Inhibition der Prostaglandin-Synthese und durch eine Wärmemessung der Haut vorgenommen.
- Die Oberflächentemperatur bei Ferkeln ohne Meloxicamgabe war deutlich niedriger als bei Ferkeln mit Meloxicam. Das deutet darauf hin, dass tatsächlich eine bessere Schmerzausschaltung vorliegt. Haben Ferkel Schmerzen, ziehen sich die Hautgefäße zusammen und die Temperatur nimmt ab.
- Die Kortisol-Konzentrationen blieben im Anschluss an die Kastration in den Meloxicam-Gruppen deutlich unter denen der Kontrollferkel. Auch die Prostaglandin E2-Inhibition fiel höher aus. Beides deutet ebenfalls auf eine bessere Schmerzausschaltung hin.
Verbessertes Schmerzmanagement
Das Team um Jessica Bates geht daher davon aus, dass eine orale Verabreichung von Meloxicam zu einem guten Schmerzmanagement bei Ferkeln führen kann. Es gibt allerdings noch Forschungsbedarf, etwa um die benötigten Blut-Konzentrationen festzulegen.
Risiko: Magengeschwür
Als Gegenanzeige für dieses Verfahren muss die Entstehung von Magengeschwüren bei den Tieren berücksichtigt werden. Immerhin zwei von fünf Sauen und zehn von elf Ferkeln wiesen am achten Tag nach der Geburt entsprechende Veränderungen der Magenschleimhaut auf. Allerdings lagen keine Anzeichen für eine klinische Beeinträchtigung vor.
Quelle:
Impact of Transmammary-Delivered Meloxicam on Biomarkers of Pain and Distress in Piglets after Castration and Tail Docking