Die Tierarztkette Evidensia hat in Schweden eine Zusammenarbeit mit der Apothekenkette Kronans vereinbart: Jeder Tierklinik wird eine lokale Apothekenfiliale zugeordnet. Das soll die Versorgung von Klinik und Tierbesitzern mit Tiermedikamenten verbessern. Ein neuer, direkter Dispensierweg im Land ohne Dispensierrecht?
von Jörg Held
Deutsche Tierärzte dürfen Medikamente verkaufen. Dieses Dispensierrecht soll auch die schnelle Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln für den Tierhalter sicherstellen – gerade in der Nutztierpraxis und auf dem Land. Politisch aber werden die Tierärzte dafür immer wieder angefeindet: Dies sei ein Anreiz, mehr zu verschreiben als nötig, um Geld zu verdienen. Als Gegenmodell gilt Skandinavien. Dort ist man stolz ist auf die Trennung von Verschreibung und Verkauf.
Apothekenkette versorgt 60 Kliniken
Jetzt hat die Tierklinik-Kette Evidensia in Schweden eine Zusammenarbeit mit der Apotheken-Kette Kronans vereinbart. Das erklärte Ziel ist es, „die Verfügbarkeit von Tiermedikamenten, sowohl für Tierbesitzer als auch für unsere Klinikstandorte zu verbessern.“ Die Kooperation dürfte auch Kundenströme lenken.
Kronans wird für Evidensia eine zentrale Lagerverwaltung für Tiermedikamente in Enköping aufbauen – inklusive direktem Zugang der Kliniken zum digitalen Apotheken-Bestellsystem. Zugleich wird jedem der rund 60-Evidensia-Standorte eine lokale Kronans-Apotheke zugeordnet: Auch dort sollen die Medikamentenbestände an den Bedarf – und wohl auch das Verordnungsverhalten – der örtlichen Tierklinik angepasst werden. Medikamente sollen auch in Notfällen schneller verfügbar sein.
Apothekenkette agiert länderübergreifend
„Kronans Apotek“ betreibt in Schweden rund 300 Filialen – und damit etwa ein Drittel der Apotheken des Landes. Über 200 Kronans-Apotheken befinden sich in Coop-Supermärkten. Als Großhändler hat Kronans außerdem Liefervereinbarungen mit dem auch in Deutschland aktiven Versandhändler DocMorris, der Apoteksgruppen, Medstop und Vårdaapoteket.
Kronans selbst ist wiederum eine Tochter des börsennotierten, finnischen Apothekendienstleisters Oriola-KD, der in Schweden, Finnland und dem Baltikum aktiv ist.
Rasant gewachsen ist Kronans in Schweden durch die Liberalisierung des Apothekenmarktes 2009: Damals hat man ein Drittel der zuvor staatlichen Apotheken kaufen können.
wir-sind-tierarzt.de meint: Clevere Marktlösung
(jh) – Manches Mal macht die Naivität einiger Politiker schmunzeln: Da führt Deutschland jahrelang eine emotionale Debatte über die Abschaffung des Dispensierrechtes und fordert aktuell immer noch ein Rabattverbot für Antibiotika.
Die Realitäten richtet dann der Markt. So wie im Musterland Schweden: Große Tierklinikkette kooperiert mit großer Apothekenkette – damit die Kunden schneller und direkt an ihre Medikamente kommen. Wie da wohl Verträge und Preise, Rabatte und womöglich Rückvergütungen aussehen?
Seit Beginn der politischen Dispensierrechtsdebatte hat die Tierärzteschaft in ihren Positionspapieren darauf hingewiesen: Die geforderte Abschaffung sorge nur für neue Vertriebswege. Die Schweden machen das nun vor.
Für Tiermedikamente hat man hierzulande zwar eher an Agrargenossenschaften oder Integrationen in der Nutztierhaltung gedacht, die Apothekenkooperationen eingehen – und am Ende, wenn rechtlich möglich, sogar eigene Apotheken betreiben. Dass es europaweit agierende (Klein)Tierklinikketten geben wird, die sich mit ebenso Apothekenketten zusammen tun, war weniger präsent. Das Evidensia-Modell in Schweden aber weist einen Weg.
Verwerflich ist eine solche Kooperation übrigens nicht. Es ist eine Marktlösung für einen eindeutigen Kundenwunsch: Schnell verfügbare Medikamente. Und es ist ein Hinweis darauf, dass das Dispensierrecht eben nicht der böse Bube, sondern ein sinnvoller Vertriebsweg ist.