Allein in Kassel wurden über 30 tote Waschbären untersucht. Schuld an ihrem Tod sind das Staupe-Virus und Leptospirose. Gefährdet sind auch Hunde. Wenn sie nicht geimpft sind. Waschbärschützer wüten gegen die Berichterstattung.
(PM/hh) – Kassel gilt als „Waschbären-Hochburg“ Deutschlands. Immer wieder wurde berichtet, dass die Stadt unter einer regelrechten Plage leidet. Die Tiere brechen in Häuser und Dachstühle ein und richten zum Teil erhebliche Schäden an. Nun wurden etliche tote Waschbären gefunden. 30 ließ die Stadt am hessischen Landeslabor untersuchen. Das Ergebnis: 52 Prozent starben an Staupe. Solche „Seuchenzüge“ sind aus früheren Jahren bekannt und an sich nichts Neues. Neu hingegen ist, dass 16 Prozent auch an Leptospirose litten, einem Bakterium, das auch für andere Tierarten und den Menschen gefährlich ist.
Waschbärschützer reagieren mit Wut-Kommentaren
Ein Bericht in der Hessenschau, einer Regionalsendung des Hessischen Rundfunks (HR) – sollte Hundebesitzer warnen – und führte zu einer Flut von aggressiven Kommentaren in den sozialen Medien. Die Beschimpfungen reichen von „Bild-Zeitungs-Niveau“ über „oooh ja es ist wieder herbst…da muss eine schwere krankheit oder ein virus gefunden werden, damit die pharmalobby einen neuen impfstoff dagegen herstellen kann oder einen wieder in erinnerung rufen kann … die haben wohl durch den sommer einen finanziellen engpass erfahren…“ hin zu „Erschreckend, diese Art der Berichterstattung für einen öffentlich-rechtlichen Sender … Seid Ihr nicht in der Lage, richtig zu recherchieren ???“.
Doch es gibt auch gegenteilige Stimmen: „Ein sachlicher, guter Bericht der es auf den Punkt bringt … ich denke, dass jede Art die überhand nimmt, sich selbst durch Krankheiten reguliert … ob dies nun Staupe, Lepto oder Parvo ist … die vielen Wildtiere auf recht engem Raum im Zusammenleben mit Mensch und Haustier, sind auf jeden Fall weit von natürlicher Bestandsregulierung entfernt … Tierschutz hin oder her … manch einer übertreibt es damit ein wenig … besonders wenn Wildtiere „angefüttert“ werden … und damit zwanghaft in menschliche Nähe gebracht werden … die Medaille hat immer zwei Seiten … „
Für Verwirrung sorgte zudem, dass im Video ein mit einem Halsband markierter Waschbär zu sehen war.
Keine Panik!
Tatsächlich ist „Panik“ völlig unnötig: Verantwortungsbewusste/besorgte Tierhalter lassen ihre Tiere in der Regel gegen beide Erkrankungen durch regelmäßige Impfungen schützen. Sind Hunde tatsächlich infiziert, sind beide Krankheiten behandelbar – wenn auch recht aufwändig und nicht immer erfolgreich.
Leptospirose ist aber in zweierlei Hinsicht ein Sonderfall: Denn einerseits gibt es nicht gegen alle Leptospirose-Arten Impfstoffe. Andererseits sind Leptospiren Zoonose-Erreger, das heisst, sie sind auch auf den Menschen übertragbar. Wenn auch Infektionen beim Menschen verschwindend gering sind, sind sie möglich.
Erkrankungsrisiko für Menschen
„In Deutschland wurden seit dem Jahr 2000 pro Jahr zwischen 37 und 166 Leptospirosefälle übermittelt“, schreibt das Robert-Koch-Institut in seinem Ratgeber für Ärzte. „Aufgrund der häufig unspezifischen klinischen Symptomatik der Leptospirose kann man jedoch von einer deutlichen Dunkelziffer ausgehen.“ Beim Menschen verläuft die Erkrankung meist „wie eine Grippe“, kann aber auch zu „schweren pulmonaren Erkrankungen führen“, die meist mit Antibiotika gut zu behandeln sind.
Für Menschen gibt es in Deutschland keinen zugelassenen Impfstoff gegen Leptospirose. Hunde sollten dagegen regelmäßig gegen Leptospirose geimpft werden. Bis vor kurzem standen gegen die bisher typischen Serovare bei Hunden (Leptospira interrogans Serovar Canicola und Icterohaemorrhagiae) nur bivalente Impfstoffe zur Verfügung. Da zunehmend auch canine Infektionen durch bisher seltene Serovare europaweit festgestellt wurden, sind seit 2014 tetravalente Impfstoffe verfügbar (zusätzlich mit den Serovaren Australis und Grippotyphosa).
Aktuelle Impfempfehlungen zur Leptospirose-Vorbeugung beim Hund
Einen detaillierten Bericht über Leptospirose bei Tieren finden Sie hier.
Saisonale Erkrankung – Risikogruppen
„Leptospirose ist in Deutschland eine saisonale Erkrankung mit Häufungen im Sommer und Frühherbst, bedingt durch die Überlebensfähigkeit der Leptospiren in der Außenwelt“, schreibt das RKI weiter. Bestimmte Berufsgruppen wie Kanalarbeiter, Laborpersonal, in der Landwirtschaft und im Veterinärwesen Tätige seien wegen des Kontakts mit von Nagerurin kontaminiertem Wasser oder durch den Umgang mit infizierten Nutztieren besonders gefährdet, an einer Leptospirose zu erkranken. Wie in anderen Ländern sei die Leptospirose in Deutschland eine Erkrankung, die hauptsächlich das männliche Geschlecht im erwerbstätigen Alter betrifft.
Weitere Berichte liegen über infizierte Waschbären aus Laubach und Grünberg/Hessen und Füchse aus Weilburg (Red.) vor. Grundsätzlich sollten Tierhalter ihre Hunde von verendeten Wildtieren fern halten, ihre Hunde impfen lassen – und nicht in Panik geraten.
Quellen:
Robert-Koch-Institut: Ratgeber für Ärzte
HR-Sendung: Hessenschau
Gießener Zeitung
Bild: Screenshot Hessenschau
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