Antibiotikaeinsatz: Wann kommt der Tierarztvergleich?

Welcher Tierarzt setzt wieviele Antibiotika ein? Ein "Tierarztbenchmarking" wird kommen – Zieldatum 2020. (Foto: © WiSitiA/aw)

Der Antibiotikaeinsatz bei Nutztieren in Deutschland geht deutlich zurück. Doch nicht in allen Wirkstoffklassen und auch nicht bei allen Betrieben. Immer wieder kommt aus Behörden und Politik deshalb die Forderung, auch die verschreibenden Tierärzte weiter in die Pflicht zu nehmen: Mit einem Tierarztvergleich.

von Jörg Held

Die Erfolge bei der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tiermedizin sind beachtlich: Sowohl bei der Menge (-901 Tonnen / 53% binnen fünf Jahren) als auch bei der Therapiehäufigkeit (Minus 30-50%). Das deutsche Arzneimittelgesetz verpflichtet mit seinem Antibiotikamonitoring bisher aber ausdrücklich nur die Halter von Masttieren den Antibiotikaeinsatz bei ihren Nutztier zu erfassen. Das von der Bundesregierung formulierte Ziel:

Tierhalter können sich nun anhand der ermittelten Kennzahlen selbst bewerten und ihren Antibiotikaeinsatz kritisch überprüfen. Über abgestufte Maßnahmen können sie die Gesundheit ihrer Tiere verbessern und dadurch den Antibiotikaverbrauch senken.

Die dafür nötige Datenerfassung übernehmen aber (meist) die Tierarztpraxen. Sie melden den Antibiotikaeinsatz sowohl an die staatliche, als auch an die privatwirtschaftliche QS-Antibiotikadatenbank. Sie sind es auch, die die Maßnahmenpläne schreiben, wie der Antibiotikaeinsatz verbessert werden soll. Eine Vergleichsmöglichkeit für die Tierarztpraxen aber gibt es noch nicht.

Tierärzte „wenig veränderungswillig“?

Aus den Daten können die Überwachungsbehörden aber indirekt nicht nur die Entwicklung in den Betrieben, sondern auch in den Tierarztpraxen ablesen. „Man sieht Unterschiede zwischen den Praxen. Einige kriegen die Antibiotikareduzierung hin. Es gibt andere, die weniger veränderungswillig sind,“ hält etwa Dr. Sabine Kurlbaum fest. Sie ist im LAVES in Niedersachsen zentral für die Tierarzneimittelüberwachung zuständig.
Kurlbaum plädierte für eine Datenauswertung, die es auch Tierarztpraxen erlaubt, sich untereinander zu vergleichen und „von den Besten zu lernen“. Das sollte aber nicht von den Behörden angestoßen werden, sondern aus der Branche selber kommen, sagte sie auf einem vom NRW Landwirtschaftsministerium initiierten Workshop „Nutztierhaltung, Antibiotikaeinsatz, Verbrauchergesundheit“ in Bonn.

DART 2020 fordert „Rückkopplungssystem für Tierärzte“

Einen „Tierärztevergleich“ fordert auch die Politik. In der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie „DART 2020“ aus dem Jahr 2015 heißt es dazu ganz konkret:

“Erarbeitung von Eckpunkten für ein Rückkopplungssystem für Tierärzte, mit dem Tierärzte ihren Antibiotikaeinsatz untereinander vergleichen können.”

Speziell die Grünen halten dieses Thema seitdem auf der Tagesordnung. Allerdings eher mit dem Unterton, durch einen „Cross-Check“ Fehleingaben aufzudecken. So traten auf der Agrarministerkonferenz der Bundesländer im Oktober 2015 in einer Protokollnotiz zehn Länder – also eine Mehrheit – dafür ein, „auch für Tierärzte eine eigene Meldepflicht an die Antibiotikadatenbank einzuführen“.
Im Bundestag antwortete die Bundesregierung im Juni 2016 auf eine entsprechende Grünen-Anfrage, wie weit die Entwicklung der in der DART 2020 geforderten Eckpunkte gediehen sei: „Die Ausgestaltung eines entsprechenden Rückkopplungssystems werden vom Bundeslandwirtschaftsministeriums derzeit intern geprüft.“

QS-System: Daten liegen vor

Auch das privatwirtschaftliche QS-Antibiotikamonitoring hat einen solchen „Tierarztvergleich“ in Vorbereitung. Die entsprechenden Datenauswertungen sind programmiert. Für QS sei es nur konsequent, den Tierärzten anonymisiert auch Daten zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die Verordnungen der eigenen Praxis im Vergleich mit anderen einordnen könnten. QS nutzt seinen Datenpool bereits auch für einen „Reserveantibiotika-Index“. Damit können die Tierhalter  – und auch die Tierarztpraxen – sehen, wie viele der „kritischen Antibiotika“ sie im Vergleich einsetzen.
Solche Auswertungen sind im staatlichen Anibiotikamonitoringssystem bisher nicht erlaubt.

Vorbild: Tierarztvergleich in Holland

Vorbild für ein Tierarztbenchmarking sind die Niederländer. Seit 2014 gibt es dort mit dem Veterinary Benchmark Index (VBI) ein Tierarzt-Vergleichssystem – auf privater Basis und von Tierärzten mitgestaltet. Verantwortlich ist die unabhängige, nichtstaatliche Netherlands Veterinary Medicines Authority (SDa). Da die Bundesregierung mit Dänemark und Holland eine enge Zusammenarbeit unter anderem bei der Antibiotikaminimierung vereinbart hat, liegt es nahe, dass man hier auch vergleichbare „Mess-Systeme“ etablieren will.

Die niederländische Idee, auch die Tierärzte zu klassifizieren, hatte damals den gleichen Hintergrund wie heute in Deutschland: Der Antibiotikaverbrauch konnte zwar insgesamt sehr deutlich gesenkt werden (um über 50 Prozent bezogen auf den Verbrauch in Tonnen von 2009 bis 2012). Die Reduzierung gelang aber nicht in allen landwirtschaftlichen Betrieben gleichermassen. Die Annahme: Wenn ein Tierarzt über einen längeren Zeitraum mehr als 30 Prozent „rote“ Problembetriebe in seinem Kundenstamm hat, könnte das auch an seinem Antibiotika-Verordnungsverhalten und seiner Beratung liegen. Entsprechend fällt dann der Tierarzt ebenfalls in die „rote“ Kategorie und muss sich verbessern.

Wie das niederländische System genau funktioniert hat wir-sind-tierarzt hier berichtet.

wir-sind-tierarzt.de meint:

(jh) – Ein Tierarztbenchmarking ist nicht per se schlecht. Wenn man vorhandene Daten so aufbereitet, dass der Antibiotikaeinsatz von Tierarztpraxen wirklich fair gegenübergestellt wird und dies sich so vergleichen und voneinander lernen können, spricht wenig dagegen – solange der bürokratische Aufwand in Grenzen bleibt. Im QS-System sind die notwendigen Datenerfassungen bereits angelegt.
Dagegen ist die Grüne „Cross-Check“-Idee, die den Nutztierhaltern – und Tierärzten – Fehleingaben in die Antibiotikadatenbanken unterstellt und diese durch „Tierarztkontrollen“ aufdecken will, wenig konstruktiv.

Dass ein solches Tierarztmonitoring kommen wird ist sicher. Die DART 2020 verlangt es. Damit ist auch ein Zieljahr genannt: 2020.

Für die Berufspolitik bedeutet das: Frühzeitig daran mitwirken und es so gestalten, dass es ein echtes Verbesserungstool mit positiver Zielrichtung wird.
Zur Zeit entwickelt sich das staatliche Antibiotikamonitoring nämlich eher zu einem „Negativ-Bewertungs-Instrument“: Gesellschaftlich und politisch werden nicht die beachtlichen Erfolge anerkannt, sondern alle fokussieren immer nur auf die 25 Prozent „schlechten“ Betriebe. Diese Zahl sinkt für unbedarfte Beobachter nicht, weil per Gesetz eben immer 25 Prozent so klassifiziert werden müssen. Das demotiviert alle Beteiligten. Ein fataler Effekt.

Quellen: Alle Quellen im Artikel verlinkt

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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