AOK-Studie „Studentenstress“: Trauriger Platz 1 für Tiermediziner

AOK-Studie: Stress bei StudentenStudenten der Veterinärmedizin haben die höchsten Stressbelastung. Ein trauriger Platz 1. (Foto: © 2016 WiSiTiA/hh)

Die Tiermedizin gehört zu den anspruchsvollsten Studiengängen. Jetzt bescheinigt ihr eine AOK-Untersuchung noch eine weitere „Spitzenposition“: Studenten der Veterinärmedizin sind diejenigen mit der höchsten Stressbelastung. Ein trauriger Platz 1.

(jh/AOK) – Weibliche Studierende leiden mehr unter den Anforderungen eines Studiums als ihre männlichen Kommilitonen; an staatlichen Universitäten ist man gestresster als an privaten Hochschulen, sagt die AOK-Untersuchung. Beides trifft auf die Tiermedizin besonders zu: Über 85 Prozent der Studierenden sind inzwischen weiblich und in Deutschland bieten nur fünf staatliche Hochschulen den Studiengang Veterinärmedizin an. Auf die etwas über 1.000 Plätze gab es in diesem Jahr 4.400 Bewerber, der Numerus-Clausus liegt je nach Bundesland zwischen 1,0 und 1,4 – der Erwartungsdruck auf die, die einen Studienplatz ergattern konnten, ist entsprechend hoch.
Tiermed-Studenten empfinden dann auch zu 62,4 Prozent ein hohes und zu 36 Prozent ein mittleres Stresslevel. Nur 1,7 Prozent sagen, sie seien wenig gestresst. Das ist der klare Spitzenplatz im Stressranking der AOK.

Hoher Leistungsdruck

„Vor allem der Stress, der durch Zeit- und Leistungsdruck sowie die Angst vor Überforderung entsteht, macht Studierenden das Leben schwer,“ erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Uta Herbst von der Universität Potsdam die wichtigsten Stressauslöser. Im Durchschnitt gaben 53 Prozent der rund 18.000 insgesamt befragten Studenten ein hohes Stresslevel an. Das ist mehr als in anderen Bevölkerungsgruppen, denn eine vergleichbare Studie aus dem  Jahr 2015 habe gezeigt: Der Anteil der in der Arbeitswelt Beschäftigten mit hohem Stresslevel liegt bei etwa 50 Prozent – also knapp darunter.

Trauriger Platz 1: Veterinärmedizinstudenten haben den höchsten Stresslevel. (Grafik: ©AOK)

Trauriger Platz 1: Veterinärmedizinstudenten haben den höchsten Stresslevel. (Grafik: ©AOK)

Stressfaktor für Vets: Wenig außeruniversitäre Aktivitäten

Der größte Stressfaktor für Studierende ist die zeitliche Vereinbarkeit von Studium und anderen Aktivitäten. Frauen sind dabei in der Organisation ihres studentischen Lebens durchweg gestresster als Männer – mit Ausnahme der „Fahrtwege“. Am stressigsten ist die Balance zwischen zeitlicher Vereinbarkeit von Studium und anderen Aktivitäten für Veterinärmedizinstudierende. Auch die Wohnungssuche stresst die Tiermed-Studenten signifikant stärker als etwa die Studierenden der Ingenieurswissenschaften. Die meisten Geldsorgen haben dagegen die Kunstwissenschaftler.

„An erster Stelle ist es der hochschulbezogene Stress, der Studierenden zu schaffen macht“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Markus Voeth. „Dazu zählen neben Vorbereitungszeiten auf Prüfungen und dem Anfertigen der Abschlussarbeit die allgemeine Arbeitsbelastung durch das Studium sowie der Stoffumfang in Lehrveranstaltungen. Viele Studierende plagen sich auch mit zu hohen Erwartungen an sich selbst.“
Weniger ins Gewicht fallen dagegen die bekannten Stressoren des Alltags wie die Pflege von sozialen Kontakten oder die ständige Erreichbarkeit durch die modernen Medien. Kommt Stress auf, äußert sich dieser am häufigsten durch Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten sowie Lustlosigkeit.

Stressabbau durch Nebenbeschäftigung

Für ein – nicht nur zu Beginn – sehr lernintensives Studium wie das der Veterinärmedizin, klingt der Ratschlag der Wissenschaftler zum Stressabbau etwas überraschend. Eine Nebenbeschäftigung soll helfen, sich vom Hochschulstress zu befreien. Das sagen zumindest die Daten: Studierende, die einer Tätigkeit von bis zu 15 Stunden pro Woche nachgehen, sind sogar weniger gestresst als Studierende, die sich ausschließlich aufs Studium konzentrieren.
Ein Nebenjob – am besten in der Tierarztpraxis –  käme wohl auch den Anforderungen der Praktiker entgegen: Sie beklagen vielfach, dass das Vetmed-Studium zu „verschult“ sei, die Absolventen keine ausreichenden First-Day-Skills hätten.

Zuviel Stress – Hilfe annehmen

Wer es nicht alleine schafft, mit den Belastungen positiv umzugehen, sollte sich Hilfe organisieren, rät der Leiter der Studien- und Psychologischen Beratung der Freien Universität Berlin – übrigens eine der Tiermedizin-Universitäten: „Spätestens wenn sich der Stress negativ auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit auswirkt, ist es höchste Zeit für professionelle Unterstützung,“ sagt Diplom-Psychologe Hans-Werner Rückert. Dazu gebe es zahlreiche, etablierte Angebote. Anlaufstelle sei zuerst auch hier die zentrale Studienberatung.
Aber nur 54 Prozent der Studierenden geben an, Kenntnisse über Workshops und Seminare zum Umgang mit Stress zu haben. Einzelberatungen und vor allem Aktionstage sind dagegen deutlich weniger bekannt. Hier gebe es offensichtlich Informationsnachholbedarf. „Work-Life-Balance“ ist scheinbar auch ein Thema für Studenten, schlußfolgert die AOK.

Quellen:
Webseite der AOK-Untersuchung zum „Studierendenstress“
Download des Projektberichtes (PDF)

Beitragsbild: © 2016 WiSiTiA/hh

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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