Patente auf Tiere und Pflanzen sind heftig umstritten. Der zweite Bericht der Bundesregierung zu „Biopatenten“ zählt für 2015 EU-weit insgesamt 244 für die Landwirtschaft relevante Patente. Dabei haben sich die Patente auf Nutztierzüchtungen von 2014 auf 2015 verfünffacht: von 6 auf 30.
(jh) – Die Bundesregierung sieht insgesamt für den bisher erfassten Zeitraum 2013 bis 2015 „keine bemerkenswerte Entwicklungen“ auf dem Feld der Biopatente, denn die Patentanmeldungen in diesem Bereich machten nur einen sehr kleinen Teil der insgesamt jährlich rund 15.000 erteilten Patente aus. Konkret wurden 2015 mit 244 Patenten 54 „Biopatente“ mehr erteilt als im Vorjahr (190). Der Anstieg entfiel zur Hälfte auf den Nutztierbereich.
Bundesregierung: Patente auf Züchtung ausschliessen
Bei Patenten, die nicht das Ergebnis von Gentechnik, sondern von Züchtungen sind, erkennt aber auch die Bundesregierung politischen Handlungsbedarf: Auch „gezüchtete Tiere und Pflanzen“ können nämlich nach einer Grundsatzentscheidungen der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes vom 25. März 2015 Patentschutz erhalten, weil die EU-Gesetzgebung – anders als in Deutschland – dies nicht eindeutig regelt.
Auf europäischer Ebene will Deutschland deshalb eine Klarstellung erreichen: Patente auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“, also Züchtungen, sollen auch künftig ausgeschlossen sein. Geklärt ist das aber noch nicht, da Experten darüber streiten, was genau „im Wesentlichen biologische Verfahren“ überhaupt sind und wie sie zu „technischen Verfahren“ abgegrenzt werden können.
Deutlich mehr Patente auf Tierzüchtungen
Im Detail nennt der zweite Biopatentbericht der Bundesregierung – der die beim Deutschen
Patent- und Markenamt (DPMA) und beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldeten und erteilte Patente erfasst – für den Nutztierbereich folgende Zahlen*:
- Im Bereich der Nutztiere wurden im Jahr 2015 insgesamt 94 Patente erteilt (2014: 71). Angemeldet worden waren 159 (2014: 126). Der größte Anteil bezog sich auf veterinärmedizinische Anwendungen wie Nachweisverfahren für Krankheitserreger oder die Entwicklung von Impfstoffen.
- Aber die Zahl der erteilten Patente auf Tierzüchtungen liegt inzwischen auf Platz 2 und hat sich verfünffacht: Von sechs in 2014 auf 30 im Jahr 2015.
- Bei den Anmeldungen stieg hier die Zahl von 16 (2014) auf 41 (2015).
- Insgesamt basierten im Nutztierbereich nur etwa die Hälfte der Patente und Patentanmeldungen auf gentechnisch veränderten Organismen.
- Für „beobachtungswürdig“ hält die Bundesregierung im Bereich Nutztiere zwölf der insgesamt 126 im Jahr 2014 angemeldeten, aber keines der erteilten Patente; 2015 sind es ein erteiltes und sieben angemeldete Patente. Beobachtungswürdig ist ein Patent/eine Patentanmeldung, wenn die Möglichkeit eines Patentierungsverbots nach deutschem Patentgesetz – nicht nach EU-Recht(!) – besteht (Hintergrund sie unten).
- Der Bericht der Bundesregierung sagt nicht, ob die „beobachtungswürdigen“ Fälle im Bereich der Tierzucht oder bei anderen Patenten aus dem Nutztierbereich liegen.
Nutzpflanzen: Zu 90 Prozent gentechnische Veränderungen patentiert
Bei den Nutzpflanzen dagegen betrafen knapp 90 Prozent der Patente und 80 Prozent der Anmeldungen die Herstellung und Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen. Konkret wurden vom Europäischen Patentamt (EPA) 2015 insgesamt 160 Patente erteilt (2014: 142). Angemeldet waren 233 (2014: 289).
Die Zahl der beobachtungswürdigen, weil „verbotsfähigen“ Patente/Patentanmeldungen liegt im Nutzpflanzenbereich mit 81/88/96 (2015/2014/2103) absolut deutlich höher – geht aber langsam zurück.
Was ist patentierbar und was nicht?
- Grundsätzlich sind Erfindungen patentierbar, die sich auf „biologisches Material“ beziehen. Dabei ist auch die Patentierung von Pflanzen oder Tieren mit durch gentechnische Verfahren veränderten Eigenschaften zulässig.
- Nicht patentierbar sind dagegen unter anderem Pflanzensorten und Tierrassen sowie im „Wesentlichen biologische Verfahren“ zur Züchtung und die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen Pflanzen und Tiere. Das hat der Deutsche Bundestag in 2013 mit der Änderung des Patentgesetzes (§2a) beschlossen.
Streitpunkt ist jetzt die unterschiedliche Auslegung der „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ und deren Abgrenzung zu patentierbaren technischen Verfahren. Die EU-Biopatentrichtlinie ist nicht so eindeutig, wie das deutsche Gesetz.
Die zuständige EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska beabsichtigt im 4. Quartal 2016 eine „clarifying notice“ zu veröffentlichen, die die Intention des europäischen Gesetzgebers im Hinblick auf die Patentierbarkeit von Produkten im Wesentlichen biologischer Züchtungsverfahren erläutert. Die Biopatentrichtlinie selbst soll aber – so sieht es die Mehrheit der EU-Staaten – nicht geändert werden. Deutschland will erreichen, dass dieses „Verständnis der Biopatent-Richtlinie“ in dem Sinne des strengen deutschen Patentgesetzes formuliert wird.
Monitoring soll Risiken erkennen
Der Bundestag hatte 2012 ein „staatliches Biopatent-Monitoring“ beschlossen. Das soll einen regelmäßigen Überblick ermöglichen. Die Einstufung der Patente/Patentanmeldungen in „beobachtungswürdig“ soll mögliche Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie auf die Tier- und Pflanzenzüchtung frühzeitig zu erkennen.