Kotwasser beim Pferd – durch Stress und Management?

kotwasserVor allem bei Schimmeln unansehnlich: Kotwasser. (Foto: WiSiTA/hh)

Der getrennte Absatz von Pferdeäpfeln und größeren Mengen schwarz gefärbten Wassers ist für Pferdebesitzer vor allem ein kosmetisches Problem. Das sogenannte „Kotwasser“ kann jedoch Hinweis auf Stress, soziale Stellung des Pferdes oder Managementprobleme sein.

von Henrik Hofmann

Stark verschmutzte Hinterbeine und Schweif sind – vor allem bei Schimmeln – für Pferdebesitzer ärgerlich. „Ich krieg sie überhaupt nicht mehr sauber,“ klagt eine Reiterin, „kaum habe ich sie gewaschen, macht sie sich schon wieder voll!“ Ihr Pferd setzt mehr oder weniger kontrolliert nacheinander kleine trockene Äpfel und schwarzes Kotwasser in Mengen zwischen einem viertel und eineinhalb Litern ab. „Manchmal spritzt es regelrecht!“ Die am Fecal Water Syndrom (FWS) erkrankten Tiere setzen nicht nur Kot ab. Zusätzlich läuft ihnen Flüssigkeit, sogenanntes Kotwasser, aus dem After.

Stress als Auslöser

Stress scheint, so das Ergebnis einer aktuellen Feldstudie aus Deutschland, als Auslöser eine große Rolle zu spielen. Das berichtet der aid-informationsdienst. Lange galten vor allem ein hoher Parasitendruck, die Fütterung von Heulage, Sand im Verdauungskanal oder Zahnprobleme als mögliche Ursache für Kotwasser. Wissenschaftler der Ludwig-Maximilian-Universität in München konnten im Rahmen ihrer Untersuchung jedoch keinen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und dem Auftreten von FWS feststellen, berichtet das Journal of Equine Veterinary Science. Vielmehr scheint das Management der Tiere Einfluss auf die Erkrankung zu haben.

Erkrankte Tiere oft rangniedrig

Für die Studie füllten 42 Besitzer von an Kotwasser leidenden Pferden einen Fragebogen über ihr Tier aus. Mit 37 Eigentümern von klinisch gesund wirkenden Stallgefährten führten die Wissenschaftler Befragungen durch. Von allen Pferden wurden Kot- und Blutproben genommen und analysiert. 37 der „FWS-Pferde“ waren in Gruppenhaltung untergebracht. Eine überraschend hohe Anzahl der Eigentümer stufte ihre Vierbeiner eher im unteren Bereich des Sozialgefüges innerhalb der Herde ein. 40 Prozent der an Kotwasser leidenden Pferde rangierten demnach an der letzten oder vorletzten Position in der Hierarchie – im Vergleich zu vier Prozent nicht erkrankter Tiere der Vergleichsgruppe.

Zwischen der Versuchsgruppe und ihren Stallgefährten aus der Kontrollgruppe gab es hinsichtlich der parasitologischen und der Serum-Untersuchung keine signifikanten Unterschiede. Auch bei der Fütterung der Pferde konnten die Wissenschaftler keine Prädisposition für Kotwasser identifizieren. Allerdings verteidigten 62 Prozent der betroffenen Tiere ihr Futter nicht gegenüber anderen Artgenossen, während darauf in der Kontrollgruppe nur 27 Prozent der Pferde verzichteten. Weiterhin waren Wallache und gescheckte Tiere mit Kotwasser überrepräsentativ stark vertreten.

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Vor allem bei Schimmeln unansehnlich: Kotwasser. (Foto: WiSiTA/hh)

Symptomatische Behandlung

Kann die Ursache nicht eruiert oder abgestellt werden, hat sich als symptomatische Maßnahme die Verabreichung von Flohsamen (auch als Plantago psyllum, Flohkraut oder Sandwegerich bezeichnet) oder Indischem Flohsamen (Plantaginis ovatae) bewährt. In der Epidermis der Samenschale befinden sich 10 bis 20 Prozent unverdauliche Schleimstoffe, die auf die Darmperistaltik regulierend wirken und dadurch sowohl Durchfall als auch Verstopfung positiv beeinflussen.
Am wirksamsten ist dementsprechend die Verabreichung der Schalen. Die Flohsamen können ungehindert bis in den Dickdarm gelangen. Dort werden in die Zuckerbestandteile der Epidermiszellen große Mengen Wasser eingelagert, wodurch das Volumen der Flohsamen um bis zu 15 Prozent zunimmt.

Volumenzunahme erhöht Füllungsdruck

Durch die Volumenzunahme entsteht ein erhöhter Füllungsdruck, der zum Dehnungsreflex in der Darmwand führt, was wiederum die Darmperistaltik anregt und so eine abführende Wirkung bedingt. Bei entzündlichen Darmerkrankungen werden durch die Schleimstoffe zudem Giftstoffe, die von Bakterien produziert werden, gebunden.
Weitere Eigenschaften der Pflanzensamen sind Konsistenzsteigerung des Kotes bei Durchfallerkrankungen (Wasserbindungskapazität), und Senkung von Lipid- und Glucosespiegel im Blut durch Bindung von Gallensäuren, Cholesterin und teilweise auch von Zuckern.

Dosierung von Flohsamen

Zur Behandlung gibt man 20 bis 30 Gramm Flohsamen pro 100 Kilogramm Körpergewicht gelöst in ausreichend Wasser (50 Gramm auf 1,5 Liter) oral ein. Die Wirkung tritt nach 12 bis 24 Stunden ein, der maximale Effekt wird erst nach einer Einnahme von zwei bis drei Tagen erreicht. Obwohl die Eingabe von Flohsamenschalen oder zerkleinertem Flohsamen am wirkungsvollsten ist, sollte bedacht werden, dass die in der Pflanze enthaltenen Öle innerhalb von Stunden ranzig werden können! Also immer nur frisch verwenden!

Lässt sich die Ursache für den übermäßigen Absatz von Kotwasser nicht eindeutig abklären oder ist die Futterumstellung problematisch, bleibt der Einsatz von Flohsamen zur Vorbeugung.

 

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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