Antibiotika in der Nutztierpraxis sind ein Dauerthema. Dabei sinkt der Einsatz deutlich. Ein Grund: Sicherheitsbehandlungen fallen weg – ein Aspekt, den man auch im Ausland kennt. Ein Fallbeispiel aus einem englischen Milchkuhbestand.
(aw) – Antibiotika-„Vielverbraucher“ sind nicht zwangsläufig schlecht geführte Betriebe, die mangelhafte Haltungsbedingungen durch den Einsatz von Medikamenten kompensieren. Häufig sind es sogar sehr gute Bestände, nur halten deren Besitzer schon bei minimalen Krankheitsanzeichen aus Sicherheitsgründen eine Behandlung ihrer Tiere für notwendig. Das zeigte eine QS-Untersuchung.
Der Rückgang von 401 Tonnen Antibiotika allein im Jahr 2015, hat sicher auch damit zu tun, dass staatliches Antibiotikamonitoring und öffentliche Debatte, zu mehr „Awareness“ bei Landwirten und Tierärzten führen: Behandlungen werden stärker hinterfragt. Doch ab wann muss ein Tier behandelt werden?
Die Angst vor der Mastitis
Am Beispiel von Euterentzündungen hat sich Peter Edmondson, Mastitisspezialist der Shepton Veterinary Group aus Großbritannien, mit dieser Frage beschäftigt. Ein Landwirt hatte seit der Anstellung eines neuen Melkers einen merklichen Anstieg von Euterbehandlungen in seiner Herde registriert. Anfangs verdächtigte der Landwirt den Melker, dass er nicht sorgfältig genug gearbeitet hätte. Doch tatsächlich war das Gegenteil der Fall.
Kollege Edmondson beobachtete den Mann während des Melkens und da er keine offensichtlichen Fehler finden konnte, sprach er im Anschluss die Kriterien an, nach denen der Melker das Vorliegen eine behandlungswürdigen Mastitis beurteilte. Es zeigte sich, dass der Angestellte vorher in einer robotergemolkenen Herde mit massiven E.coli-Problemen und hohen Tierverlusten gearbeitet hatte. Aus Angst vor einem solchen Szenario in der jetzigen Herde, behandelte er bereits alle Kühe mit erhöhten Zellzahlen mit Antibiotika, ohne auf weitere Krankheitsanzeichen zu warten.
Keine Behandlung ohne klinische Symptome
Edmondson betont im Hoards Dairyman: Kühe, die lediglich einen erhöhten Zellgehalt haben, brauchen keine Antibiotikabehandlung. Solange keine klinischen Symptome vorliegen – also Fieber, Schwellung und Schmerzhaftigkeit des Euters sowie sichtbar verändertes Sekret – besteht kein sofortiger Handlungsbedarf. Es reicht aus, eine Milchprobe zu untersuchen und das Ergebnis abzuwarten.
Auch eine Veränderung des Milchsekrets direkt beim Anmelken reicht nicht automatisch als Behandlungsgrund. Bakterien, die zu Euterentzündungen führen, dringen in der Regel durch die Zitze ein. Lokale Reaktionen, also ein verändertes Sekret in der Zitzenzisterne, zeigen lediglich, dass das Immunsystem eindringende Bakterien erkannt und bekämpft hat und sind nicht per se ein pathologischer Befund. Wenn die Milch nach dem üblichen Vormelken wieder unverändert aussieht, handelt es sich um eine normale Abwehrreaktion des Körpers, die keiner weiteren Behandlung bedarf.
Nur Bakteriennachweis rechtfertigt Antibiotika
„Solange kein Bakteriennachweis in der Milchprobe gelingt, ist eine antibiotische Behandlung nicht zu rechtfertigen.“ Ähnlich wie Edmondson hat sich auch Pamela Ruegg (University of Wisconsin, USA) auf dem World Buiatric Congress in Dublin geäußert: Das gelte auch für chronische Veränderungen, wenn das Eutergewebe schon so geschädigt sei, dass keine Ausheilung mehr möglich erscheint.
Euterbehandlungen abwägen
Bei Peter Edmondsons Nachkontrolle des beschriebenen Falls hat sich in dem englischen Milchbetrieb die Anzahl behandelter Mastitiden wieder auf einem deutlich niedrigeren Niveau eingependelt. Der neue Melker reagiert nicht mehr übernervös, sondern wägt Euterbehandlungen sorgfältig ab.
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass in modernen Großbetrieben mit angestellten Arbeitskräften eine gute Kommunikation und Einarbeitung wichtig sind, damit Krankheiten zwar rechtzeitig, aber nicht übereilt behandelt werden.