60 Prozent lahme Rinder in schlechten Betrieben, 10 Prozent in guten und im Durchschnitt immer noch 25 Prozent Lahmheiten. Was machen die Guten besser und die schlechten falsch?
von Annegret Wagner
„Lahmheiten bei Milchkühen sind weltweit ein Problem“ – so leitete Nigel Cook von der University of Wisconsin-Madison, USA, seinen Vortrag auf dem Weltrinderkongress 2016 (WBC) in Dublin ein. Im Durchschnitt leiden 25 Prozent aller Kühe an schmerzhaften Klauenprozessen, wobei in guten Herden weniger als zehn Prozent und in schlechten Herden rund 60 Prozent der Tiere betroffen sein können. Die drei wichtigsten Krankheiten, die sich in Lahmheiten äußern, sind Mortellaro (digital dermatitis, DD), Sohlengeschwüre (sole ulcer) und Erkrankungen der weißen Linie (white line disease).
Die Gründe für schlechte Klauengesundheit sind hinlänglich bekannt, allen voran zu kurze Liegezeit aufgrund von Überbelegung oder schlechtem Liegekomfort, unhygienische Bedingungen, mangelhafte Fütterung und Verletzungsgefahren durch schlechte Bodenbeschaffenheit.
Auffällig: Gute Betriebe haben keine Spaltenböden
Prof. Cook hat sich in einer Studie angesehen, wie die Betriebe arbeiten, die weniger als zehn Prozent Lahmheiten managen können. Am Auffälligsten: 100 Prozent dieser Ställe waren planbefestigt, arbeiteten also ohne Spalten. Das deckt sich mit der Vermutung, dass Spalten zu Verletzungen an den Klauen führen, durch die dann Keime eindringen und Entzündungen auslösen. Außerdem laufen Kühe generell weniger gern auf Spalten, als auf planbefestigten Böden, wie zahlreiche Versuche gezeigt haben.
Zweiter Faktor: Hitzestress
Ein weiterer wichtiger Faktor, der den wenigsten Landwirten als Lahmheitsursache geläufig sein dürfte, ist Hitzestress. In warmer Umgebung ziehen Kühe es vor zu stehen, um Wärme ableiten zu können. Am liebsten halten sie sich an Stellen mit höherer Luftgeschwindigkeit auf, um sich dort abzukühlen. Dieser Tatsache tragen 96 Prozent der guten Betriebe Rechnung und haben Ventilatoren im Bereich der Liegeboxen angebracht. So können sich die Kühe abkühlen, ohne Stehen zu müssen. Langes Stehen ist nach wie vor einer der Hauptgründe für Lahmheiten.
Eine Liegebox pro Kuh ist dabei eine Grundvoraussetzung für ausreichende Liegezeiten. Tiefboxen mit üppiger Einstreu bieten ein Maximum an Komfort und machen Liegen besonders attraktiv.
Die Auswirkungen von hitzebedingten Lahmheiten zeigen sich erst ein bis zwei Monate nach der Hitzeperiode, in Deutschland üblicher also Weise im September und Oktober.
Kriterium drei: regelmäßige Klauenpflege
An dritter Stelle der effektiven Managementstrategien, die Lahmheiten verringern, steht die regelmäßige Klauenpflege: Ein Mal pro Laktation sollten Klauen angesehen und gegebenenfalls korrigiert werden. Doch Cook warnt: Umgekehrt ist falsche Klauenpflege einer der Hauptgründe für Lahmheiten. Zu den typischen Fehler gehören zu starkes Kürzen der Klauen (Sohle zu dünn), Verletzungen der Lederhaut und Wegschneiden des Tragrands. Landwirte, die massive Lahmheitsprobleme in ihrer Herde haben, sollten nach Cooks Ansicht einen anderen Klauenpfleger hinzuziehen.
Zusatztip: Fressgitter
Doch die Studie birgt noch eine weitere Überraschung: 83 Prozent der Betriebe mit guten Lahmheitswerten arbeiten mit Fressgittern. Da auch die Fütterung bezeihungsweise das Fressverhalten einen Einfluss auf Lahmheiten hat, scheinen sich Fressgitter positiv auf die Klauengesundheit auszuwirken. Der Grund: Es gibt weniger Unruhe beim Fressen – in „modernen“ Ställen fehlen sie dagegen weitgehend aus Kostengründen.
Lahmheiten schnellstmöglich behandeln
Treten Lahmheiten bei Kühen auf, dann müssen diese immer so schnell wie möglich behandelt werden. Besonders wichtig ist dies bei Mortellaro (digital dermatitis, DD), die Cook als „Laufstallkrankheit“ bezeichnet. Mortellaro sei ein typisches Beispiel einer haltungsbedingten Erkrankung, die zu erheblichen Verlusten führen kann, weil sie in der Regel zu spät bemerkt werde.
Mortellaro tritt sehr häufig schon bei Jungrindern auf, doch diese fallen in den meisten Betrieben durch das „Lahmheitsraster“. Wenn bereits typische fransenartigen Veränderungen bestehen, ist eine Therapie selten erfolgreich. Mortellaro muss daher schon in dem Stadium behandelt werden, in dem lediglich eine Hautrötung besteht – also vor dem Auftreten einer Lahmheit. Diese ist gut mit einem antibiotikahaltigen Spray zu therapieren und es besteht die Möglichkeit der kompletten Ausheilung. Aus diesem Grund sind regelmäßige (ein Mal wöchentlich) Klauenkontrollen bei allen Tieren einer Herde nötig.
Fazit: Lahmheiten bei Kühen spiegeln sehr gut die Qualität des Tiermanagements wieder und hohe Anteile an lahmen Kühen sind nicht schicksalsbedingt sondern hausgemacht.