EMA/BVL: Rückruf für Trockensteller Velactis

71 Kühe kamen zum Festliegen und starben nach der Anwendung des Trockenstellers Velactis® – Zulassung soll ruhen. (Foto: © WiSiTiA/aw)71 Kühe kamen zum Festliegen und starben nach der Anwendung des Trockenstellers Velactis® – Zulassung soll ruhen. (Foto: © WiSiTiA/aw)

Tierärzte und Landwirte sollen den Trockensteller Velactis „dringend nicht mehr verwenden“ und stattdessen auf andere Methoden zurückgreifen – das rät die Europäische Arzneimittelagentur. Die Zulassung soll ruhen, alle ausgelieferten Produkte zurückgerufen werden. Bisher gab es im Zusammenhang mit dem Medikament 72 Todesfälle bei Rindern.

Update 20.7.2016: Deutsche Behörden veranlassen sofortigen Rückruf aller Velactis®-Chargen – EMA wird Zulassung ruhen lassen
Analog zum deutschen Vorgehen hat die EMA beim Hersteller CEVA Santé Animale erreicht, den Rückruf auf allen Ebenen europaweit zu organisieren. Allen Tierärzten und Landwirten wird dringend empfohlen, Velactis® ab sofort nicht mehr zu verwenden und stattdessen auf andere Methoden des Trockenstellens zurückzugreifen.
Damit soll in Deutschland und Europa das weitere Auftreten schwerwiegender Nebenwirkungen bei der Behandlung von Milchkühen verhindert werden. (Quelle: BVL-Pressemitteilung vom 20.7.2016)

(jh/PM) – Der wissenschaftliche Ausschuss für Tierarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Veterinary Use) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat – wie erwartet – einstimmig entschieden, der Europäischen Kommission ein Ruhen der Zulassung für Velactis® zu empfehlen. Gleichzeitig wird als Vorsichtsmaßnahme ein Rückruf der bereits ausgelieferten Produkte auf allen Ebenen bis hin zum Anwender empfohlen. Der Grund für die Nebenwirkungen ist weiterhin nicht bekannt, teilt die EMA mit.

Europaweit 72 tote Rinder – 11 in Deutschland

Zwar hat der Zulassungsinhaber CEVA Santé Animale den Vertrieb von Velactis® bereits vorübergehend eingestellt (Bericht siehe hier), aber es wurden weiterhin schwerwiegende Nebenwirkungen gemeldet.Bis Stand 15. Juli 2016 gab es europaweit 198 Nebenwirkungsmeldungen bei 319 Milchkühen. In 135 Fällen kam es bei 208 betroffenen Tieren zum Festliegen nach dem Trockenstellen. 72 dieser Tiere starben oder mussten aufgrund der Schwere der Erkrankung euthanasiert werden. Weitere 14 Tiere verstarben, ohne dass ein Festliegen berichtet wurde.
Die Nebenwirkungsmeldungen stammen aus 12 Mitgliedstaaten, vor allem jedoch aus Dänemark. In Deutschland gab in diesem Zeitraum 26 Meldungen mit 35 betroffenen Tieren. 16 Meldungen beinhalteten das Festliegen von Milchkühen, 11 Tiere sind gestorben.

BVL zum Hintergrund:

Velactis® 1,12 mg/ml Injektionslösung für Rinder mit der Zulassungsnummer EU/2/15/192/001-004 und dem Wirkstoff Cabergolin zum abrupten Trockenstellen von Milchkühen ist ein zentral über die EMA zugelassenes Tierarzneimittel. Der Zulassungsinhaber CEVA Santé Animale hat im Juni 2016 die EMA darüber informiert, dass nach der Anwendung von Velactis schwerwiegende Nebenwirkungen bei Milchkühen zum Teil mit Todesfolge gemeldet wurden.
Hauptsächlich werden in den Meldungen die Symptome: Festliegen, Hypothermie, Hypokalzämie, Funktionsstörungen des Pansens, Diarrhö, periphere Durchblutungsstörungen (kalte Extremitäten), Ataxie und Adipsie aufgeführt. Der genaue kausale Zusammenhang ist zurzeit noch nicht bekannt und wird geprüft.
Überwiegend sprechen die betroffenen Tiere bei Festliegen gut auf eine Behandlung mit Kalzium an. Nach der derzeitigen Datenlage besteht der begründete Verdacht, dass Velactis einen negativen Einfluss auf die Stoffwechsellage der Tiere ausübt.
Der Zulassungsinhaber von Velactis vermutet neben der Anwendung des Produktes zusätzliche Einflussfaktoren durch das Management beim Trockenstellen. Während die Zulassung ruht hat der Zulassungsinhaber die Möglichkeit, weitere Untersuchungen und Daten vorzulegen und nachzuweisen, dass das Produkt unter ggf. anderen Bedingungen und mit neuen Restriktionen sicher angewendet werden kann. Diese neuen Daten werden vom wissenschaftlichen Ausschuss für Tierarzneimittel erneut überprüft. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Einhaltung von bestimmten Managementmaßnahmen zur Verminderung des Risikos sinnvoll ist und ob dadurch ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis hergestellt werden kann.

Tierärzte sollen Nebenwirkungen unbedingt hier weiterhin melden.

Folgende Mitgliedstaaten haben die Anwendung von Velactis® bereits vorübergehend verbotenDänemark und die Niederlande.

Quellen:
Pressemitteilung der EMA
Meldung des BVL

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