Alte Katzen: Höhere Laborwerte – dennoch gesund

KatzeAbgemagerte, chronisch kranke Katze (Foto: © WiSiTiA/hh)

Ausgewogene Ernährung und gute medizinische Versorgung sorgen dafür, dass Katzen immer älter werden. Was ein früher Gesundheits-Check dennoch bringt, welche Laborwerte als Referenz für „Senioren“ gelten und wie man Nierenversagen vorbeugt – Teil 2 unser Serie über alte Katzen. 

von Annegret Wagner

Altern ist kein pathologischer Prozess, sondern hängt mit der natürlichen Lebensdauer von Zellen zusammen, beginnt also direkt im Anschluss an die Geburt. Solange das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität einer Katze nicht negativ beeinflusst werden, handelt es sich um ein „gesundes“ Altern.

Für Tierärzte unbedingt empfehlenswert: Der Originalartikel über den Alterungsprozess von Katzen im Journal of Feline Medicine and Surgery (Webseite) oder hier als PDF-Download (beides ein Englisch). Er enthält noch weit mehr Informationen als unsere Zusammenfassung.

Lesen Sie auch Teil 1 des Artikels: „Biologie des Alterns“

Gesundheits-Check ist Alters-Check

alter Kater

Alter Kater – von Kämpfen gezeichnet, aber ansonsten „altersgerecht“ gesund. (Foto:©WiSiTiA/aw)

Die Autoren schlagen vor, ab dem siebten Lebensjahr einer Katze regelmäßige Gesundheitskontrollen durchzuführen. Schon die Adspektion im Zusammenhang mit dem Vorbericht gibt wertvolle Hinweise: Schlechter Fellzustand, Gewichtsabnahme, Muskelschwund und mangelnde Gelenkstabilität deuten auf glykämische Inbalancen hin, während schlechtes Fell, Gewichtsabnahme, Muskelschwund in Kombination mit Tachykardie und Aufgeregtheit Anzeichen für eine Hyperthyreose sein können.
Bei der palpatorischen Untersuchung alter Katzen muss unbedingt an die Schilddrüse gedacht werden, denn neben der Niere ist sie besonders häufig für „Alterskrankheiten“ verantwortlich. Sobald sie vergrößert oder asymmetrisch erscheint, sollte eine weitergehende Untersuchung erfolgen.
Eine Blutuntersuchung zur Kontrolle von Leber- und Nierenfunktion sowie die Bestimmung von Thyroxin halten die Ärzte selbst bei augenscheinlich gesunden älteren Katzen einmal pro Jahr für sinnvoll, denn erkennbare Trends bei den Parametern können einen Hinweis auf Krankheiten geben, selbst wenn die Werte noch im Normalbereich liegen.

Labor: Referenzwerte bei alten Tieren höher

Die größte Sammlung an Laborwerten älterer, gesunder Katzen in den USA hat die Iams Health Company zusammengetragen. Alles deutet darauf hin, dass die Referenzwerte vieler Parameter für ältere Tiere (ab sieben Jahren) angehoben werden müssen und ab etwa elf Jahren eine zweite Anpassung notwendig wird. Natürlich ist die Beurteilung der Blutergebnisse immer nur in Kombination mit einer klinischen Untersuchung sinnvoll, um nicht doch Krankheiten im Anfangsstadium zu übersehen.

Laborwerte für alte Katzen

Laborwerte für alte Katzen – © Jan Bellows et al. Journal of Feline Medicine and Surgery 2016;18:551-570

Altersdemenz auch bei Katzen

Alterungsprozesse betreffen bei Katzen – genau wie bei Menschen – häufig den kognitiven Bereich. In einer Umfrage des Veterinary Information Network (VIN) unter Katzenbesitzern mit Tieren zwischen zwölf und 22 Jahren, …

  • … gaben 66 Prozent der Teilnehmer an, dass ihre Katzen deutlich häufiger „reden“ als in jungen Jahren. 31 Prozent davon gerne nachts, wenn ihre Besitzer lieber schlafen würden.
  • … erklärten 27 Prozent der Besitzer , dass ihre Katzen im Alter die Katzentoilette kaum oder nicht mehr benutzen und das Markieren ihres „Reviers“ wieder angefangen haben. In den USA scheint dieses Verunreinigen der Wohnung durch alte Katzen ein vernünftiger Euthanasie-Grund zu sein, es handelt sich also nicht um eine „Marotte“, die die Besitzer immer klaglos dulden.
  • … erscheinen für 27 Prozent der Besitzer alter Katzen  ihre Tiere desorientiert;
  • … beschreiben 19 Prozent  zielloses Umherwandern und 18 Prozent allgemeine Unruhe als Alterserscheinung.
  • Im Gegensatz zu Hunden wird eine erhöhte Anhänglichkeit nur von drei Prozent der Besitzer beschrieben.

Im Rahmen der Routineuntersuchung sollte der Tierarzt den Besitzer auch über Verhaltensänderungen seiner Katze befragen und ob diese langsam oder abrupt aufgetreten sind. Vermehrte Unruhe oder auffällige Lethargie können nämlich nicht nur durch unspezifische Alterung verursacht werden, sondern ebenso durch einen Hyper- (= Unruhe) beziehungsweise Hypothyreoidimus(= Lethargie).

Schmerzhafte Gelenkentzündungen

Eine häufige und durchaus schmerzhafte Veränderung im Alter ist die degenerative Gelenkentzündung (degenerative joint disease, DJD) – die klinische Untersuchung muss daher unbedingt eine Prüfung der Gelenke und deren Beweglichkeit einschließen. Schwellungen, Flüssigkeitsansammlungen, Schmerzen beim Beugen oder sogar Krepitation sind deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung.

Gewichtsprobleme schädigen auch Gelenke und belasten generell die Gesundheit.

Gewichtsprobleme schädigen auch Gelenke und belasten generell die Gesundheit. (© WSAVA)

Die Auskultation des Herzens bei alten Katzen ist ebenfalls mit einigen Besonderheiten verbunden. Bei 60 Prozent aller Katzen über neun Jahre lässt sich ein Herzgeräusch feststellen, das in den seltensten Fällen pathologisch ist. Wichtig ist eine regelmäßige Herzfrequenz ohne Aussetzer oder „Hüpfer“, die unter Untersuchungsbedingungen bei 140 bis 240 Schlägen pro Minute liegen darf.
Wenn kein Jugularpuls zu fühlen ist, der Puls an der A. Femoralis regelmäßig erscheint, die Schleimhäute nicht auffällig blass sind und laut Vorbericht der Appetit der Katze nicht beeinträchtigt ist, dann ist eine weitergehende Untersuchung am Herz (Röntgen, Ultraschall) nicht nötig.

Nierenprobleme sind alterstypisch

Besonderes Augenmerk bei jeder Untersuchung ist auf den Harnapparat zu legen. Fast alle Katzen über 12 Jahren leiden früher oder später an einem chronisches Nierenversagen. Studien haben ergeben, dass es durchaus Frühwarnsysteme gibt, selbst wenn Laborwerte noch keine Veränderungen anzeigen. Ein signifikanter, abrupter Gewichtsverlust oder eine magere Körperkondition sind solche Warnzeichen. In einer neuen Studie verloren Katzen mit späterem Nierenversagen innerhalb kurzer Zeit durchschnittlich 10,8 Prozent ihres Körpergewichts, bei gesunden alten Katzen waren es im gleichen Zeitraum lediglich 2,1 Prozent.
Parodontose, unspezifische Herzerkrankungen, erhöhter Blutdruck und vorausgegangene Anästhesien kommen ebenfalls häufiger bei Katzen vor, die ein chronisches Nierenversagen entwickeln. Neben diesen, eher allgemeinen Symptomen, leiden Katzen im Vorfeld eines chronischen Nierenversagens häufiger an Blasenentzündung, Pollakisurie (häufiger Harnabsatz) und Dysurie (erschwerter und eventuell schmerzhafter Harnabsatz) als Katzen, die nicht an Nierenversagen erkranken.

Tierärzte sollten im Umgang mit alten Katzen daher einige Dinge beachten, um die Gefahr eines Nierenversagens zu minimieren. Nephrotoxische Medikamente wie Aminoglykoside sollten bei alten Katzen nicht angewendet werden. Ebenso muss sorgfältig abgewogen werden, ob eine Behandlung mit NSAIDs (nicht-steoridale Antiphlogistika) notwendig ist. Renaler Hochdruck während Anästhesien ist unbedingt zu vermeiden, ebenso eine Dehydratation. Wird bei einer alten Katze Bluthochdruck oder eine Proteinurie festgestellt, sind diese Erkrankungen unmittelbar zu behandeln um das Risiko eines Nierenversagens zu senken.

Genau wie bei Menschen können regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei Katzen wertvolle Hinweise auf Gesundheitsbeeinträchtigungen liefern, bevor sich eine Krankheit manifestiert. Durch entsprechende Maßnahmen lässt sich häufig das Fortschreiten einer Erkrankung verlangsamen und dadurch der Alterungsprozess abmildern.

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Quelle:
Evaluating Aging in Cats – Journal of Feline Medicine and Surgery
Tabelle und Abbildungen aus dem Artikel

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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