Der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung sinkt seit Jahren stetig. Das belegen Zahlen aus allen drei „Erfassungssystemen“. Bei Schweinen und Geflügel ist von 2014 auf 2015 auch der Einsatz sogenannter „Reserveantibiotika“ insgesamt um knapp 14 Prozent gesunken. Das Verordnungsverhalten der Tierärzte verändert sich (Artikel enthält vier Übersichtstabellen).
(jh/QS) – Der Antibiotikaeinsatz bei Tieren wird in Deutschland mit drei Systemen überwacht – deren Zahlen aber nicht direkt vergleichbar sind:
- Für die sogenannten „DIMDI-Zahlen“ meldet die pharmazeutische Industrie die an Tierärzte gelieferten Antibiotikamengen in Tonnen: Von 2011 bis 2014 ist diese Menge von 1.706 um 468 Tonnen (-27,4 %) auf 1.238 Tonnen gesunken. Die DIMDI-Daten erfassen dabei Antibiotika für alle Tiere, also auch Haustiere, Pferde oder Milchkühe (mehr Informationen hier – aktuellste Daten aus 2014 – Tabelle am Textende).
- Das im Arzneimittelgesetz verankerte staatliche Antibiotikamonitoring erhebt seit 2014 halbjährlich einen sogenannten „Therapiehäufigkeitsindex“ nur für Masttiere: Diese Kennzahlen haben sich für Schweine seitdem halbiert und bei Geflügel um ein knappes Drittel reduziert (mehr Informationen hier – aktuellste Daten aus dem 2. Halbjahr 2015 – Tabelle am Textende).
- Das privatwirtschaftliche QS-System erfasst bereits seit 2012 den Antibiotikaeinsatz bei seinen Mitgliedsbetrieben und zwar vierteljährlich. Auch hier wird ein „Therapieindex“ berechnet: QS meldet von 2014 auf 2015 einen Rückgang beim Antibiotikaeinsatz von 21,5 Prozent.
Ausweichen auf „Reserveantibiotika“?
Der Vorwurf an die Tiermedizin lautet nun: Sie wechsele auf sogenannte „harte Antibiotika“ und setze vermehrt die für Menschen wichtigen sogenannten „Reserveantibiotika“ ein. Gemeint sind damit modernere Wirkstoffe, insbesondere Fluorchinolone und Cephalosporine der 3./4. Generation, die – was die Menge angeht – geringer dosiert werden und so zum Beispiel mit weniger „Tonnen“ in die DIMDI-Berechnung eingehen.
In der Tat gab es von 2011 bis 2014 bei den Liefermengen von Fluorchinolonen einen Anstieg von 8,2 auf 12,3 Tonnen (+ 4 Tonnen bei einer Gesamtmenge von 1.200 t / siehe DIMDI-Tabelle unten), was zu politischen Vorwürfen führte, wie: „Tiermedizin setzt 50% mehr Reserveantibiotika ein“. Diesen Anstieg sehen auch Tierärzte kritisch. Tierarztverbände forderten deshalb einen sorgfältigen Umgang mit diesen Wirkstoffen.
Rückgang bei „kritischen Wirkstoffen“
Jetzt meldet QS bei den „kritischen Wirkstoffgruppen“ wieder einen Mengenrückgang bei Geflügel und Schweinen: Innerhalb des QS-Systems – das 95 Prozent aller Schweine haltenden und 90 Prozent aller Geflügel haltenden Betriebe erfasst – sind die Zahlen 2015 gegenüber 2014 in der Summe um 13,9 % gesunken.
So sind 1,2 Tonnen weniger Fluorchinolone eingesetzt worden. Dafür ist der Anteil der 3./4.-Generation-Cephalosporine leicht gestiegen (+ 0,13 Tonnen). QS hat zur Ermittlung dieser Daten seinen Therapieindex in Tonnen umgerechnet.
Damit zeigen sowohl die DIMDI- als auch die QS-Zahlen, dass in der Tiermedizin der „Reserveantibiotika“-Anteil am Gesamtverordnungsvolumen bei unter 1,3 Prozent liegt. In der Humanmedizin stammen rund 50 Prozent aller verordneten Antibiotika aus dieser Gruppe der „Reserveantibiotika“ – womit der Begriff „Reserve“ dort unangebracht erscheint.
Verändertes Verordnungsverhalten von Tierärzten
Weil die „kritischen Antibiotika“ im Fokus der politischen Auseinandersetzung stehen und deren zurückhaltender Einsatz von Medizinern als für die Resistenzminimierung wichtig angesehen wird, hat QS Ende letzten Jahres einen zusätzlichen Therapieindex für diese Stoffgruppen eingeführt. So können Nutztierhalter sehen, ob sie im Vergleich zu Berufskollegen mehr oder weniger dieser Medikamente einsetzen. Tierhalter die häufiger auf Fluorchinolone und Cephalosporine (3./4. Generation) zurückgreifen, werden aufgefordert, gemeinsam mit dem Tierarzt zu prüfen, ob alternative Präparate eingesetzt werden können.
Mit diesem „Reserveantibiotika-Index“ lassen sich laut QS auch Rückschlüsse über Änderungen im Verschreibungsverhalten der Tierärzte ziehen: So sei beispielsweise zu erkennen, dass in zahlreichen Betrieben sogenannte One-Shot-Präparate (die bei einmaliger Gabe eine längere antibiotische Wirkdauer haben) und kritische Antibiotika eingesetzt werden. Die Menge dieser Produkte sei allerdings rückläufig, weshalb QS davon ausgeht, dass mit diesen Präparaten bevorzugt Einzeltiere behandelt werden, während die Behandlung ganzer Tiergruppen zurückgeht.
Rückgang des Antibiotikaeinsatzes – Tabellen in der Gegenüberstellung
DIMDI-Zahlen in Tonnen
AMG-Zahlen (Therapiehäufigkeitsindex)
Gegenüberstellung von QS- und AMG-Zahlen (Therapiehäufigkeit)
Quellen:
QS-Antibiotikadatenvergleich 2014 – 2015 (QS – 9.5.2016)
Antibiotika-Therapiehäufigkeit nach Arzneimittelgesetz (BVL 3/2016 für 2. Hj. 2015)
Antibiotikaeinsatz nach Mengen/Tonnen (DIMDI-Zahlen – BVL 7/2015 für 2014)
Gegenüberstellung Kennzahlen QS und staatl. Monitoring (QS 4/2016 für 2015)
(Zahlen im Artikel überarbeitet: 9.5.2016)