In Deutschland ein totales no-go, in den USA Routine: Declawing, das Ziehen der Krallen bei Katzen. New York will das nun verbieten. Zu den Befürwortern gehören aber auch Tierärzte.
(aw/hh) – Der Begriff Krallenziehen oder Krallenentfernen suggeriert einen relativ harmlosen Eingriff bei Katzen und Hunden. Doch tatsächlich ist es eine Amputation, da nicht nur die Kralle, sondern auch die Phalanx distalis des Os Metacarpale entfernt wird. Im Klartext: An allen Knochen einer Pfote werden zeitgleich Haut, Sehnen, Nerven und Knochen verletzt. Bei einem Menschen entspräche dies dem Abschneiden des jeweils letzten Fingergliedes.
Amputation zum Schutz der Möbel?
Die Begründung für das „Declawing“: Es soll verhindern, dass Menschen verletzt oder Möbel zerkratzt werden. Tiere liessen sich so besser im Haus halten – das erspare ihnen die Abschiebung ins Tierheim oder gar die Einschläferung. In Deutschland und anderen Ländern ist das Krallenentfernen verboten (siehe unten). In den USA aber weit verbreitet. Nach einigen Städten in Kalifornien plant jetzt auch New York ein Verbot.
Tierärzte pro Krallenentfernung?
Die Katzenkrallen-Debatte wird emotional geführt. Etliche sind der Auffassung, dass es den Staat nichts angehe, was Tierbesitzer mit ihren Tieren machen. Auch Tierärzte sehen in der Amputation ein letztes Mittel: „Niemand von uns liebt diese Prozedur,“ sagt Tierarzt Richard Goldstein von einer New Yorker Tierklinik gegenüber associated press. „Wenn die Alternative aber ist, die Katze zu Tierheim oder Tod zu verurteilen? Deshalb machen wir das.“ Einige Veterinärorganisationen in den US-Staaten und auf Bundesebene sind deshalb gegen ein Verbot von Krallenamputationen. Die Entscheidung darüber sollte Tierhaltern und Tierärzten vorbehalten bleiben und nicht per Gesetz vorgeschrieben werden, sagen sie.
Allerdings hatte bereits 2007 hat die American Association of Feline Practitioners ihre Position geändert und in 2015 noch deutlicher formuliert: Eine Krallenentfernung solle nur als letzte Maßnahme erwogen werden, um Problemkatzen vor dem Tierheim zu retten.
Um wiederum Amerikanern vor allem die Nachteile der Methode vor Augen zu führen, hat die Gegnerin des Amputierens, Dr. Christianne Schelling (Aquata LLC), die Seite www.declawing.com ins Leben gerufen. Die kalifornische Tierärztin beschreibt dort das Vorgehen und hat es mit anschaulichen Grafiken illustriert.
Amputation: Tausch gegen ein „besseres Leben“
Warum die US-Amerikaner sich wenig dabei denken, wenn sie ihren Katzen die Krallen entfernen lassen, beziehungsweise es sogar für unerlässlich halten – 2011 sprachen sich immerhin 59 Prozent der befragten Katzenbesitzer für die Beibehaltung des Krallenziehens aus –, das beschreibt Judd Birdsdale anschaulich in einem Artikel in der Huffington Post: Es sei ein vertretbarer „Tausch“ – Krallenentfernen zum Schutz von Mensch und Möbel gegen ein besseres, sicheres Leben. Diese Denkweise ergibt sich, weil in den USA Katzen fast ausschließlich im Haus gehalten werden. Freigänger sind selten. Die Begründung: Sie würden sonst zu oft überfahren, im Haus kämen sie außerdem kaum mit Ekto- und Endoparasiten in Kontakt und – so glaubt Birdsdale – Katzen mögen es warm und sauber, also keinen Kontakt mit Regen oder Schmutz. Insgesamt lebten sie dadurch länger und gesünder.
Krallenamputation in der EU verboten
In den Ländern der EU ist die Prozedur seit 2006 aufgrund der European Convention for the Protection of Pet Animals verboten, ebenso in der Schweiz, Australien, Neuseeland und Brasilien. In Großbritannien beispielsweise droht Tierbesitzern und Tierärzten, die Krallen bei Katzen ohne medizinische Indikation entfernen, eine Geldstrafe von 20.000 Pfund und eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Amputationsverbot ohne Nachteile
Auch in einigen kalifornischen Städten ist die Amputation schon länger verboten und die Erfahrung hat gezeigt, dass eben nicht mehr Katzen in Tierheimen landen als vorher. Im Gegenteil: Die Entfernung von Krallen führt häufig zu anderen Verhaltensproblemen. Zunächst haben Katzen mit dem relativ lang anhaltenden postoperativen Schmerz zu kämpfen und müssen praktisch das Laufen ohne ihre distalen Metacarpalknochen neu lernen. Im Zuge der Umstellung benutzen Katzen oft auch ihre Katzenklos nicht mehr (und verunreinigen damit Fuss- und Teppichböden). Sie werden auch Menschen gegenüber aggressiver, was daran liegen könnte, dass man ihnen ihre wichtigste „Verteidigungswaffe“ genommen hat.
Kunststoffschutz als Kompromiss
Als Kompromiss für Tierbesitzer bieten sich sogenannte „soft claws“ oder „soft paws“ an. Diese werden als eine Art Kunststoffschutz auf die Krallen geklebt. Ursprünglich für medizinische Indikationen entwickelt, verhindern diese „Krallenentschärfer“, dass Hunde und Katzen mit juckenden Hautveränderungen sich kratzen und schwerwiegende Hautverletzungen mit ihren eigenen scharfen Krallen zufügen.
Dieser Kunststoffschutz lässt sich auch routinemäßig einsetzen, um Katzen die schmerzhafte Amputation zu ersparen. Damit haben auch eingefleischte Befürworter des Krallenentfernens keinen vernünftigen Grund, den Eingriff weiterhin zu verlangen oder durchzuführen.