Junge Akademiker – auch Tierärzte – zieht es weltweit in die Städte. Das US-Agrarministerium will Veterinäre mit Millionen Dollar Förderung aufs Land locken – auch Kleintiermediziner.
von Annegret Wagner
Insgesamt 4,4 Millionen Dollar hat das USDA (US-Agrarministerium) aktuell für Tierärzte bereit gestellt, um den Tierärztemangel auf dem Land zu lindern. Drei Jahre mindestens müssen sie dort arbeiten, außerdem ist die Beihilfe zweckgebunden: Die Veterinäre sollen damit ihre Ausbildungsschulden tilgen. Stolze 135.000 Dollar Minus haben junge Tierärzte im Schnitt am Ende ihres Studiums, denn in den USA sind saftige Studiengebühren fällig.
Landkarte mit „Mangelregionen“
Eine Online-Karte zeigt, wo Tierärztemangel herrscht, eine dreistufige Skala (critical, high, moderate) gibt an, wie dringend dort gesucht wird. Dabei fehlen keineswegs nur Nutztierärzte sondern auch Gemischtpraktiker und Kleintiermediziner.
Dass junge Akademiker nicht aufs Land wollen, gilt nicht nur für die USA. Aber dort entscheiden sich Tierärzte auch deswegen gegen das Landleben, weil sie in der Provinz häufig schlechter verdienen und sie so länger verschuldet bleiben.
Land(tier)arztmangel in Deutschland?
Ob in Deutschland ein vergleichbarer Mangel an Nutztierärzten besteht, ist derzeit noch unklar. Zuletzt hat das 2012 eine Erhebung im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums verneint.
Sicher ist, dass sich gerade kleine Nutztierpraxen kaum noch verkaufen lassen. Das liegt am mangelnden Interesse des meist weiblichen Nachwuchses an diesem Arbeitsmodell und an unrealistischen finanziellen Vorstellungen der ausscheidenden Kollegen.
Auf der anderen Seite wachsen große Praxen – mit entsprechend vielen angestellten Tierärzten – mit den Betrieben, die sie betreuen. Denn das Höfesterben auf dem Land führt zu einer Konzentration – bei Tierhaltern und Tierarztpraxen: So betreuen etwa 20 Prozent der Nutztierarztpraxen etwa 80 Prozent der Nutztierbestände.
Humanmedizin: Studium finanziert
Dagegen kennt die Humanmedizin tatsächlich einen Mangel an Hausärzten in ländlichen Gebieten. So haben einige Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und Bundesländer ganz unterschiedliche Maßnahmenbündel geschnürt, um Ärzte aufs Land zu locken. Sie vergeben zum Beispiel Stipendien für Studenten, die sich verpflichten, eine Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin zu absolvieren und sich in einer hausärztlich unterversorgten Region niederlassen. Mancherorts stellen die Gemeinden mietfrei Praxisräume inklusive Erstausstattung.
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen ist noch einen Schritt weiter gegangen und finanziert seit 2014 jährlich 20 Studenten die Studiengebühren für ein Medizinstudium in Ungarn – wenn sich diese bereit erklären anschließend in einer ländlichen Gegend als Hausarzt nieder zu lassen.
Niederlassungsprämien reichen nicht
Neben Stipendien gibt es je nach Kommune und Kassenärztlicher Vereinigung Niederlassungsprämien zwischen 10.000 und 60.000 Euro für die Niederlassung oder Übernahme einer Hausarztpraxis im ländlichen Raum. Doch diese Summen, bemängeln Kritiker, seien zu niedrig, um die wirtschaftlichen Risiken durch niedrigere Honorare, riskantere Zukunfstperspektiven und eben die (vermeintlich) schlechtere Lebensumstände auf dem Land auszugleichen.
Wann solche Anreize in Deutschland auch für Tierärzte nötig werden ist offen. Ebenso, ob es dann überhaupt Strukturen gibt, die entsprechend Geld zur Verfügung stellen würden.