Wird Colistin zum Reserveantibiotikum? Das hängt wohl von einer für den Herbst 2016 angekündigte Neubewertung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) ab. In der Tiermedizin hat Colistin erhebliche Bedeutung für die Behandlung von Magen-Darm-Infektionen bei Nutztieren.
(jh/BfR) – Die Entdeckung mobiler Colistin-Resistenzen hat eine öffentlichen Debatte über den Einsatz dieses Antibiotikums bei Nutztieren ausgelöst. Als Fragen- und Antwortkatalog liefert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) jetzt Fakten dazu (PDF-Download hier).
Neu sind Colistin-Resistenzen nämlich nicht. Seit 2011 werden sie in Deutschland systematisch untersucht. Die höchsten Anteile Colistin-resistenter Keime – bei leicht rückläufiger Tendenz – wurden dabei in E. coli aus Putenfleisch (ca. 10-11 %) und Hähnchenfleisch (5-6 %) nachgewiesen. Bei Isolaten von Schweinen (ca. 2 %) und Rindern (0,2-2 %) wurde eine Colistin-Resistenz seltener beobachtet.
Keine neue Resistenz
Wichtig: Von den E. coli-Isolaten, die sich bei Tests als Colistin-resistent erwiesen, trug die Mehrheit der im BfR bisher untersuchten Isolate das jetzt neu entdeckte, übertragbare Gen mcr-1. Andere Untersuchungen wiesen das mcr-1-Gen auch in Isolaten bis 2009 zurückgehend nach. Es ist also keine neue Resistenz, sondern ein erst jetzt neu erkannter Mechanismus der Resistenzübertragung.
Deshalb müsse nun durch weitere detaillierte Untersuchungen geprüft werden, wie häufig dieses Gen tatsächlich übertragen wird, auf welche Keime die Übertragung erfolgt und wie sich die Resistenz ausbreiten kann, schreibt das BfR.
Humaneinsatz selten weil gefährlich
Colistin wird, im Vergleich zu anderen Antibiotika, selten in der Humanmedizin eingesetzt, weil es nicht gut verträglich ist und Nieren oder das Nervensystem schädigt. Seine Bedeutung für die Humanmedizin liegt in der Behandlung von schweren Infektionen mit gramnegativen Keimen, die gegen die meisten üblicherweise eingesetzten Antibiotika einschließlich der Carbapeneme resistent sind. Diese Behandlungen sind nur selten erforderlich, weil bisher die Zahl der Infektionen mit solchen Keimen in Deutschland begrenzt ist, heißt es im BfR-Papier.
Einstufung bisher: „critically important“
Colistin wird von der Welternährungsorganisation (FAO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) nicht in der 2007 gemeinsam festgelegten Kategorie „prioritized critically important antimicrobials“ geführt, die für Human- und Veterinärmedizin von besonderer Bedeutung sind. Aber die WHO veröffentlicht eine 2012 aktualisierte weitere Liste der für die Humanmedizin besonders wichtigen Antibiotika („critically important antimicrobials“). Dort ist Colistin als „critically important“ eingestuft, nicht jedoch als „Highest Priority Critically Important“ (Wirkstoffe mit der höchsten Priorität in dieser Gruppe).
Fazit des BfR
Die Vorgaben für den Einsatz von Colistin in der Humanmedizin haben sich durch den Nachweis des übertragbaren Resistenzgens zunächst nicht geändert. Colistin sollte jedoch, ebenso wie alle anderen Antibiotika, in der Tierhaltung zurückhaltend eingesetzt werden.