Teflonvergiftung bei Ziervögeln

Pathologie Teflonvergiftung beim Kanarienvogel. (© Ausschnitt Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)Pathologie Teflonvergiftung beim Kanarienvogel. (© Ausschnitt Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Ziervögel und eine Raclette-Party, das verträgt sich nicht. Immer wieder sterben Tiere, weil sie sehr empfindlich auf Fluorphosgen (Carbonylfluorid) reagieren. Das wird beim Erhitzen von Teflonbeschichtungen freigesetzt. Seit 1969 bekannt, wird es doch bis heute etwa beim Raclette im Wohnzimmer immer wieder vergessen.

Logo_Leipzig_Ausschnitt(aw) – Ab einer Temperatur von 220°C beginnt die sogenannte Pyrolyse. Dabei setzen mit Teflon (Polytetrafluorethylen) beschichtete Flächen das – für Vögel extrem toxische – Fluorphosgen frei. Es reagiert mit Wasser und zerfällt zu Kohlendioxyd und Flusssäure, die den Tieren tiefe Verätzungen zufügt (siehe unten). Über Risiken, Mechanismen und Symptome gab Dr. Norbert Kummerfeld aus der Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel der TiHo Hannover in Leipzig ein update.

Tödliches Raclette

Raclette: Viele teflonbeschichte Flächen (Pfannen/Deckplatte) setzen leicht Fluorphosgen frei. (© Folie Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Raclette: Viele teflonbeschichte Flächen (Pfannen/Deckplatte) setzen leicht Fluorphosgen frei. (© Folie Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Der Trend, möglichst wenig Fett zu verwenden, beschleunigt die Freisetzung des Gases, denn dann sind die Teflonflächen weitestgehend unbedeckt. Während vielen Vogelbesitzern die Vergiftungsgefahr beim Einsatz einer Teflon-Pfanne bekannt sein dürfte, werden Raclette-Geräte in der Regel unterschätzt. Bei ihnen entstehen im Bereich der Heizspirale sehr hohe Temperaturen. Außerdem bleibt besonders beim Aufheizen viel Teflonfläche frei. Was das Risiko außerdem deutlich erhöht: Raclette-Geräte werden oft auch in anderen Zimmern als der Küche verwendet. Vergisst man dann, den Vogelkäfig etwa aus dem Wohnzimmer umzusetzen, ist es für die Tiere schnell zu spät.

Zellschäden und Verätzungen

Nasenbluten: Teflonvergiftung beim Kanarienvogel. (© Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Nasenbluten: Teflonvergiftung beim Kanarienvogel. (© Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Atmen die Vögel Fluorphosgen ein, kommt es zunächst zu oberflächlichen Zellschäden aufgrund des massiven Wasserentzugs und anschließend zu tiefen Verätzungen durch die Flusssäure. Weil die Vögel in der Regel wenige Minuten nach dem Einatmen sterben, sehen Tierärzte diese Fälle praktisch nie in der Praxis. Bei seltenen Fällen einer subakuten Vergiftung kann ein Vogel eine halbe Stunde überleben – doch wenn er es tatsächlich bis zum Tierarzt schafft, kann der ihm trotzdem nicht mehr helfen.

Klinische Symptome

Bei der klinischen Untersuchung fällt die hochgradige Atemnot (Schnabelatmung) auf. Außerdem haben die Tiere in der Regel Nasenbluten. Bei solchen Befunden sollte unbedingt nach Teflon-beschichteten Geräten gefragt werden, rät Kummerfeld.

Sehen Tierärzte selten: Pathologische Lungenbefunde eines Kanarienvogels mit Teflonvergiftung. (© Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Sehen Tierärzte selten: Pathologische Lungenbefunde eines Kanarienvogels mit Teflonvergiftung. (© Folie Dr. Norbert Kummerfeld, Klinik für Zier- und Wildvögel, TiHo)

Die pathologische Untersuchung hilft, (nachträglich) eine sichere Diagnose zu stellen. Typisch sind hierbei die massiven, flächigen Nekrosen an der Atemschleimhaut, ein hochgradiges Lungenödem und Lungenblutungen.

Vogelhalter: Verzicht auf teflonbeschichtete Küchengeräte

Das Fazit von Norbert Kummerfeld: Im Eigeninteresse und dem der Vögel sollten Vogelhalter am besten alle teflonbeschichteten Pfannen durch andere Produkte (Gußeisen, Keramik, Edelstahl) ersetzen. Wollen sie das nicht, sollten sie zumindest Vögel nicht in Küchen oder anderen Räumen halten, in denen Teflon erhitzt werden könnte – und daran auch bei Feiern denken.

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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