Der 8. Leipziger Tierärztekongress sprengt alle Rekorde: nie dagewesene Teilnehmerzahlen, eine Industrieausstellung, die aus allen Nähten platzt, Vorträge ohne Ende. Ein erster Eindruck.
von Henrik Hofmann und Jörg Held
Beeindruckende Zahlen nannte die Messe Leipzig schon zum Kongress-Auftakt: Mit 4.700 Vorregistrierungen zählte sie bereits vorab mehr Teilnehmer als im bisherigen Rekordjahr Jahr 2014. Damit sei der Kongress – und auch die begleitende Industrieaustellung VetExpo mit 210 Ausstellern aus elf Ländern – „die größte tierärztliche Veranstaltung im deutschsprachigen Raum und Benchmark für die Branche“. Auch der neue Präsident der Bundestierärztekammer, Dr. Uwe Tiedemann, bewertete Leipzig als „Veranstaltung der Superlative“. Die „endgültigen Zahlen“ gab die Messe zum Abschluss bekannt: „Insgesamt 5.000 (2014: 4.400) Veterinärmediziner, Tiermedizinische Fachangestellte und Studenten nutzten die Fortbildungsveranstaltung, um sich über neueste Entwicklungen in der Tiermedizin auszutauschen.“
1998 musste sich der erste Leipziger Tierärztekongress noch mit 500 Besuchern begnügen. Heute überschreitet allein die Zahl der Referenten deutlich die 400. Der Gesellschaftsabend in der Moritz-Bastei war indes nicht für alle erfreulich: Er war bereits Monate im Voraus ausgebucht.
„Transfer des Fachlichen in die Öffentlichkeit“
Dass die kleinste aller fünf deutschen Vetmed-Fakultäten zusammen mit den fünf mitteldeutschen Landestierärztekammern und Berlin diesen größten Kongress organsieren, würdigte sowohl die Rektorin der Universität Leipzig, Professoer Dr. Beate Schücking, als auch Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann-Onko Aeikens: Der Berufsstand habe den Organisatoren viel zu verdanken.
Als zentrale Kongress-Aufgabe – neben der beruflichen Fortbildung – sieht Schücking den „Transfer des Fachlichen in die Öffentlichkeit“. Die politische Begründung lieferte Aeikens: Die Bedeutung der Tierärzte sei mit der gesellschaftlichen Diskussion über Nahrungsmittelsicherheit und mehr Tierwohl gewachsen. Die Verantwortung für das Gemeinwohl schilderte Kongresspräsident Professor Dr. Gotthold Gäbel auch im Fernsehen und befördert das Image des Tierarztes in der Öffentlichkeit sehr positiv.
Tiermedizin im Umbruch
Neben der fachlichen Fortbildung ist der 8. Leipziger Tierärztekongress auch Diskussionsplattform brisanter Themen: Die Verknüpfung des Dispensierrechts mit „Reserveantibiotika“ ausgerechnet durch einen CDU-Politiker, der Einstieg skandinavischer, deutscher und nun auch chinesischer Investoren in den deutschen Tiermedizinmarkt, Tierschutz auf den verschiedensten Ebenen, Assistentengehälter und die Ankündigung der Gründung einer Gewerkschaft für angestellte Tierärzte waren nur einige Beispiele – zum Teil in Vorträgen und Diskussionen, zum Teil in den zahllosen Gesprächen auf den Gängen. Themen, die nicht nur Praktiker, sondern auch Behörden und Industrie beschäftigen.
„Männer – das alternative Geschlecht“
Amüsant, aber auch auffallend war die wiederholte Thematisierung der Feminisierung des Berufsstandes : „Männlicher Tierarztnachwuchs – das alternative Geschlecht“, nannte etwa Kongresspräsident Gäbel die wenigen männlichen Kollegen. Agrarminister Aeikens wünschte sich für den Berufsstand sogar mehr männliche Studenten: „Es wäre gut wenn man zu einem etwas ausgeglichenerem Verhältnis käme…“ Caroline Deiner von der Uni Berlin berichtete, selbst „in der reinen Rinderpraxis stellen Tierärztinnen mit 67 Prozent inzwischen die Mehrheit – allerdings nicht als selbständige Praktiker, sondern überwiegend als Angestellte“.
Vielschichtiges Fachprogramm
Das Fachprogramm war ungeheuer vielschichtig: von Haus-, Heim- und Nutzieren über Zootiere bis zu Fischen und Bienen, Verhaltenstherapie, Toxikologie, Lebensmittel- und Tierschutzrecht, Praxismanagement oder Tierseuchen – Vorträge und Kurse bilden praktisch alle Felder unseres Berufes ab. Einige Vorträge zur Zahnmedizin waren zum Teil „mittel“, überfüllte Hörsäle strengten an und Schweine-Referate begeisterten – je nach Sichtweise der Teilnehmer. „Der erste Schweinevortrag, bei dem ich nicht eingeschlafen bin“, lobte eine begeisterte (Kleintier-)Praktikerin den Vortrag von Prof. Manfred Kietzmann (TiHo Hannover). Er berichtete, dass der Einsatz von (oralen) Antibiotika durch Ausbreitung über Staub und Ausscheidungen leicht auf andere Tiere übertragen werden und so zu Resistenzen führen kann.
Pferdeschwerpunkt mit Partner-Messe
Parallel zum Tierärztekongress treffen sich auch Reiter zur Partner-Pferd, einer Messe, bei der die Reitsportbegeisterten auf ihre Kosten kommen.
Zwei Tage pralles Tiermedizin-Programm warten noch – wir werden weiter berichten!