Drei Tierrechtsorganisationen erstreiten im – nach eigenen Angaben – ersten Tierschutz-Verbandsklageverfahren Deutschlands Aktenensicht gegen ein Kreisveterinäramt. Es geht aber nicht, wie zu erwarten, um einen Fall von Massentierhaltung, sondern um einen Hundehändler.
(jh/PM) – Die Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch (ARIWA) ist eher bekannt für sogenannte „Undercover-Rechercheren“ mit Filmmaterial aus Nutztierställen. Vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg hat sie jetzt aber Akteneinsicht über das Vorgehen eines Veterinäramtes gegen einen Hundehändler erstritten.
Verdacht auf illegalen Welpenhandel
Für die Tierrechtler steht der Händler im Verdacht, illegal Welpen aus Osteuropa zu importieren und weiter zu verkaufen. Darauf deuteten Hunde mit osteuropäischen Mikrochips und für Massenzuchten typische Krankheiten hin.
Dem Veterinäramt wirft ARIWA hinsichtlich des Hundehandels „Untätigkeit und Verschleierung vor“. Bestätigt sehen sich die Tierrechtler darin, weil das Amt die Akten zunächst nicht herausgeben wollte und man mittels Verbandsklagerecht das Verwaltungsgericht bemühen musste.
Ist das Veterinäramt Hinweisen (nicht) nachgegangen?
Das Gericht habe dem zuständigen Landkreis jetzt die rechtliche Situation verdeutlicht und ihm die Niederlage in diesem Verfahren (auf Akteneinsicht) in Aussicht gestellt, teilt ARIWA per Pressemeldung mit. Auch müssten jetzt nicht nur wenige Unterlagen, sondern alle Akten herausgegeben werden, die alle Verwaltungsmaßnahmen des Kreises seit Genehmigung der umstrittenen Tierhaltung im Jahr 2006 umfassen. Die Tierrechtler wollen darin überprüfen, ob und wie die Behörden „den unzähligen Hinweisen“ auf den möglicherweise illegalen Hundehandel nachgegangen sind oder nicht und „inwieweit wir gegen ein mögliches Nichteinschreiten klagen können“, sagte ARIWA-Sprecherin Sandra Franz.
Tierschützer verteilen „Klagerisiko“
Unterstützt wird ARIWA im Klageverfahren von der Albert-Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt und der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz. Anders als ARIWA sind diese beiden, in Berlin ansässigen Verbände aber nicht in NRW als anerkannte Tierschutzorganisationen zugelassen, können also offiziell selbst nicht klagen. Ob diese Zusammenarbeit einer Verteilung eines möglichen finanziellen Klage-Risikos dienen soll, geht aus den Pressemeldungen nicht hervor.
NRW-Tierärztekammern gegen Verbandsklagerecht
Die Tierärztekammern in NRW hatten sich 2013 gegen ein Verbandsklagerecht in NRW ausgesprochen, unter anderem weil:
- Die umfangreichen Klage- und Informationsrechte der Tierschutzorganisationen zu öffentlichkeitswirksamen Kampagnen und Profilierungsversuchen einladen würden. Diese führten dazu, dass ein fachlich wissenschaftlicher und lösungsorientierter Ansatz bei der Beurteilung von Tierschutzproblemen zu Gunsten einer Verrechtlichung und Politisierung zurückgedrängt werde.
- Die Befriedigung der viel zu umfangreichen Klagen und Informationsrechte könnten in den zuständigen Veterinärbehörden zusätzliche Kapazitäten binden, die für die originäre Tierschutzarbeit vor Ort fehlen. Das Vollzugsdefizit im Tierschutz werde sich auf diese Weise weiter vergrößern.
Zu den Motiven seiner Klage teilten die Tierrechtler auch ausdrücklich mit: „ARIWA ist eine Tierrechtsorganisation und nutzt auch das Tierschutz-Verbandsklagerecht in diesem Sinne. Wir lehnen jegliche Ausbeutung von Mensch und Tier grundsätzlich ab.“
Tierschutz-Verbandsklagerechte gibt es in diesen Bundesländern:
- Bremen (2007)
- Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland (2013)
- Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (2014)
- Baden-Württemberg (Mai 2015)
- In Niedersachsen hat die Landesregierung einen Gesetzesentwurf für ein Verbandsklagerecht vorgelegt
- Sachsen-Anhalt hat die Einführung im September 2015 vertagt
Quellen:
ARIWA-Pressemeldung zum Ersten erfolg im Verbandsklageverfahren (8.12.2015)
Übersichtsseite des Deutschen Tierschutzbundes zum Thema Verbandsklagerecht
Weitere Quellen im Text direkt verlinkt (Hervorhebung in orange)
Beitragsbild: Symbolbild illegaler Welpenhandel ©WiSiTiA/Henrik Hofmann