Gesundheit hat viel mit Ernährung zu tun; doch anders als uns Medien Glauben machen, sehr viel weniger mit Lebensmittelqualität, als mit dem Lebensstil. Und der wird vor allem durch den sozialen Status der Menschen bestimmt. Mit anderen Worten: Reiche leben länger.
von Henrik Hofmann
Viele Studien belegen auch für Deutschland, dass Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status häufiger von Krankheiten, Beschwerden, Behinderungen und einigen Unfallarten betroffen sind. Sie schätzen ihre Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität nicht nur schlechter ein, sie sterben tatsächlich zu einem größeren Anteil vorzeitig, also vor dem 65. Lebensjahr. Der Zusammenhang zeigt sich bei Frauen und Männern. Häufig sogar als sozialer Gradient: Verbessert sich der Sozialstatus ist eine graduelle Abnahme von Krankheitsrisiken und Gesundheitsproblemen erkennbar.
Der Bericht „Gesundheit in Deutschland“ des Robert-Koch-Institutes gibt in elf Kapiteln einen umfassenden und fundierten Überblick über den aktuellen Stand und die Entwicklung der Gesundheit in der Bevölkerung. Die Grundlage des Berichtes bilden in erster Linie Daten des Gesundheitsmonitorings des RKI.
wir-sind-tierarzt.de legt seinen Lesern das Thema hiermit ans Herz – nicht nur, weil das RKI von Professor Dr. Lothar H. Wieler, einem hochkarätigen Tierarzt geleitet wird. Sondern auch, weil Lebensmittelsicherheit und -qualität originäre Arbeitsfelder von Tierärzten sind. Und weil wir hoffen, dass sich unsere Leser gesund ernähren und ein wenig Sport treiben.
Bewegungsmangel bei Kindern aus sozial schwachen Familien
Bereits die gesundheitliche Lage von Kindern und Jugendlichen wird durch den sozioökonomischen Status ihrer Herkunftsfamilie geprägt. Dabei geht es – in Deutschland – weniger um die Verbreitung akuter oder chronischer Krankheiten. Mehr mit reich und eben vor allem arm sind Risikofaktoren verknüpft, zum Beispiel ein problematischen Bewegungs- und Ernährungsverhalten oder Übergewicht und Adipositas.
[box]Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit?
- Frauen mit niedrigem Einkommen haben eine um acht Jahre geringere Lebenserwartung als Frauen mit hohem Einkommen; bei Männern beträgt der Unterschied elf Jahre (siehe Grafik oben).
- Ein niedriger sozioökonomischer Status geht häufiger mit Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Depression einher.
- Bereits im Kindes- und Jugendalter ist die gesundheitliche Entwicklung mit der sozialen Herkunft assoziiert. Entwicklungsrisiken wie ungesunde Ernährung, Übergewicht oder Verhaltensauffälligkeiten treten bei sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen häufiger auf.
- Eine sozialbezogene Prävention und Gesundheitsförderung kann helfen, gesundheitliche Ungleichheiten abzubauen.[/box]
Arbeitsschutz gut – psychische Belastung schlecht
Soziale Unterschiede manifestieren sich besonders stark in der Arbeitswelt und zwar in besseren oder schlechteren Arbeitsbedingungen, Beschäftigungschancen und Verdiensten. Dabei sind unfall- und krankheitsbedingte Fehlzeiten, ebenso wie tödliche Arbeitsunfälle in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Dies ist unter anderem ein Erfolg des gut ausgebauten Arbeitsschutzes in Deutschland. Es gab allerdings auch einen gegenläufigen Trend: So haben Fehlzeiten infolge psychischer Erkrankungen erheblich zugenommen.
Aber auch im Arbeitsumfeld zeigen die Daten nach wie vor große soziale Unterschiede in der Gesundheit der Beschäftigten: So haben Beschäftigte mit niedrigem beruflichem Status deutlich mehr Krankheitstage pro Jahr. Dies wird auf Unterschiede in den körperlichen und psychosozialen Arbeitsbelastungen zurückgeführt. Arbeitslose und Personen mit prekärer Arbeitsmarktanbindung, wie zum Bespiel geringfügig Beschäftigte, sind noch einmal besonders häufig von Krankheiten und Gesundheitsproblemen betroffen. Und Arbeitslose sind laut Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen beinahe doppelt so häufig krank gemeldet wie Erwerbstätige.
[box]Die Gesundheit der Deutschen im EU-Vergleich
- Die Lebenserwartung der Frauen und Männer in Deutschland liegt leicht über dem Durchschnitt der Bevölkerung in der Europäischen Union.
- In Deutschland und den Staaten der EU werden rund zwei Drittel der Sterbefälle durch Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen verursacht.
- 65 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland bewerten ihren eigenen Gesundheitszustand als gut oder sehr gut, in der EU sind es rund 68 %.
- In Deutschland, wie in den meisten anderen EU-Staaten, geht der Konsum von Tabak und Alkohol in den letzten Jahren tendenziell zurück. Dennoch werden diese Substanzen in Deutschland weiterhin häufiger konsumiert als in vielen anderen Staaten der EU.
- Das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Schulalter hat sich in Deutschland und in der gesamten Europäischen Union verbessert.[/box]
Krankheiten im Wandel
Im Laufe der letzten einhundertfünfzig Jahre hat sich in Deutschland und auch in vielen anderen hochentwickelten Ländern das Krankheitsspektrum gewandelt: Infektionskrankheiten haben als Todesursachen an Bedeutung verloren. Die Lebenserwartung der Menschen ist dabei in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Eine Folge des medizinischen Fortschritts.
In unserer (alternden) Bevölkerung bestimmen dafür jetzt chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, muskuloskelettale Erkrankungen und Diabetes zunehmend das Krankheitsgeschehen – und auch die Sterblichkeit. Außerdem gewinnen psychische Störungen zunehmend an Bedeutung. Viele Krankheiten stehen dabei in engem Zusammenhang mit den Lebensgewohnheiten.
Positive Entwicklungen …
… zeigen sich dem RKI-Bericht zufolge in den letzten zwei Jahrzehnten bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sowohl bei Herzinfarkt als auch bei Schlaganfall verzeichnet er sinkende Neuerkrankungsraten. Parallel sind auch die Sterblichkeit an Koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich zurückgegangen. Als Erklärung hierfür werden kombinierte Effekte von Erfolgen in der Primär- und Sekundärprävention, Fortschritte in der Therapie und eine verbesserte, leitliniengerechtere Versorgung angeführt.
Auch bei vielen Krebsarten sind Erfolge zu verzeichnen. Zwischen 2001 und 2011 kam es zwar zu einem Anstieg der Neuerkrankungen um etwa 16 Prozent, verantwortlich gemacht wird dafür aber maßgeblich der demografische Wandel. Behandlungserfolge werden im Wesentlichen auf Fortschritte in der Therapie, für einige Krebsarten auch auf eine frühzeitigere Entdeckung von Erkrankungen zurückgeführt.