Erst vom deutschen Presserat kritisiert, jetzt von den Industrie- und Handelskammern mit einem Medienpreis ausgezeichnet – die mit dem Titel „Rache aus dem Stall“ bekannt gewordene DIE ZEIT-Artikelserie über „Tödliche Keime“ in der Nutztierhaltung und in Krankenhäusern polarisiert ein Jahr nach der Veröffentlichung womöglich mehr denn je: Ein ZEIT-Autor diskreditiert sich und die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann protestiert.
„Zehnmal bester Wirtschaftsjournalismus“ so ist die Gewinnerliste des Ernst-Schneider-Medienpreises überschrieben. Der von den Industrie- und Handelskammern ausgelobte Preise, zeichnete im Oktober in der Kategorie „überregionale Wirtschaftsmedien Print“ das Autorenteam von DIE ZEIT, der Funke-Mediengruppe und des Recherchebüros correctiv aus. Deren Artikelserie „Tödliche Keime“ hatte auch bei Tierärzten für erhebliche Verärgerung gesorgt. (Linkliste siehe unten).
Pauschale Verunglimpfung
Dass die Serie mit einem Sonderpreis des „Salus-Medienpreises“ ausgezeichnet wurde, blieb weitgehend unbeachtet, denn er wird ausdrücklich für Beiträge vergeben, die sich „mit den negativen Folgen der Agro-Gentechnik auseinandersetzen.“
Aber auf die danach folgende Auszeichnung als „herausragender wirtschaftsjournalistischer Beitrag“, reagierte die CDU-Agrarpolitikerin Gitta Connemann (MdB) mit „Erstaunen und Irritation“. Das jetzt „ausgezeichnete Autorenteam habe eben nicht sorgfältig recherchiert“, schreibt die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einem Brief an Präsident und Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK / PDF hier). Connemann sieht in dem ZEIT-Artikel „Tierhalter pauschal verunglimpft“.
Das kann auch für Tierärzte gelten. Über sie sollte zunächst als „Dealer“ berichtet werden und dann zierten sie als antibiotikaverordnende „Teufel in Grün“, die „Dauernd Stoff vom Arzt“ in Ställe liefern, eine Aufmacherseite der Wochenzeitung. Mit Protestbriefen und Demonstrationen (Video hier) machten Tierärzte und Tierarztverbände ebenso wie die Landwirtschaft ihrem Unmut Luft. Schließlich bemängelte auch der Deutsche Presserat, die journalistische Sorgfaltspflicht sei – im ersten Artikel der Serie „Rache aus dem Stall“ – nicht eingehalten worden.
Agrarlobby im Nazivergleich
Diese Proteste und Kritik wiederum hatten nach der Preisverleihung einen der jetzt preisgekrönten Journalisten in einem – inzwischen wieder gelöschten – Facebook-Post dazu bewogen, zu fragen:
„Wer ist krasser als Nazis, Scientologen oder Geheimdienste? Die deutsche Agrarlobby.“
Auch die Tierärzte bezeichnete ZEIT-Autor Christin Fuchs wieder als „Geschäftemacher“. (Wortlaut siehe rechts – screenshots des Originalpost in schlechter Qualität hier).
„Abstoßend“ findet Gitta Connemann diese Äußerungen: „Wenn es nach dem Autor geht, kann sich offenkundig nur ein Teil der Bevölkerung auf das Gut der Meinungsfreiheit berufen. Landwirte scheinen nicht dazu zu gehören. Dies offenbart auch ein bemerkenswertes Demokratieverständnis des Autors.“ Sie erwarte, dass sich der DIHK „öffentlich von den ehrabschneidenden Äußerungen von Herrn Fuchs distanziert und die Auszeichnung jedenfalls des vorgenannten Artikels hinterfragt“.
Der DIHK musste auf Nachfrage von agrarheute einräumen, bei der Preisverleihung nichts von der Kritik des Presserates gewusst zu haben.
In einem offenen Brief (Langfassung hier / Online-Zusammenfassung hier) wehrt sich auch dlz-Chefredakteuer Detlef Steinert gegen die Vorwürfe in dem (inzwischen gelöschten) Facebook-Post von ZEIT-Autor Christian Fuchs.
Berichte auf wir-sind-tierarzt.de zur ZEIT-Artikelserie
Der Auslöser im November 2014: Die „Tierärzte sind Dealer“-Ankündigung im ZEIT-Artikel „Die Rache aus dem Stall“
Die Bundestierärztekammer (BTK) hatte vorab gegen die Dealerbezeichnung protestiert – ebenso der Bundesverband der praktizierenden Tierärzte (bpt) gegen die Vorwürfe im ZEIT-Artikel „Rache aus dem Stall“
Die ZEIT legt nach mit einem Artikel, der Tierärzte „Teufel im grünen Overall“ nennt.
BTK und bpt sehen danach aber von weiteren öffentlichen Protesten ab.
Der Presserat kritisiert im Juli 2015 den Auftakt-Artikel der Serie „Rache aus dem Stall“.