Rinder-Tbc in Großbritannien: Ausbreitung und Gegenmaßnahmen

Dachse gelten als Hauptüberträger der Rinder-Tbc und sollen deshalb gezielt bejagt werden, (Foto: ausgestopfter Dachs/©WiSiTiA/hh)

Das Rinder-Tbc-Problem am Alpenrand in Deutschland ist überschaubar geblieben, der bundesweite Tbc-frei-Status nicht gefährdet. Großbritannien aber kämpft seit fast 20 Jahren gegen die Zoonose: Allein 2014 wurden neun Millionen Rinder auf Tbc getestet und dabei 4.720 neue Fälle nachgewiesen. Eine Übersicht über das Problem auf der Insel.

Ausbreitung der Rinder-Tbc in Großbritannien von 1986 bis 2010. (Quelle/© BVA-Präsentation)

Ausbreitung der Rinder-Tbc in Großbritannien von 1986 bis 2010. (Quelle/© BVA-Präsentation)

von Annegret Wagner

Bereits seit 1996 gilt Großbritannien nicht mehr als Tuberkulose-frei. Besonders stark war der Anstieg positiver Tiere zwischen den Jahren 1998 und 2007. Ein vorläufiger Höchststand wurde mit rund 37.000 Tbc-positiven Kühen im Jahr 2007 erreicht. Jetzt weiten die Behörden den bereits bestehende Maßnahmenkatalog aus, um in den nächsten 25 Jahren die Krankheit unter Kontrolle zu bekommen. Tuberkulose beim Rind richtet in Großbritannien einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden an: In den letzten zehn Jahren wurden rund £ 500 Millionen für Bekämpfung und Schadenersatz ausgegeben. Allein seit 2008 mussten 260.817 Rinder getötet werden. (Stand 30.08.2015).

Sean Wensley (Präsident) und Jack Blackwell (Senior Vice President) von der British Veterinary Association beschreiben in einer übersichtlichen Präsentation den Stand, die Entwicklung und die Pläne der Tbc-Bekämpfung in Großbritannien.

 

Ungleiche Krankheitsverteilung

Allein in 2014 testeten die Tierärzte im Vereinigten Königreich neun Millionen Rinder auf Tuberkulose und stellten 4.720 neue Fälle fest. Doch die Krankheit ist nicht gleichmäßig über die Fläche verteilt. Besonders stark betroffen sind Wales und der englische Südwesten. Schottland dagegen gilt als frei von Tuberkulose. Um die wenig betroffenen Gebiete besser zu schützen, müssen in Zukunft alle Rinder, die zur Weiternutzung an andere Betriebe verkauft werden, vor dem Transport und später auf dem neuen Hof jeweils auf Tuberkulose untersucht werden.

Jährliche TBC-Tests nur in Risikogebieten

Bereits vor einem Jahr wurden alle Grafschaften und Bezirke im Bezug auf den Tuberkulose-Status eingeteilt. In Gebieten mit hohen Tuberkuloseinzidenzen müssen sämtliche Rinder jedes Jahr getestet werden. Um diese Problemzonen herum gibt es eine Schutzzone, in der die Rinder ebenfalls jährlich getestet werden, um eine Ausbreitung der Erkrankung möglichst schnell zu erkennen. In den restlichen Gebiete werden alle Rinder alle vier Jahre getestet.

Rinder-Tbc-Risikogebiete in Großbritannien: rot = Hoch-Risiko-Gebiete / straffiert = Schutzzone / gelb = Niedrig-Risiko-Gebiete. (Quelle/© BVA-Präsentation)

Rinder-Tbc-Risikogebiete in Großbritannien: rot = Hoch-Risiko-Gebiete / straffiert = Schutzzone / gelb = Niedrig-Risiko-Gebiete. (Quelle/© BVA-Präsentation)

Neu ist außerdem, dass weitere Tierarten, die die Erkrankung übertragen könnten, in die Kontrollen einbezogen werden, allen voran Schweine, Ziegen und Rotwild (vergl.: Rotwildmonitoring in den Alpenlandkreisen). Aber auch Katzen, Hunde und Neuweltkameliden können die Krankheit übertragen.

Risiko Dachse – kontrollierter Abschuss

Der Hauptüberträger in Großbritannien ist neben den Rindern selbst nach wie vor der Dachs. In Wales sind bis zu dreißig Prozent der untersuchten Dachse Tuberkulose-positiv. Darum soll die kontrollierte Bejagung der Dachse noch einmal verschärft werden. Neben Gloucestershire und Sommerset ist nun auch in Dorset der Abschuss von Dachsen erlaubt.
John Blackwell, Präsident der British Veterinary Association (BVA) und selbst Großtierarzt, begrüßt die neuen Vorschläge zu häufigeren Kontrollen der Rinder und Dachse. Mit der Art der Dachsbejagung ist er so allerdings nicht einverstanden. Die britische Tierärzteschaft möchte einen kontrollierten Abschuss der Dachse: Die Tiere sollen zunächst in einer Falle gefangen und dann erst erschossen werden. Nur so könne man sicher sein, dass die Tiere schnell und relativ schmerzfrei sterben. Gängige Praxis ist es, einfach auf Dachse zu schießen, ohne sicher zu stellen, dass sie tatsächlich tödlich getroffen wurden.

Dachse gelten als Hauptüberträger der Rinder-Tbc und sollen deshalb gezielt bejagt werden, (Foto: ausgestopfter Dachs/©WiSiTiA/hh)

Dachse gelten in Großbritannien als Hauptüberträger der Rinder-Tbc und sollen deshalb gezielt bejagt werden. (Foto: ausgestopfter Dachs/©WiSiTiA/hh)

Jagddruck erhöht Verbreitungsrisiko

Würden die Dachse zu stark bejagt – so fürchten der Tierärzteverband – bestünde außerdem die Gefahr, dass sie in andere Gebiete abwandern und so die Krankheit weiter verbreiten.
In Gebieten mit geringer Tuberkuloseinzidenz sollen Dachse daher geimpft werden. Auch dafür müssen sie in Fallen gefangen werden, denn die Impfung ist bisher nur per Injektion möglich. Die Kosten für die Impfung von Dachsen über die nächsten fünf Jahre werden auf rund £ 3.000 pro Tier geschätzt. In Gebieten mit vielen erkrankten Tieren ist die Impfung weniger sinnvoll (aus Kostengründen), da sie nicht zur Heilung beiträgt und zu viele bereits erkrankte Tiere geimpft würden.
Als Vorbild für die Dachsbejagung gilt Neuseeland. Dort waren Opossums der Hauptüberträger von Tuberkulose. Durch die rigorose Bejagung der Beutelratten hat es Neuseeland geschafft, seine Rinderbestände zu sanieren und nun anerkannt Tuberkulose-frei zu sein.

In Großbritannien laufen außerdem diverse Forschungsprogramme zum Thema Tuberkulose. Besondere Hoffnung setzt man in die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs. Bis dahin bleiben nur Monitoringprogramme und die Verbesserung der Biosicherheit in den einzelnen Betrieben: Sie müssen den Kontakt gesunder Rinder mit erkrankten Rindern und Dachsen vermeiden.

 

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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