In einem gemeinsame Bericht für den Europäischen Tierärzteverband (FVE) fassen Bundestierärztekammer (BTK) und der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) die wichtigsten deutschen Tierarzt-Themen des Jahres 2015 zusammen. Hier die Übersicht:
von Jörg Held
Was bewegt die deutsche Tierärzteschaft und wo haben die politischen Entscheider in Deutschland Schwerpunkte gesetzt, die die Arbeit der Tierärzte beeinflussen – das bpt/BTK-Papier (in englischer Sprache) soll die 37 anderen FVE-Delegationen auf der Herbsttagung in Brüssel (13./14. November 2015) darüber informieren.
Es ist aber auch für Tierärzte hierzulande ein sehr guter Überblick über die aus Sicht der Standesvertretungen wichtigsten Themen des Jahres 2015.
Der Kurzbericht ist auf der bpt-Seite verlinkt oder hier direkt als PDF abzurufen. wir-sind-tierarzt.de listet die Themen kurz auf und verlinkt jeweils auf ausführlichere Hintergrundinformationen oder Quellen (Hervorhebungen).
Neue Führungsspitze – Präsidentenwahlen bei BTK und und bpt
Beide Verbände haben eine neue Fühungsspitze. Beim bpt hat Dr. Siegfried Moder zum 1. November 2015 das Amt von Dr. Hans-Joachim Götz übernommen, der nach zwölf Jahren satzungsgemäß ausgeschieden ist.
In der BTK übergibt Prof. Dr. Theo Mantel nach acht Amtsjahren zum 1. Januar 2016 an seinen Nachfolger, den bisherigen Vizepräsidenten Dr. Uwe Tiedemann.
(Mehr zu den Wahlen bei BTK hier – beim bpt hier)
Antibiotika-Minimierungskonzept und Verbrauchszahlen
Nach zwei Erhebungs-Durchgängen hat das deutsche AMG-Antibiotikamonitoring einen Rückgang des Antibiotikaeinsatzes in der Tiermast gezeigt. Es sei aber noch zu früh generelle Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, das System müsse weiter verbessert werden, glauben auch bpt und BTK. Außerdem würden noch nicht alle Landwirte die Daten melden.
Die Erfassung der Antibiotikabagabemengen an Tierärzte hat für 2014 einen Rückgang von 27 Prozent (-468 Tonnen) im Vergleich zum ersten Erfassungszeitraum 2011 ergeben. Aber bei den „für die Humanmedizin kritischen Antibiotikagruppen“, also den Fluorchinolonen und Cephalosporinen 3./4. Generation, ist die Menge nicht zurückgegangen.
Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie (DART 2020)
Die Reduzierung der Resistenzbildung ist das medizinische Top-Thema auf der politischen Agenda in Deutschland. Die DART 2020 adressiert dabei sowohl die Human- als auch die Tiermedizin. Sie sollen bei der Resistenzminimierung stärker zusammenarbeiten.
(Mehr: Was die DART 2020 für Tierärzte bedeutet)
Zugleich hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) in einem Fachdiskurs und per Fachgutachten klären lassen, dass die Abschaffung des tierärztlichen Dispensierrechtes kein Erfolg versprechender Weg sei, Antibiotikaresistenzen zu minimieren.
(Bericht zum Fachdiskurs und Direkt-Link zum Dispensierrechts-Gutachten sowie ein Interview zum Thema: Dürfen Tierärzte mit Medikamenten Geld verdienen)
Keine GOT-Anpassung
Die deutsche Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) wurde seit 2008 nicht angepasst. Die Bundesregierung sei zwar offen für eine Erhöhung, aber sowohl die prozentuale Erhöhung als auch eine strukturelle Überarbeitung der GOT „ruhe“ zur Zeit. Der Grund: Die EU-Kommission stellt im Rahmen ihrer Transparenzinitiative grundsätzlich die Existenz von Gebührenordnungen in Frage. In Österreich ist die tierärztliche Gebührenordnung gerade Teil eines Vertragsverletzungsverfahrens.
(Positionen des BMEL zur GOT-Erhöhung und Aussagen zur GOT (Staatssekretärin Flachsbarth)
Umgang mit Laienbehandlern
Beide Standesvertretungen untersuchen in Arbeitsgruppen, wie mit „Laienbehandlern“ umzugehen sei, die ohne veterinärmedizinische Ausbildung Tierbehandlungen anbieten. Eine offizielle Stellungnahme gibt es noch nicht.
(Aktuelle Ergänzung von wir-sind-tierarzt.de: Die BTK hat beschlossen ihre Arbeitsgruppe ruhen zu lassen, bis die bpt-Kommission eine Positionspapier erarbeitet hat. Die BTK begründete dies damit, dass eine großer Teil der Arbeitsgruppenmitglieder in beiden Kommissionen mitarbeite).
Ethik-Kodex beschlossen
Nach einem kontroversen, über drei Jahre dauernden Diskussionsprozess hat der 27. Deutsche Tierärztetag in Bamberg einen Ethik-Kodex für die deutsche Tierärzteschaft beschlossen.
(Wortlaut des BTK-Ethik-Kodex)
Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken
Der Bundesrat fordert ein Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken von Legehennenrassen und will dazu das Tierschutzgesetz ändern lassen. Der Bundeslandwirtschaftsminister setzt dagegen auf eine technische Lösung der Geschlechtsfrüherkennung im Hühnerei. Wenn diese greift, entfalle der im Tierschutzgesetz verlangte „vernünftige Grund“ für das Töten der Küken. Damit würde automatisch ein Tötungsverbot greifen, erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Das System soll in 2017 serienreif sein. Ein Verbot ohne technische Lösung würde die Zucht von Legehennen ins Ausland verlagern, wo es nicht geregelt sei, glaubt das BMEL.
(Berichte zum Verbotsantrag des Bundesrates und zur technischen Lösung der Geschlechtserkennung im Hühnerei)
Verbot der Schlachtung hochträchtiger Tiere
Die Schlachtung von landwirtschaftlichen Nutztieren im letzten Trächtigkeitsdrittel werde in naher Zukunft verboten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium arbeite an einer entsprechenden Vorschrift und in mehreren Bundesländer haben Politik, Wirtschaft und Tierhalterverbände sowie Tierärzte freiwillige Vereinbarungen unterzeichnet (Landeskodices gibt es in Schleswig-Holstein – Niedersachsen – Mecklenburg Vorpommern).
(Berichte über die Vaildität der Daten die politischen Maßnahmen und die Forschungsprojekte zum Thema „Schlachtung trächtiger Rinder“)
Ende des Schnabelkürzens bei Legehennen
Als Teil der Tierwohlinitiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums „Eine Frage der Haltung“ hat die Geflügelwirtschaft einen Verzicht auf das Schnabelkürzen bei Legehennen erklärt, der ab August 2016 wirksam werden soll. Für Mastputen werde dies auch angestrebt, es sei aber noch weitere Forschung nötig.
(Freiwillige Vereinbarung der Geflügelwirtschaft)
Deutschland zu 94 Prozent BHV1-frei
Die zweite Stufe der Vorschriften zur Bekämpfung des bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1) in Deutschland wird umgesetzt. Um die Virusübertragung noch besser einzugrenzen, müssen seit Juni 2015 alle Tiere in BHV1-infizierten Beständen geimpft werden – wenn Reagenten nicht unmittelbar aus dem Bestand entfernt wurden. Außerdem können die zuständigen Behörden auch die Tötung der Reagenten veranlassen oder sie von der Besamung ausschließen. Zuvor war nur eine Impfung der Reagenten Pflicht. Deutschland sei inzwischen zu 94 Prozent BHV1-frei.
Verbot der Ferkelkastration ohne Betäubung
Die Ferkelkastration ohne Betäubung ist ab Januar 2019 in Deutschland verboten. Bis dahin müssen Nutztierhalter Alternativen etabliert haben (Ebermast/Kastration unter Betäubung/Impfung mit Improvac). Das Thema ist aber weiter strittig.
„Brancheninitiative Tierwohl“ unterfinanziert
Unter der Überschrift „Initiative Tierwohl“ haben Nutztierhalter, Schlachtbetriebe und der Einzelhandel eine Brancheninitiative gestartet, die pro Kilo verkauftem Schweine- und Geflügelfleisch eine Umlage erhebt (4 Cent). Damit soll mehr Tierwohl in den Ställen der teilnehmenden Betriebe gefördert werden. Aber sowohl im Schweine- als auch Geflügelbereich können nicht alle Tierhalter mitmachen, da die aktuelle Finanzierung von rd. 80 Millionen Euro jährlich nicht ausreicht. Es werden weitere Teilnehmer aus Handel und Gastronomie gesucht, die in den Tierwohlfonds einzahlen.
(Übersicht aller Berichte zur Brancheninitiative Tierwohl auf wir-sind-tierarzt.de und Artikel speziell zum Thema Unterfinanzierung)
Nacktkatzen sind Qualzucht
Ein Gericht in Berlin hat entschieden, dass Nackkatzen als Qualzucht anzusehen sind und die Nachzucht gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Deshalb bestätigten die Richter die vom Veterinäramt angeordnete Kastration eines Zuchtkaters. Es ist aber Revision zugelassen, da der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung beim Thema Qualzucht zugebilligt wird.
(Bericht zum Berliner „Nacktkatzen-Urteil“ und zum Qualzucht-Beschluss des 27. Deutschen Tierärztetages)
Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren
Deutschland unternimmt weitere Anstrengungen, Alternativen für Tierversuche zu entwicklen. So wurde im September beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein „Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren“ eingerichtet. Es soll alle Aktivitäten koordinieren, die darauf abzielen, den Einsatz von Versuchstieren zu reduzieren, die entsprechende Forschung fördern und den wissenschaftlichen Dialog über Alternativen intensivieren.
(Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren)
Tierwohl im Pferdesport
Ausgelöst durch die desaströsen Zustände bei der Dressur Europameisterschaft 2015 in Aachen, wo das Star-Dressurpferd „Totilas“ offensichtlich lahmend angetreten war, gebe es in Deutschland eine öffentliche Debatte über Tierwohl im Pferdesport, halten BTK und bpt fest. Das betreffe auch die Rolle der Tierärzte bei Pferdesport-Veranstaltungen.
(Bericht über die tierärztliche Rolle bei Turnieren)