Festpreise und Rabattverbot für Antibiotika ja oder nein? Und was hat das mit dem Dispensierrecht zu tun? Ein Interview mit Professor Dr. Rolf Mansfeld, der am Fachgutachten zum Dispensierrecht beteiligt war.
Als tierärztlicher Experte hat Prof. Dr. Rolf Mansfeld in der vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingesetzten Gutachtergruppe zur Bewertung des tierärztlichen Dispensierrechtes mitgearbeitet. Im Interview kommentiert er das Ergebnis und sagt, warum es immer noch so schwer ist, das Dispensierrecht als Vertriebsweg und nicht als politisches Steuerungsinstrument für den Antibiotikaeinsatz zu begreifen. Die Fragen stellte Jörg Held.
Bleibt das Dispensierrecht durch das positive Votum beim Fachdiskurs jetzt sicher erhalten?
Prof. Mansfeld: Das ist eine politische Frage. Das Gutachten hat gezeigt, dass es sachlich und fachlich keine überzeugenden Argumente gegen das Dispensierrecht gibt. Im Begutachtungsprozess und auch im Fachgespräch hat niemand einen Zusammenhang zwischen dem Dispensierrecht an sich und einem Anstieg antimikrobieller Resistenzen belegen können.
Sie sagen „politisch“ – das klingt noch nach Unsicherheit?
Die Forderung nach der Trennung von Verschreibung und Verkauf kam aus dem europäischen Parlament. Auf EU-Ebene kann es also auch neue Vorstöße geben. Deutschland hat aber nun einige Argumenten, die für das Dispensierrecht sprechen.
Warum ist es so schwer, das Dispensierrecht als einen Vertriebsweg zu betrachten, der sich bewährt hat?
Weil die gesellschaftliche und politische Debatte mehrere Themen miteinander kritisch verknüpft hat: Das Dispensierrecht, den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung und die Resistenzbildung. Letztere ist ein sehr ernstzunehmendes globales Problem. Deshalb war für mich auch das Ergebnis des Gutachtens und des Fachdiskurses wirklich völlig offen. Es ist ein gesellschaftspolitisch hoch brisantes Thema. Wir haben als Gutachter dazu möglichst viele Informationen und möglichst harte Fakten gesammelt und diese dann – auch im europäischen Kontext – eingeordnet.
Nun sagt das Gutachten aber nichts zum Antibiotikaeinsatz. Warum?
Es war nicht Aufgabe des Gutachtens, den richtigen oder falschen Einsatz bestimmter Arzneimittel – also etwa der sogenannten Reserveantibiotika – zu bewerten. Das ist ein anderes Thema.
Wir haben uns mit dem Vertriebsweg „Tierarzt“ befasst. Und hier hat das Gutachten gezeigt, dass ein Vertrieb zum Beispiel über Apotheken, keine oder nur geringe Veränderungen des Antibiotika-Einsatzes erwarten lässt.
Dafür würde sich der heute in der Tiermedizin eher untergeordnete Großhandel deutlich ausweiten. Er würde die Apotheken beliefern und von dort den Tierbestand. Auf europäischer Ebene besteht auch das Risiko einer Ausweitung des Onlinehandels. Die Überwachungsbehörden haben im Fachdiskurs deutlich gemacht, dass es erheblich aufwändiger und schwieriger wäre, diese Vertriebswege zu kontrollieren.
Bleibt als Kritikpunkt noch die Preisfrage: Dürfen Tierärzte am Medikamentenverkauf verdienen?
Auch ein Apotheker oder Medikamentengrosshändler muss und will Geld verdienen. Freiberufliche Tierärzte sind letztlich Unternehmer. Mit einer Apotheke engagiert sich der Tierarzt finanziell, muss geeignete Räume und Einrichtungen bereit stellen, hat erhebliche Arbeit und geht Risiken ein. Er tritt vollumfänglich in Vorleistung. Die Gesellschaft kann meines Erachtens nicht erwarten, dass jemand dies ohne jegliche Verdienstaussicht macht.
Andererseits ist es ein selbst limitierendes System. Kein Tierhalter will, mehr Medikamente kaufen und einsetzen, als er braucht, seien sie auch noch so kostengünstig. Dass das Preisargument womöglich überschätzt wird, war ja auch ein Ergebnis des Fachdiskurses. Andere Preise könnten aber vielleicht dazu beitragen, dass etwa die tierärztliche Bestandsbetreuung, die die Zahl behandlungsbedürftiger Fälle reduziert, für die Tierhalter „attraktiver“ wird und so stärker nachgefragt würde.
Dennoch hat Frankreich Anfang 2015 Festpreise für Antibiotika eingeführt. Der Bundestag wiederum hat einen Antrag der GRÜNEN, Rabatte abzuschaffen, abgelehnt. Die Agrarministerkonferenz der Länder fordert wiederum Festpreise. Warum hat das Gutachten hier keine klare Empfehlung abgeben?
Zur Preisgestaltung haben wir einige Szenarien aufgezeigt. Denkbar sind Steuern. Oder Preislimits, ob als Korridor oder Ober/Untergrenze. Es kann auch ein Rabattverbot geben. Aber wir haben diese bewusst nicht bewertet, denn das ist eine politische Entscheidung, die in die Marktwirtschaft eingreift und rechtskonform sein muss. Solche Preisvorgaben müssten dann auch für alle gelten, also für Apotheken und Tierärzte. Damit sind sie keine Besonderheit des Dispensierrechtes.