Immer wieder suchen Tierbesitzer kostenlosen Rat am Telefon. Handelt es sich um Stammkunden, kann das Teil des „Serviceangebotes“ sein. Doch Vorsicht: Telefonische Beratung kostet nicht nur Zeit, sie kann schnell als „mangelnde Sorgfalt“ ausgelegt werden – und geht unter Umständen zu Lasten des Patienten.
von Henrik Hofmann
Vor allem im Notdienst sind Anrufer, die „nur mal was fragen wollen“, eine echte Belastung. Sie blockieren die Leitung für „echte“ Notfälle, binden die Arbeitskraft des zahlenmäßig eingeschränkten Personals und kosten bisweilen auch den letzten Nerv. Insbesondere, wenn sie sich nicht mal durch die Information „ich behandle gerade …“ abschrecken lassen. Sie wollen „erst mal einen Rat haben“ oder sich die Diagnose“ von „Dr. Google“ bestätigen lassen, bevor sie sich auf den Weg in die Praxis machen oder dort gar Geld ausgeben.
Tatsächlich erscheinen viele Fragen oft profan und wären schnell beantwortet. Soll man also einfach einen kostenlosen Rat geben? Um sich dann wieder den „echten“ Problemen widmen zu können? Um Diskussionen zu entgehen? Um nicht als „geldgierig“ zu erscheinen?
Kostenloser Rat mit Risiko
„Nichts kann die Untersuchung mit unseren eigenen Augen und Händen ersetzen“, sagt DVM Kevin Sheehy vom Los Gatos Dog and Cat Hospital in Californien im Verinaryteambrief. Und er warnt: „Einfach Fragen am Telefon zu beantworten, kann schlimmstenfalls für den Patienten Schaden anrichten.“ Das wäre nicht nur zum Nachteil von Patient und Besitzer, weil durch die unterbliebene Untersuchung Wichtiges unerkannt bleiben könnte. Es würde auch gegen Selbstverständnis und Berufsethos des Tierarztes verstoßen.
In Deutschland ist der finanzielle Aspekt der „Kostenlos-Auskunft“ auch noch ein Verstoß gegen die Berufsordnung. Denn die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) gibt klar auch die fernmündliche Beratung als „gebührenpflichtige“ Position vor.
Warum Besitzer ihre Tiere nicht in die Praxis bringen
- um Geld zu sparen
- aus Sorge, zu lange warten zu müssen
- aus Unvermögen, einen Termin zu vereinbaren
- weil „Dr. Google“ sowieso schon die „richtige“ Diagnose gestellt hat
- weil das Tier es ihnen nicht wert ist
- mangelndes Vertrauen „in Tierärzte allgemein“
- weil der Haustierarzt gerade nicht erreichbar ist
Telefonstrategie für das Praxisteam
Die letztendliche Entscheidung, ob ein Tier in der Praxis vorgestellt wird, liegt natürlich beim Tierbesitzer. Das ganze Team sollte aber auf solche Anrufe vorbereitet sein und einen „Plan“ haben, wie man die Kunden – zum Wohle ihres Tieres – zu einem Praxisbesuch motivieren kann.
Wie holt man Besitzer in die Praxis?
- Optimal ist es, wenn Tierärztliche Fachangestellte das Telefon bedienen – und mit dem Hinweis, dass der diensthabende Tierarzt in Behandlung ist, telefonische Auskünfte abschmettert.
- Erarbeiten sie eine Liste von Fragen, die es jedem im Team erleichtert, einen „echten“ Notfall zu erkennen.
- Prüfen sie, ob der Anrufer bereits Kunde ist oder nur einen kostenlosen Ratschlag möchte.
- Bieten sie mehrere Differentialdiagnosen an, verweisen sie auf mögliche Risiken harmlos bis lebensbedrohlich und erklären sie, dass eine Diagnose nur in der Praxis gestellt werden kann. Zum Wohle des Tieres.
- Bei allem Stress und Ärger darf nicht vergessen werden, Telefongespräche höflich und professionell zu führen – sie sind ein wichtiger „Türöffner“ für Kunden.
Besonders schwierig wird es, wenn Besitzer auf diesem Wege an ein Rezept „herankommen“ wollen. Bestenfalls macht sich der Tierarzt „nur“ strafbar, weil er gegen das Tierarzneimittelrecht verstößt, denn das gestattet ihm nur Medikamente abzugeben und zu verschreiben, wenn er das Tier zuvor untersucht hat.
„Ferndiagnosen“ – mögen sie auch noch so profan erscheinen, sind immer ein Risiko für Mensch und Tier. Geht etwas schief, wird es am Ende immer heissen: „Und wer war der behandelnde Tierarzt?“