Über 1.300 Tierärzte haben sich zum 6. Tierärztetag NRW vom 4. bis 6. September in Dortmund angemeldet. Neben der fachlichen Fortbildung stehen berufspolitisch der Antibiotikaeinsatz und die in NRW neue geregelten und erheblich teureren Kontrollen der tierärztlichen Hausapotheken im Mittelpunkt.
(jh) – Über das am ersten Tag in Dortmund heiß diskutierte Thema, wie künftig eine neue zentrale Landesbehörde an Stelle der lokalen Veterinär-Ämter die tierärztlichen Hausapotheken in NRW kontrollieren wird und ob dahinter im rot-grün-regierten Bundesland auch politisches Kalkül steckt, wird wir-sind-tierarzt.de in der nächsten Woche (KW 37) ausführlich berichten.
Verärgert reagierten die Tierärzte jedenfalls darauf, dass eine Überprüfung dann bis zu 12.000 Euro für große Tierarztpraxen kosten könnte. Der derzeit gültige Kostenrahmen liegt mit 50 bis 2.000 Euro im Bundesvergleich bereits jetzt in NRW am höchsten. Auch fehlende Rechtssicherheit zu den künftigen Kontrollmodalitäten, war ein Thema: Klare Ja/Nein-Aussagen, was genau auf die Tierärzte zukommen werde, konnten auch die Behördenvertreter in Dortmund noch nicht zu allen Punkten treffen.
[box]„Fachlich dummes Zeug“ – spannende Einblicke in die Entstehung der SPD-Forderung, die Antibiotiakmenge bis 2020 um 50 Prozent zu reduzieren, ergaben sich in Dortmund am Rande der Antibiotika-Debatte: Eine SPD-Bundestagsabgeordnete kritiserte ihr eigenes Positionspapier heftig[/box]
Zum zweiten politischen Schwerpunkthema „Antibiotika-Einsatz in der Nutztiermedizin“ veröffentlichten die Tierärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe folgende Pressemitteilung:
„Eine politisch verordnete Kürzung der Antibiotika um 50 Prozent ist verantwortungslos“, sagte Dr. Harri Schmitt, Präsident der Tierärztekammer Westfalen-Lippe, bei der Kongresseröffnung. Juliane Becker, Abteilungsleiterin im NRW-Landwirtschaftsministerium, betonte jedoch, dass die laufenden Maßnahmen zur Antibiotikareduzierung nicht weit genug gingen: „Der Trend geht in die richtige Richtung – aber aus unserer Sicht zu langsam.“ NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hatte in einem kürzlich vorgestellten Handlungspapier erneut eine pauschale Kürzung gefordert.
Dass die Minimierungskonzepte greifen, zeigen die Zahlen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): 2014 wurden 468 Tonnen weniger Antibiotika gegeben als 2011 – eine Senkung um 27 Prozent. „Diese Erfolge werden in der Politik nicht berücksichtigt“, beklagte Dr. Josefine Starke, Kammerpräsidentin Nordrhein.
Eine pauschale Senkung um weitere 50 Prozent sei theoretisch schnell zu erreichen, ergänzte Schmidt: „Wenn wir nur noch die Reserveantibiotika geben, von denen geringere Mengen erforderlich sind.“ Veterinärmedizinisch sei ein solches Vorgehen nicht zu verantworten.
Die NRW-Kammern und die Bundestierärztekammer begrüßen daher sehr, dass ab 2015 Nutztierhalter ab einer bestimmten Größe zweimal im Jahr die eingesetzten Antibiotikamengen an eine Datenbank des BVL übermitteln müssen. Überschreiten sie einen Grenzwert, müssen sie einen Maßnahmenplan zur Reduzierung entwerfen. „Das haben wir schon seit vier Jahren gefordert. Jetzt hat die Politik endlich reagiert“, sagte Dr. Uwe Tiedemann, 1. Vizepräsident der Bundestierärztekammer.
Quelle:
Vollständige Pressemeldung der Tierärztekammern NRW (PDF-Download)