Zu wenig Jod – britische Probleme mit Bio-Milch

Glass Milch.(Foto: © Stefan Kühn Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)

Macht Milch krank? Aktuell hat sich auch spiegel-online mal wieder mit dieser These befasst, die dann übrigens auch für Bio-Milch gelten würde. Ergebnis: Gemäßigter Konsum ist unproblematisch. Wie immer kommt es auf die Dosis und die Zusammensetzung an. Und da könnte britische Bio-Milch sogar zu Mangelerscheinungen führen. Warum?

(aw) – In Deutschland gilt der Zusatz „Bio“ für viele Menschen als Garant für gesunde Ernährung. Eine Studie aus England zeichnet – zumindest für Großbritannien – ein anderes Bild. Ian Givens und sein Team von der Universität Reading untersuchten Milchproben aus biologischer und konventioneller Produktion. Bei den Bioprodukten fanden sie Jodkonzentrationen, die durchschnittlich ein Drittel unter denen der konventionell erzeugten Produkte lagen.

Milch als wichtigste Jod-Quelle in Großbritannien

In England wird – anders als in Deutschland – Jod weder bei Salz noch Brot zugesetzt, Dafür erhalten die Milchkühe eine Mineralstoffmischung mit entsprechendem Jodgehalt, so dass Milch und Milchprodukte ausreichende Mengen an Jod enthalten. Rund 40 Prozent des täglich aufgenommenen Jods stammt so bei durchschnittlichen Engländern aus Milch/Milchprodukten und macht diese damit zur wichtigsten Jodquelle für die menschliche Ernährung.
Jod wiederum ist wichtig für die Gehirnentwicklung ungeborener Kinder in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Studien haben gezeigt, dass werdende Mütter, die zu Beginn der Schwangerschaft wenig Jod zu sich genommen hatten, Kinder mit einem niedrigeren IQ zur Welt brachten, als Mütter, die ausreichend Jod aufgenommen hatten. Entsprechend warnt Givens davor, dass Jodmangel, eine Krankheit die eigentlich der Vergangenheit angehört, wieder zum Problem werden könnte.

Warum ist britische Bio-Milch ein Problem

Verantwortlich für die unterschiedlichen Gehalte in der Milch sind in erster Linie das unterschiedlich erzeugte Futter (Düngung) und die eingesetzten Mineralstoffmischungen. Aber auch Kleinigkeiten wie jodhaltige Dipmittel, die in biologischen Betrieben selten verwendet werden, tragen dazu bei, den Jodgehalt der Milch zu erhöhen.

Ausgewogene Ernährung gleicht Defizite aus

Dr. Sarah Bath, Gesundheitsexpertin an der University of Surrey relativiert die Ergebnisse der Kollegen aus Reading. Die Studie zeigt ihrer Meinung nach, dass „Bio-Milch“ weniger Jod enthält und Jodmangel erzeugen kann, wenn sich die Konsumenten ausschließlich auf diese Jodquelle verlassen. Wenn sich die Menschen, die Bio-Milchprodukte kaufen, ausreichend vielseitig ernähren und regelmäßig Fisch oder andere jodhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, spielt der niedrigere Gehalt in der Milch keine Rolle.

wir-sind-tierarzt.de meint:

(jh) – Der spiegel-online-Artikel und die britische Studie zeigen nur einmal mehr: Pauschalisierungen ala „Bio macht gesund“ oder „konventionell ist böse“, nutzen niemandem. Bei der Ernährung kommt es darauf an, für sich und den aktuellen persönlichen Bedarf – der als Kind, Jugendlicher, Erwachsener oder alter Mensch völlig unterschiedlich sein kann –, die richtige Mischung zu finden. Untersuchungen, die verteufeln oder loben sollte man also schlicht gelassen zur Kenntnis. Betrachtet man steigende Lebenserwartung und den Gesundheitszustand der Deutschen, kann das Essen hierzulande letztlich nicht so „bedrohlich krankmachend“ sein.

Quellen:
Organic milk is less healthy – Food chemistry
Macht Milch krank? – spiegel-online

Beitragsbild „Glass Milch“: © Stefan Kühn, CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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