„Männerquote“ gegen Zahnarztmangel?

Männerquote in der Zahnmedizin?

Ähnlich wie in der Tiermedizin sind Studenten der Zahnmedizin mittlerweile überwiegend weiblich. Ausgerechnet eine Frau fordert nun die „Männerquote“. Und wird von ihren Kolleginnen dafür förmlich gesteinigt.

von Henrik Hofmann

Es gebe an Universitäten Studienjahrgänge mit 100 Prozent Frauenanteil, beklagt der Landesverband Niedersachsen des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) und fordert deshalb eine Männerquote. Der Beschluss war heftig diskutiert: 19 Ja-Stimmen bei 13 mal Nein und neun Enthaltungen. Dabei lag der Frauenanteil bei den Zahnmedizinstudenten zuletzt erst nahe 70 Prozent, während er in der Tiermedizin bereits seit Jahr über 85 Prozent liegt.

Abi-Note qualifiziert nicht für „Qualität“ der Mediziner

Der Grund, dafür, dass kaum noch Männer Zahnmedizin studieren, liegt laut der niedersächsischen Landesvorsitzenden Annette Apel „am hohen Numerus clausus, der, je nach Universität, in Deutschland zwischen 1,2 und 1,7 liegt. (…) Ob ein Student später ein guter Arzt oder Zahnarzt wird, ist nicht von der Abiturnote und nur bedingt von der Abschlussnote im Studienfach abhängig“, schreibt Apel auf ZM-Online. Die Qualität der Mediziner bemesse sich neben dem fachlichen Können auch am Einfühlungsvermögen in die Situation des Patienten, am Umgang mit den Menschen, an den sogenannten „weichen Faktoren“ oder auch Social Skills, also der sozialen Kompetenz.

„Wir brauchen eine Männerquote für das Zahnmedizinstudium“, sagte Apel gegenüber RP-Online. „Bleibt es bei einem Frauenüberschuss, droht ein Rückgang von Praxen, vor allem auf dem Land“, so die in Göttingen praktizierende Zahnärztin. Nur wenige Frauen würden später eine eigene Praxis eröffnen.

„Diese Feststellung ist nicht frauenfeindlich, sondern beschreibt eine Tatsache.“

„Für viele Frauen steht nach Studienende und einigen Berufsjahren das Thema Familie und Kinder ganz oben auf der Agenda“, sagt Apel. „Diese Feststellung ist nicht frauenfeindlich, sondern beschreibt eine Tatsache. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft ist es zu begrüßen, wenn mehr Kinder geboren werden.“

Gründe seien unter anderem die schwierige Vereinbarkeit mit der Familienplanung und auch sehr hohe finanzielle Risiken. „Während der Schwangerschaft sind viele werdende Mütter in ihrer Berufsausübung zwangsläufig eingeschränkt, während der Zeit vor und nach der Niederkunft über ein Vierteljahr lang gar nicht beruflich tätig. Viele Zahnärztinnen streben für die ersten Jahre der Kindererziehung nur eine Teilzeitbeschäftigung an, um dann möglicherweise in späteren Jahren wieder ganztags in den Berufsalltag einzusteigen.“

Männerquote keine Lösung aber erster Schritt?

Eine Männerquote bei der Vergabe von Studienplätzen sei „natürlich nicht“ die Lösung des Problems. Genauso wenig wie eine Frauenquote in anderen Bereichen die dort bestehenden Probleme lösen könne. Apel sieht aber durch den Vorstoß ihres Verbandes die Diskussion entfacht. Neben der Männerquote sei die Politik deshalb vor allem gefordert, die Rahmenbedingungen für junge Zahnärzte zu verbessern, damit sie sich weiterhin selbstständig machen, fordere Apel.

Während Frauenquoten in vielen Positionen mittlerweile akzeptiert sind, wird die „Männerquote“ in Foren engagiert bis wütend diskutiert. Und scheint nun auch unter Humanmedizinern auf „fruchtbaren Boden“ zu fallen. Das Thema ist nicht neu. Denn auch in der Tiermedizin wurde es immer wieder diskutiert.

2014 waren 42 Prozent aller Tierärzte* selbstständig. Den Schritt in die eigene Praxis wagten aber nur rund 32 Prozent aller Tierärztinnen. Bei den männlichen Kollegen sind es dagegen 57 Prozent. Scheinbar ist die Selbstständigkeit für Medizinerinnen aller Disziplinen weniger attraktiv. 

Mein Kommentar:

„Es ist schon traurig, dass ein Mann der vom Bauernhof kommt, schon eine Lehre hinter sich hat, 1 Jahr Praktikum in einer Großtierpraxis gemacht hat und nichts anderes als Grosstierarzt werden will, nur wegen einer schlechten Abinote keine Chance hat, einen Studienplatz zu bekommen“, schrieb eine Kollegin auf Facebook dazu. Und ich würde sogar einen Schritt weiter gehen: Aus den durchlaufenen Perspektiven als Student, als Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann ich sagen, dass Tierärzte, die vorher eine Ausbildung (und sei es berufsfremd als Schreiner oder Buchhalter) gemacht haben, bei Einritt ins Berufsleben (fast) immer die besseren Tierärzte waren/sind.

Quellen:
Pressemeldung zum Beschluss des FVDZ Niedersachsen –(PDF)
Presseberichte in: RP-Online, ZM-Online, Doc-Check
*Zahlen aus der Tiermedizin: Deutsche Tierärztestatistik 2014 – (PDF)

Bild: (c)2014 Henrik Hofmann / wisitia

 

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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