Halbwissen aus dem Internet oder eine Behandlung durch Laien kann zu mehr Tierleid führen, kritisiert die Bundestierärztekammer (BTK). Dazu zählt sie auch Tierheilpraktiker, Tierpsychologen oder Tierphysiotherapeuten. Diese ungeschützten Berufsbezeichnungen könne sich jeder selbst verleihen. Das Wissen sei nicht im entferntesten mit dem aus einem Tiermedizinstudium vergleichbar.
„Exklusiv für Tierbesitzer – damit behandeln Sie Ihr Haustier ab sofort so sanft, sicher und nebenwirkungsfrei …“ oder
„Ihr Tier kann nicht sprechen, Ihr Tierarzt nur mutmaßen …“
Es sind Anzeigen und Werbung wie diese, die Tierärzte Sorgen machen, schreibt die BTK. Im Internet und anderen Portalen kursierten zunehmend Ratschläge zur Selbstbehandlung von Hund, Katze & Co. Doch diese sind oft nicht nur wirkungslos, sondern können im schlimmsten Falle auch fatale Folgen für das Tier haben. Denn was viele Tierhalter nicht wüssten: Berufsbezeichnungen wie Tierheilpraktiker, Tierpsychologe oder Tierphysiotherapeut sind nicht geschützt und gesetzlich geregelt. Jeder dürfe sich – letztlich auch ohne jegliche Ausbildung – so nennen.
Was dabei herauskommen kann, zeigen einige Beispiele, die die BTK dokumentiert hat:
- Ein Hund mit einer schmerzhaften Pfote bekommt vom Besitzer übers Wochenende homöopathische Globuli. Durch die nicht erkannte Vereiterung entsteht eine Blutvergiftung, die umso länger mit Antibiotika bekämpft werden muss.
- Die seit Tagen verklebten Augen eines Kaninchens werden auf Anraten eines Nicht- Tierarztes mit Augentropfen behandelt. Die Ursache war aber eine in die Augenhöhle durchgebrochene Zahnwurzel. Bei rechtzeitiger Untersuchung und Behandlung durch einen Tierarzt könnte das Tier noch leben.
- Die Katze reißt sich büschelweise Fell aus. Auf Anraten zahlreicher Internetforen probiert die Besitzerin eine neue Futtersorte nach der anderen. Ein tierärztlicher Hautcheck hätte die verursachenden Parasiten leicht erkannt und der Katze wäre wochenlanges Leiden erspart geblieben.
- Das Pferd speichelt seit Tagen, ein „Heilkundiger“ raspelt die Zähne. Ein rechtzeitig zugezogener Tierarzt hätte bei genauer Untersuchung erkannt, dass das Tier an einem schmerzhaften Zungentumor leidet.
BTK-Vizepräsident Dr. Uwe Tiedemann, zugleich Vorsitzender des BTK-Arbeitskreises „Tierbehandlung“, warnt davor, „Diagnosen aus dem Internet zu übernehmen und – ohne das Tier in einer Tierarztpraxis vorzustellen – auf eigene Faust herumzudoktern.“
In ein paar Wochenendkursen lerne man als Tierheilpraktiker, Dentist oder Akupunkteur eben nicht dasselbe wie ein Tierarzt im fünfeinhalbjährigen Studium, das mit einer staatlichen Prüfung und Zulassung zur tierärztlichen Tätigkeit (Approbation) bundesweit einheitlich abschließe.
Zoonose-Risiken bedenken
Das Thema macht den Tierärzten auch deshalb Sorgen, weil gerade die Gefahr der Übertragung ansteckender Krankheiten vom Tier auf den Menschen solides Fachwissen erfordere. Nach Auffassung der Bundestierärztekammer verfügen nur Tierärzte durch ihre umfassende Ausbildung und oft jahrelange Weiterbildung nach dem Studium über das Wissen, eine Diagnose zu stellen und eine geeignete Therapie einzuleiten. Und nur Tierärzte könnten abschätzen, ob eine schulmedizinische oder eine regulationsmedizinische Behandlung wie z.B. Homöopathie, Pflanzenmedizin, zielgerichtete Physiotherapie, Akupunktur oder auch eine Kombination für den einzelnen Patienten sinnvoll und zielführend seien, sagte Tiedemann.
Der Tierheilpraktiker-Dachverband KTHP wehrt sich in einer Stellungnahme gegen die BTK-Vorwürfe (21.7.2015)