Medienwirksam verkündet der Grüne niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer eine 16,50 Euro Ringelschwanzprämie für einen intakten Schweineschwanz. Doch der reine Lockruf des Geldes hätte für viele Schweine beinah erst mal mehr statt weniger Leid bedeutet. Zum Glück gibt es jetzt strenge Auflagen – die Hintergründe der Ringelschwanzprämien-Debatte.
von Jörg Held
16,50-Euro-Prämie pro Schwein, das ist so doll nicht? Umgelegt auf die aktuellen 101 Kilo Durchschnittsschlachtgewicht bedeutet das aber rund 16 Cent mehr. Klingt wenig, ist aber viel unter den herrschenden Marktbedingungen: Um die 1,48 pro Kilo bekommen die Schweinehalter momentan (16.6.2015) am Schlachthof. Und da jubilieren die Schweineverbände schon laut über einen Preisanstieg dank Grillsaison. Das zeigt wie eng es im Markt zugeht. 16 Cent Mehrerlös pro Kilo wären eine echte Verlockung, eine Prämie, die sich viele Bauern sehr gerne verdienen würden.
Wissenschaft warnt vor Prämie
Nur lief die Wissenschaft genau deshalb Sturm gegen Minister-Meyers Prämienpläne und das für 2016 geplante, endgültige Kupierverbot (siehe Linkliste am Ende des Artikels). „Niemand kann wollen, dass Landwirte ohne Vorbereitung und intensive Schulung einfach die Schwänze dran lassen, um die Ringelschwanzprämie zu erhalten“, betonte Professor Thomas Blaha. Er leitete im Auftrag von Niedersachsen die begleitende Studie und hat die Prämie scharf kritisiert, denn das Schwanzbeißen hat zu viele Ursachen. Es ist bislang nur für ganz wenige Betriebe wirklich zu beherrschen: Trotz hohem Engagement der Landwirte und wissenschaftlicher Begleitung wurden in 15 Versuchsdurchgängen nur einmal die geforderten mindestens 70 Prozent der Tiere mit einem unversehrten Ringelschwanz zum Schlachthof geliefert. Teilweise wurden über 90 Prozent der Tiere während der Mast zum Teil erheblich am Schwanz verletzt. Deutschlandweit erbrachten 20 verschiedene Studien vergleichbare Ergebnisse.
Eckpunkte-Papier schützt Schweine vor Prämienjägern
Nach heftigem und langem Streit mit scharfen Worten – es ging um „Ignoranz, Starrsinn und Unfug“ – haben sich Grüner Minister, die Tierhalterverbände und die Wissenschaft am Ende doch noch auf ein Eckpunktepapier verständigt (nachzulesen hier): Es gibt kein Patentrezept für den Erhalt des Ringelschwanzes und deshalb wird es auch 2016 noch keine Umsetzung des Kupierverbotes geben. Finanzielle Förderung zum Kupierverzicht durch das Land soll immer mit Beratung, Schulung und wissenschaftlicher Begleitung erfolgen, damit am Ende das Ziel von mehr Tierwohl auch wirklich erreicht wird.
Prämie beantragen darf nicht jeder
Wenn jetzt also per sehr langer Pressemeldung die 16,50-Euro-Prämie doch noch ausgelobt – und medial auch entsprechend „gewürdigt“ wird – dann verstecken sich die entscheidenden Sätze ziemlich am Ende:
Mitmachen darf nämlich nicht, wie ursprünglich geplant, jeder Landwirt, der gewillt ist seine Schweinehaltung umzustellen. Geld erhält nur, wer unterschiedlich stark gewichtete Kriterien erfüllt. Die wichtigsten Prämienkriterien sind dabei (Zitat – Hervorhebung WiSiTiA):
„Erfahrung mit der Haltung von Schweinen mit unkupierten Schwänzen, ein über der gesetzlichen Norm liegendes Platzangebot, Beschäftigungsmaterial und die Beschränkung der Tierzahl auf zunächst kleine Gruppen. Nur Landwirte, die hier eine Mindestpunktzahl erreichen, können an der Maßnahme teilnehmen. Sowohl für Ferkelerzeuger als auch für Mäster ist die Teilnahme an einer Schulung verpflichtend. Auch die wissenschaftliche Betreuung wird sichergestellt.“
Besondere Rolle für Nutztierärzte
Dem Tierarzt weist das Programm eine besondere Rolle zu, denn er muss die Tiergesundheit im Sinne der Richtlinie
begutachten und bescheinigen: bei einem Rein-Raus-Verfahren in jedem Mastzyklus; bei kontinuierlichem Ersatz von Tieren dreimal im Abstand von drei Monaten (Punkt 15.4. der Richtlinie -PDF-Download).
Die Vorgaben sollen zumindest erwarten lassen, dass sich die Schweine mit Ringelschwanz eben nicht gegenseitig kannibalisieren. Sicher ist das selbst dann noch nicht. Mit 200 Schweinen sollen die Landwirte beginnen, maximal 1.000 Tiere sind förderfähig. Zum Vergleich: Niedersachsens Bauern halten über 8,6 Millionen Schweine und über 70 Prozent der Betriebe haben inzwischen mehr als 1.000 Mastplätze.