„Arzt ist Dienstleistungserbringer, mehr nicht“

Zur Impfung bestellt, aber kein Impfstoff vorrätig – hat dann der Patient Anspruch auf Schadenersatz für vergebliche Wartezeit? In Leipzig verlangt ein Vater für 40 Minuten Wartezeit von der Kinderärztin 180.- Euro. Humanmediziner sehen sich inzwischen als schlecht bezahlte Dienstleister wahrgenommen.

(hh/jh) – Der Deutsche wartet nicht gerne, egal ob im Wartezimmer des Tier- oder Humanmediziners. Ein Vater hat nun nach 40 Minuten vergeblicher Wartezeit einer Kinderärztin eine Rechnung über 182,64 Euro geschickt, berichtet die Ärztezeitung. Das besondere in diesem Fall: Es ging um eine Tetanus-Impfung und als Vater und Tochter endlich dran waren, stellte die Kinderärztin fest, dass sie den benötigten Impfstoff gar nicht vorrätig hatte. Seine Forderung hat der Vater mit „2,2 Stunden Arbeitsausfall plus Kilometerpauschale“ begründet.

Arzt oder Patient: Wer bekommt den „Ausfall“ bezahlt?

Bisher wurde meist der umgekehrte Fall diskutiert: (Zahn)Ärzte verlangen ein Ausfallhonorar, wenn ein Patient nicht zu einem fest vereinbarten Behandlungstermin erscheint – und diesen auch nicht absagt. Das ist nach Auffassung der Ärztekammer Niedersachsen unter bestimmten Voraussetzungen sogar rechtens (Zahlungspflicht vorher angekündigt; Termin war für eine spezielle Behandlung/OP/Untersuchung vereinbart). Anrechnen muss der Arzt, Einnahmen, die er eventuell durch andere Patienten in der Terminzeit erzielen konnte.

Zahlungsgrund: Bestellte Leistung nicht erbracht

Wenn nun aber der Kunde „Patient“ einen Entschädigung vom Arzt verlangt, erklärt der Bonner Fachanwalt für Medizinrecht und Verwaltungsrecht Dr. Ingo Pflugmacher in der „Ärzte Zeitung“, geht es um zwei Fragen: Besteht überhaupt grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch aus vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichtverletzung des Arztes? Danach sei im Einzelfall zu klären, welche Ansprüche (Geldwert) gegenüber dem Arzt geltend gemacht werden könnten. Das bedeutet für diesen Termin: Waren Vater und Patientin extra zur Tetanusimpfung bestellt (dann könnte die Ärztin in der Tat ein Problem bekommen, wenn sie keinen Impfstoff vorrätig hat) und welcher Schaden entstand dem Vater durch den vergeblichen Termin tatsächlich? Wie dieser Fall ausgeht ist noch offen. Er liegt nun bei der Ärztekammer.

wir-sind-tierarzt.de meint

Klar ist, dass solche Forderungen auch uns Tierärzte eines Tages „kalt erwischen“ können. Klar ist auch, dass die Human-Kollegin ein Managementproblem hatte.
Interessant ist aber, wie ein Arzt diesen Fall in der Ärztezeitung kommentierte, denn darin zeigt sich ein Umdenken der Menschen gegenüber uns Medizinern:

Der Arzt ist Dienstleistungserbringer, mehr nicht !!!  Auch wenn wir es verdrängen sind wir Ärzte in der Meinung des überwiegenden Teils der Bevölkerung reine medizinische Dienstleistungserbringer, die zu funktionieren haben.“

Diese Wahrnehmung kommt (nicht nur) aus dem teuren Ausland. Der Humankollege nennt da „300 $ für fünf Minuten augenärztliche Behandlung in New York wegen Konjunktivitis“ oder „fünf Minuten Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Behandlung in einer türkischen Klinik mit Gehörgangsreinigung und Streifeneinlage für 800 €“ – also zunächst mal stolze Preise. Sowas schürt bei den „Kunden“ generell auch entsprechende Erwartungen. Dass der niedergelassene Facharzt hierzulande – so der Kollege – normalerweise irgendwo zwischen zehn und 30 € pro Kassenpatient und Quartal vergütet bekomme, geht unter.

Spannend ist, dass der Vater – in diesem Fall ein Autohändler – für seinen Schaden nicht nur die „40 Minuten vergebliche Wartezeit“ zugrunde legt, sondern die komplette Zeit für seinen Aufwand inklusive Fahrtkosten ersetzt haben will. Das zeigt: Zumindest einige Patienten wissen durchaus, das zu einer „Präsenzleistung“ und deren Preis noch weiterer vor/nachgelagerter Aufwand und Kosten gehören.

Sollte der Mann – womöglich vor Gericht – Recht bekommen, wäre das vielleicht am Ende gar nicht mal so schlecht für beide Seiten: Patienten sollten Termine einhalten; Ärzte aber auch zeitnah die (ein)bestellte Leistung erbringen. Wenn da rechtliche Klarheit herrscht, würden beide Seiten vielleicht verbindlicher und verlässlicher handeln.

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