(jh) – Große Nachfrage bei der Initiative Tierwohl von Seiten der Schweinhalter: 4.653 Betriebe haben sich beworben. Aber nur 2.142 – nicht einmal die Hälfte der Interessenten – können mitmachen. Für mehr reicht die finanzielle Austattung des Tierwohl-Fonds nicht. Der Handel müsse jetzt also Geld nachschießen, sonst sei das Signal für die Bauern, die in mehr Tierwohl investiert haben, das völlig falsche, lauten die Forderungen.
(erstellt: 4.4.2014/aktualisiert: 6.4.2015 – Mehr zur Kritik am Losverfahren lesen Sie hier)
In einer Pressemitteilung teilt die Initiative Tierwohl mit, dass etwas mehr als zwölf Millionen Schweine künftig von Tierwohl-Maßnahmen profitieren könnten, also rund etwa 20 Prozent der jährlich in Deutschland geschlachteten 60 Millionen Schweine. Zum Vergleich: Die Biohaltung hat einen Anteil von 0,5 Prozent. In Erstaudits überprüft die Initiative nun bei den 2.142 zugelassenen Betrieben, ob sie die ausgewählten Kriterien auch tatsächlich umgesetzt haben. Andernfalls gilt das Audit als nicht bestanden und Schweinehalter von der Warteliste rücken nach.
Insgesamt hatten sich aber 4.653 Landwirte mit 25,5 Millionen Tierplätzen für die Tierwohl-Initiative angemeldet. „Die Resonanz übertrifft alle Erwartungen. Unsere Tierhalter investieren umgehend in zusätzliche Verbesserungen des Tierschutzes, wenn sie die Mehrkosten erstattet bekommen,“ freute sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied.
Der Sprecher für Agrarpolitik der Grünen, Friedrich Ostendorff, kritisiert dagegen: „Der Lebensmittelhandel hat offensichtlich zu viel versprochen. Mit einem völlig unterfinanzierten Fonds lässt er das bemerkenswerte Engagement vieler Bäuerinnen und Bauern ins Leere laufen.
Diese Entwicklung war aber eigentlich erwartet worden.
[box]wir-sind-tierarzt meint: Den 13,5 Millionen Schweinen in den 2.500 Betrieben, die nicht mitmachen dürfen, tut das Engagement der Bauern dennoch gut – wenn denn diese Betriebe die besseren Haltungsbedingungen bereits umgesetzt haben (Nachtrag 5.4.2015: Davon haben laut taz 1.750 Betriebe angegeben, die Kriterien zum 2. Mai tatsächlich zu erfüllen. Wie viele Tiere davon profitieren, ist nicht bekannt). Für diese 1.750 Bauern, die jetzt leer ausgehen, ist ihr Engagement eher schlecht. Sie bekommen eben nicht mehr Geld für die veränderten Haltungsbedingungen und zahlen so im Vergleich zu den „Gewinnern“ drauf. Ein echter Wettbewerbsnachteil. Das könnte der Motivation der Landwirte, sich für mehr Tierwohl einzusetzen, am Ende sogar mehr Schaden als nutzen. Das wäre traurig.[/box]
Gut für die Tiere – schlecht für die Bauern
Etwas euphemistisch vermeldet der Deutsche Raiffeisenverband, die „Landwirtschaft kann den deutschen Markt mit mehr als dem Doppelten der kalkulierten Fleischmenge bedienen“. Was im Klartext bedeutet: 2.500 Betriebe – also mehr als die Hälfte – haben zwar in mehr Tierwohl investiert, dürfen mit ihren Produkten auch den „Markt bedienen“, bekommen dafür aber keine Refinanzierung ihrer Investitionen. Diese
- 2.511 Betriebe mit
- 5.6 Millionen Mastschweinen,
- 3.7 Millionen Ferkeln
- und 4.2 Millionen Sauen
stehen vorerst auf einer Warteliste. Bauernpräsident Rukwied fordert deshalb eigentlich noch viel zu zurückhaltend: „Jetzt ist die gesamte Wertschöpfungskette gefordert, allen teilnahmewilligen Tierhaltern die Beteiligung zu ermöglichen.“ Sprich: Das System braucht dringend mehr Geld.
Acht statt vier Cent Aufschlag
Am konkretesten ist hier die Forderung der Tierschutzorganisation PROVIEH. Von jetzt vier Cent auf ca. sechs bis acht Cent pro Kilogramm verkauftem Schweinefleisch, müsse die Tierwohlumlage erhöht werden, bis alle gemeldeten Betriebe in vollem Umfang teilnehmen können. Das sei „wahrlich kein unzumutbarer Aufpreis für die Konsumenten“, meint PROVIEH-Vorsitzender Prof. Dr. Sievert Lorenzen. Sollte über die Teilnahme am Ende das Los entscheiden, würde die Initiative Tierwohl als „eine kosmetische Greenwashing-Maßnahme der Privatwirtschaft entlarvt. Der Vertrauensverlust bei den Tierhaltern wäre irreparabel.“
Beliebte Tierwohlkriterien
Die Zahl der jetzt für die Initiative zugelassenen Betriebe teilt sich auf in
- 1.345 Schweinemastbetriebe mit 4.5 Millionen Tieren
- 324 Ferkelaufzuchtbetriebe mit 2.8 Millionen Tieren
- und 473 sauenhaltende Betriebe mit 4.7 Millionen Tieren.
Besonders häufig entschieden sich in der Schweinemast und der Ferkelaufzucht die Betriebe dafür, folgende Wahlpflicht- und Wahlkriterien zu erfüllen:
- zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial
- 10 Prozent mehr Platz
- Saufen aus offener Fläche.
Die sauenhaltende Betriebe bieten dagegen vermehrt folgendes an:
- zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial
- ständigen Zugang zu Raufutter in der Gruppenhaltung
- Bereitstellung von organischem Nestbaumaterial
- 10 Prozent mehr Platz.
Die Initiative Tierwohl beschreibt sich selbst als ein freiwilliges, branchenübergreifendes Bündnis von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, der Fleischwirtschaft und der Landwirtschaft mit dem Ziel einer tiergerechteren und nachhaltigeren Fleischproduktion. Im ersten Jahr rechnet sie mit einer Summe von 85 Millionen Euro für Schwein und Geflügel insgesamt, in den ersten drei Jahren mit 255 Millionen Euro.
Die Registrierungsphase für geflügelhaltende Betriebe, die bei der Initiative mitmachen wollen, wird noch in diesem Sommer starten.