Die weltweite Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen muss gestoppt werden. Die heute (13.5.2015) vom Bundeskabinett verabschiedete „Deutsche Antibiotikaresistenzstrategie 2020“ (DART 2020) setzt nationale Anstrengungen in einen internationalen Kontext. Sie adressiert zunächst Human- und Tiermedizin gleichermaßen: „Nötig sind klare Regeln für den Einsatz von Antibiotika in der Medizin und in der Tierhaltung.“ Doch es gibt konkrete Ideen für Tierärzte: Etwa einen Vergleich der Verordnungsmengen.
Eine erste Einordnung von Jörg Held
Die „klaren Regeln“ für den Antibiotikaeinsatz benennt die DART 2020 vor allem für die Tiermedizin – das zeigt eine Kernaussage:
„Unser Ziel muss es sein, den Einsatz von antibiotisch wirksamen Mitteln in der Tierhaltung weiter zu begrenzen.“
So hat es Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt in der gemeinsamen Pressemeldung zur „DART 2020“ formuliert. Eine vergleichbar konkrete Forderung nach einem „begrenzten oder reduzierten Antibiotikaeinsatz in der Humanmedizin“ findet sich dagegen in den Aussagen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zur DART 2020 nicht.
Dafür liefert das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Anlage zu den DART-Zielen (PDF-Download hier), die ganz konkret die Vorgaben für die Tierhaltung/Tiermedizin erläutert.
Antibiotikaeinsatz der Tierärzte untereinander vergleichen
Für Tierärzte neu und deshalb besonders interessant ist das Projekt:
„Erarbeitung von Eckpunkten für ein Rückkopplungssystem für Tierärzte, mit dem Tierärzte ihren Antibiotikaeinsatz untereinander vergleichen können.“
Wie ein solcher „Tierarztvergleich“ aussehen könnte und woher die Daten dafür kommen (sollen), sagt das Papier nicht. Auch steht darin noch nichts, über mögliche Sanktionen gegen zu viel verordnende Tierärzte. Vorbild könnten aber ein Benchmark-Programm aus den Niederlanden (oder detaillierter PDF-Download hier) sein (über das wir-sind-tierarzt.de hier berichtet). Es gab bereits zwei Drei-Länder-Treffen zwischen Deutschland, den Niederlanden und Dänemark, in denen die Landwirtschaftsminister vereinbarten, unter anderem auch bei der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes enger zusammenzuarbeiten. Vergleichbare Benchmarkprogramme wären da nur konsequent.
Einsatz „kritischer Antibiotika“ einschränken
Weitestgehend bekannt sind bereits die Regeln, die im Zusammenhang mit dem staatlichen Antibiotikamonitoring und der Umsetzung der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) beschlossen wurden– als da wären:
„Umsetzung der Ermächtigungen der 16. AMG Novelle für weitergehende Regeln für den Einsatz von Antibiotika, insbesondere Reserveantibiotika, bei Tieren.“
- Dies bedeutet – analog zur WHO – die Definition der „Highest Priority Critically Important Antimicrobials“ für Deutschland, die hierzulande eben oft pauschal noch als „Reserveantibiotika“ bezeichnet werden. Darunter dürften nach momentanem euroapweitem Konsens die Fluorchinolone, die Cephalosporine der 3./4. Generation und womöglich die Makrolide fallen.
Es wird – gemäß Aufforderung der Länderagrarminister – gesetzliche Beschränkungen für den Einsatz dieser Medikamente in der Tiermedizin geben.
Auf diese Einschränkungen beziehen sich auch zwei weitere Punkte des DART-2020-Papiers:
„Entwicklung weiterer rechtsverbindlicher Vorgaben für den Einsatz von Antibiotika bei Tieren auf der Basis bestehender Leitlinien.“
„Aufforderung an die Herausgeber der verfügbaren Leitlinien, diese regelmäßig auf Aktualisierungsbedarf zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren.“
- Hier sind die gerade aktualisierten Antibiotika-Leitlinien der Bundestierärztekammer gemeint. Es wird erwartet, dass die geplante Aktualisierung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV) diese „weitergehenden Regelungen“ und „rechtlichen Vorgaben“ präzisiert und auch Teile der BTK-Antibiotika-Leitlinien gesetzlich verpflichtend macht.
DART 2020: Weltweites Handeln nötig
Ansonsten formuliert die Minister-Pressemeldung zu DART 2020 zunächst einmal Bekanntes, etwa wenn Bundesgesundheitsminister Herman Gröhe mitteilt: „Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, drohen die Behandlungsmöglichkeiten in ein Vor-Penicillin-Zeitalter zurückzufallen, mit dramatischen Konsequenzen.“ Dabei sind sich die Bundesminister im Klaren darüber, dass „kein Staat den weltweiten Anstieg von Antibiotika-Resistenzen alleine aufhalten kann“. Denn Tiere und Menschen würden oft von demselben Krankheitserreger infiziert und mit denselben Antibiotika behandelt. „Nur mit einem sektorübergreifenden Ansatz kann deshalb die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen erfolgreich eingedämmt werden. Kennzeichnend für die DART 2020 ist daher die konsequente Umsetzung des One-Health-Ansatzes,“ heißt es in der gemeinsamen Presseerklärung.
Ziele der DART 2020
Die Ziele der DART 2020 beschreiben die Minister so:
- One-Health-Ansatz national und international stärken – und dazu mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten, um Antibiotikaresistenzen weltweit zu bekämpfen.
- Resistenzentwicklungen frühzeitig erkennen – und dazu die Überwachungssysteme ausbauen um so zeitnah Therapie- und Hygiene-Empfehlungen sowie gezielte Präventionsstrategien zu entwickeln.
- Bewusstsein fördern und Kompetenzen stärken – und dazu Wissen und Handlungskompetenzen sowohl in der Bevölkerung als auch bei Ärzten und Tierärzten vermitteln.
- Forschung und Entwicklung unterstützen – und dazu alle entsprechenden Forschungsbereiche in der Human- und Veterinärmedizin stärken und interdisziplinäre Forschungsvorhaben voranbringen.
Kritikerstimmen
Erste Kritik an DART 2020 gibt es bereits vom Grünen Agrarsprecher im Europaparlament, Martin Häusling:
„Melden, forschen, überwachen – wenn das alles ist, was der Bundesregierung zum drängenden Problem der Resistenzen von Antibiotika in der Tierhaltung einfällt, dann wird sich bald zeigen, dass dieses Paket bei weitem nicht ausreichen wird. Was fehlt, sind klare Reduktionsziele. Nur so, und das zeigt sich in anderen EU-Ländern deutlich, lässt sich der überbordende Verbrauch in den Griff bekommen.“